Lady Gaga, Bruce Springsteen, Madonna, Leonardo DiCaprio, Beyoncé, Denzel Washington, Jay-Z, sie alle waren geschlossen dagegen. Gegen Trump und das, wofür er stand: Mauern, in den Köpfen und auf den Karten.
Eine gängige Erzählung lautet, dass mit dem Sieg von Donald Trump die Niederlage des Pop einhergehe. Der Pop gilt als mehrheitlich progressiv und er hat sich durchaus laut zu Wort gemeldet, aber durchgesetzt hat sich das Reaktionäre. Etwas vereinfacht gesagt. Georg Seeßlen stellt sich in seinem Essay „Trump! Populismus als Politik" dazu quer. Im Gegenteil, der Sieg des Pop könnte kaum größer sein.
Selbstverständlich, so lässt sich einwenden, haben wir es hier mit zwei verschiedenen Begriffen von Pop zu tun. Oben angesprochen wurden politisch-moralische Positionierungen. Seeßlen hingegen schaut vor allem in die fiktiven Heldenerzählungen hinein, er zitiert Westernhelden, Robin Hood, Citizen Kane, um zu zeigen, wie Donald Trump als Figur eine Fortsetzung dieser Erzählungen, dieser populären Märchen einzusortieren ist. Wie Trump als „Abfall der Popkultur", als Volksheld, Selfmademan, als Sugardaddy auftritt.
Emotionen und EffekteSeeßlens These: Die Popkultur hat unser Politikverständnis sturmreif geschossen. Wir sind so vertraut mit den Bildern aus Hollywood, dem Bling Bling des Hip-Hop und den Posen des Entertainments, dem Trash-Drama des Reality-TV, dass wir Trump ernst genug nehmen können, um ihn ins Amt zu bringen.
Am Anfang, und das ist der argumentative Angelpunkt von Seeßlens Versuch, steht die Trennung des „ökonomisch-politischen Diskurses", in dem es schlussendlich um die Kraft der Logik und des Arguments gehe, vom Pop. Bei ihm, der Welt des Entertainments, gehe es um „Emotionen, Bildhaftigkeit, Effekte".
Trump ist demnach der Sieg des sich emotional verausgabenden Pop-Imperialismus über die vernünftigen, auf Überzeugung abzielenden Erzählungen der Politik. Das Problem ist: Seeßlen muss so tun, als wäre „die Popkultur" aus einem Stück. Und Politik und Ökonomie auch. Dabei ist es, auch hier, komplex.
Nehmen wir sein Beispiel des Citizen Kane. Seeßlen bezeichnet ihn als eindrucksvollste Darstellung des amerikanischen Archetypen des Selfmademan. Er macht sich Menschen gefügig, er und sein Imperium werden größer, reicher, mächtiger. Wenn wir aber mehr von einem Beispiel wie diesem gewinnen wollen, ist genaues Nachfragen wichtig: Zum Beispiel ganz banal, wie diese Erzählung ausgeht? Denn Kane fällt. Er fällt tief. Und das Wort, das er stammelt, jenes „Rosebud", es streckt sich zurück in seine Kindheit, es verweist auf eine erste, tiefe Wunde. Wenn Trump also Citizen Kane aufruft - ist dann dieser tiefe Fall nicht eigentlich Störfaktor? Wie beliebig lässt sich das zusammensetzen?
„Die Popkultur" hat unzählige Erzählungen hervorgebracht. Und diese widersprechen sich andauernd. Man kann damit fast alles zeigen, weil es für nahezu jedes Weltbild und jeden Trump-Schnipsel einen passenden Film, ein gutes Stück Gangsta Rap oder einen Comic-Superhelden gibt, der passt. Aber man fände auch immer Widersprechendes. Die pluralistische Gesellschaft hat auch eine solche Massenkultur hervorgebracht.
Ein Beispiel: „Nostalgie ist ein wichtiges Thema der Popkultur" schreibt Seeßlen. Was ist das für ein Satz? Welche Kultur hat nicht Nostalgie zum wichtigen Thema? Die klassische Hochkultur, die immer wieder eine kanonisierte Aufführungspraxis als Vergangenheits- und Geniekultpflege betreibt? Gibt es andererseits nicht einen Film wie „2001"? Wo ist der nostalgisch? Oder „Tron"? Oder „Star Trek"?
Es muss genauer gehen. Denn der Effekt ist durchaus ironisch: Indem wir Trump zum undifferenzierten und schrecklich ungebildeten Tor machen, gehen wir selbst undifferenziert vor und reagieren auf Abwesenheit der Details, der Konkretionen und Nachfragen. Hat eigentlich mal jemand eine Statistik erhoben, wie viel mehr derzeit über den neuen Präsidenten berichtet wird, als das üblicherweise nach einer US-Wahl geschieht?
In groß ausgreifenden Texten reichen die Deutungen von Platon bis Bugs Bunny. Es werden Thesen wie am Fließband ausgespuckt. Die Trump-Deutung ist selbst zu einem Konsumgut geworden. Wir frühstücken das so weg - ein neuer Text zum Gruseln.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 24.2.2017.