Der Detroiter Rapper Danny Brown hat dieses Jahr sein viertes Album namens „Atrocity Exhibition" veröffentlicht. Ein Album, das quasi die ganze Kritikerinnenwelt durch seinen weiten Horizont, die vielen verschiedenen Einflüsse und Tonlagen begeistert hat.
Ursprünglich war Brown in Frankfurt für das deutlich größere Gibson gebucht, nun ist es das Zoom geworden, nicht weit entfernt an der Zeil. Keine langen Schlangen vor dem Club wie etwa bei Angel Haze im gleichen Club. Das Durchschnittsalter an diesem Abend ist 24 Jahre, das Durchschnittsgeschlecht ist männlich. Auffällig ist, dass einige eher nach Punkrock- und Hardcore-Sozialisation aussehen. Und tatsächlich ist eine der größten Stärken Browns, dass er so deutlich über Genre- und Rollengrenzen hinausdenkt.
Nach den ersten vier, fünf Songs in schleppendem Tempo kommt noch die Frage auf: Das hier ist gut, aber warum springt der Funke nicht über? Aber erst mit etwas Abstand ergibt sich das Bild, an dem Danny Brown malt. Der Bass wird rauer, irgendwann hört man fast nur noch ihn und den immer verzweifelter klingenden Brown. Die spitzen Samples ragen dazwischen heraus, es quietscht und lärmt. Man denkt an zerwühlte Betten und schlechte Nächte. Das Unbehagen nimmt zu.
Browns Stimme kippt. Klingt er anfangs wie eine Mischung aus B-Real von Cypress Hill and Andre 3000 von Outkast, vermutet man da einige Ironie und Witz, kommen nach und nach Kratzer und Kerben hinzu. Die düsteren Basslinien, die großzügig aus dem Postpunk der 70er und 80er nehmen, werden präsenter. Der Anfang, das war ein Einlullen, er raunt: „Du hast nichts zu befürchten". So lockt er uns hinein. Wir steigen mit Brown Stufe für Stufe hinab. Der Ort ist in tiefes Rot, kühles Blau getaucht, die Bühne wird enger und kleiner.
Brown widmet sich dem neuen Album erst spät und es ist eine der Stärken dieses gigantischen Auftritts, wie Brown die einzelnen Fäden aufnimmt, wie er aus einzelnen Songs und Atmosphären eine Geschichte für ein Leben spinnt. Als wäre in der Gegenwart schon die Zukunft enthalten. Als wüsste der Danny Brown der helleren Songs und des Weed-Rauchens im Hier und Jetzt genau vom Schuldgefühl und den Abgründen, später.
Sind die jüngeren Versatzstücke und Referenzen vor allem bei verschiedenen Rockgenres der letzten Jahrzehnte genommen (Nine Inch Nails, Joy Division), so wird irgendwann selbst das Tanzen vor der Bühne eher zum sanften Moshpit. Brown geht mit dem surrealen „Pneunomia", das auf eine edgy Basslinie zusammengestrichen ist, von der Bühne. Am Ausgang unterhält sich ein junger Mann mit anderen darüber, dass Danny Brown die ursprüngliche Düsternis und den Extremismus des Metal aufnehme und damit etwas Neues, Frisches, Dringliches mache. Vielleicht ist Brown auch die Reflexionsschleife, durch die man durch muss - um schlussendlich bei so etwas wie realer Verletzlichkeit anzukommen.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 27.11.2016.