Sie wollen den Spagat zwischen Arbeit und Familie schaffen, ohne sich zu zerreißen? Dann bleiben Sie sich treu und lassen Sie los, empfiehlt Erziehungsberater Dr. Jan-Uwe Rogge. Im Interview mit Autor Nicholas Brautlecht in Hamburg rät er zu Gelassenheit. Und die strahlt der 69-jährige Autor von mehr als 20 Erziehungsbüchern und Großvater zweier Enkel auch selbst aus. Hier seine 6 besten Tipps
Hilfe holen
Das Tollste, was wir Kindern schenken können, ist Zeit? Unfug. “Kinder erleben Zeit ganz anders”, sagt Rogge. “Sie wünschen sich Zeit mit anderen Kindern.” Sie sind Mutter und planen die Rückkehr in den Beruf, aber Ihr Kind ist noch nicht reif für die Kita? In Ordnung. Binden Sie die Oma oder einen Babysitter ein. “Werden Sie zum Netzwerker,’’ rät Rogge. Auch andere Bezugspersonen bieten Ihrem Kind Halt und Geborgenheit.
Eltern-Kind-Zeit nehmen
“Papa, bitte anschubsen”, ruft die Tochter von der Spielplatz-Schaukel, doch Papa liest auf dem Handy die E-Mail vom Chef. Rogge rät: “Lassen Sie das Smartphone zu Hause.” Schenken Sie dem Kind Aufmerksamkeit, nicht dem Display. Und wenn die Tochter von der Schaukel rutscht und sich verletzt? “Dann sind auf dem Spielplatz sicher noch andere Eltern mit Handy, die den Notarzt rufen können.”
Auf die eigenen Bedürfnisse achten
Das Bild der Rabenmutter trügt. “Die berufstätige Mutter vernachlässigt ihr Kind nicht, sondern sie weiß: Mein Kind kann aus dem Nest”, sagt Rogge. Es ist Zeit, die eigenen Bedürfnisse ins Visier zu nehmen. Liegt die Erfüllung im Job, umso besser. “Sie brauchen wegen Sprüchen wie ‚Was da alles passieren kann‘ oder ‚Dein Kind ist viel häufiger krank‘ kein schlechtes Gewissen zu haben,” sagt der Erziehungsberater. Alle Kinder werden mal krank.
Bewegung in den Alltag einbauen
Machen Sie möglichst einen Spaziergang zur Kita, statt mit dem Auto zu fahren. “Kinder müssen ihren Körper erleben”, weiß Rogge. Bewegung erspart den Ballett-Kurs. Und: Toben Sie mit Ihren Kindern. “Das nennt sich authentisches Lernen, Kindern brauchen das.”
Loslassen lernen
Ihre Meinung ist vielleicht im Job gefragt, aber nicht auf dem Spielplatz. Kinder wollen anarchisch sein. “Spielplätze sind heute wie Affengehege: In der Sandkiste die Kinder, am Rand die Eltern, die jeden Schritt ihres Kindes kommentieren”, sagt Rogge. Lernen Sie loszulassen. Auch zu Hause. “Kinder brauchen Zerstreuung, daher lieben sie im Kinderzimmer auch die Streu-Ordnung”, so Rogge. Langeweile und Träumereien tun ihnen gut.
Schwächen akzeptieren
Jedes Kind ist einzigartig. “Das eine kommt als ICE auf die Welt, das andere als Schnecke, aber beide kommen irgendwann an”, sagt Rogge. Das gilt auch für Eltern. Akzeptieren Sie sich mit all Ihren Stärken und Schwächen. Jeder vollbringt seinen eigenen Balanceakt zwischen Karriere und Kinderzimmer. Und wenn es Sie mal wieder an Ihre Grenzen bringt, beruhigt Rogge: “Kinder finden es okay, wenn Eltern auch mal sagen: ‚Ich weiß nicht weiter, ich kann nicht mehr’”. Ihr Kind wird es Ihnen verzeihen.
Autor: Nicholas Brautlecht
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