Die Vergewaltigung wird hier als notwendiges Übel verstanden, nicht als sexuelle Gewalt, Straftat und Ergebnis einer misogynen Gesellschaft. Ziemlich enttäuschend, schließlich gibt es haufenweise andere Gründe, weshalb eine Frau eine komplexe Geschichte haben kann und charakterliche Weiterentwicklung anstrebt. Doch auch Jennifer Lawrence' Figur „Dominika" musste im Spionagefilm „Red Sparrow" einen ähnlichen Prozess der Stärke durch Vergewaltigung durchlaufen. Als unfreiwillige KGB-Agentin wird sie bei ihrer ersten Mission vergewaltigt, doch je mehr sich die Übergriffe häufen, desto stärker und kickass scheint sie zu werden.
Hinweise darauf gibt es schon seit Jahrzehnten. Beispielsweise eine Studie aus den Achtzigerjahren: Sie zeigte, dass junge Männer, die wiederholt Filme mit sexueller Gewalt gegen Frauen schauten, zu einer größeren Akzeptanz der Gewalt und Vergewaltigungsmythen neigten. Bei der Testgruppe der jungen Frauen konnten diese Ergebnisse nicht festgestellt werden. Eine Studie aus den Neunzigerjahren bestätigte diese Ergebnisse.
2019 wurde eine Study Review veröffentlicht, welche 43 Studien zum Zusammenhang zwischen Konsum von sexueller und häuslicher Gewalt in den Medien und die Akzeptanz dessen untersuchte. Die Psychologinnen Kara Rodenhizer und Katie M. Edwards stellten fest: Je mehr sexuelle und häusliche Gewalt medial konsumiert wurde, desto mehr sexuelle Gewalt wie sexuelle Belästigung, Vergewaltigungsdrohungen und Vergewaltigungen wurden akzeptiert. Sie kamen außerdem zum Ergebnis, dass Jungen und Männer stärker vom Schauen der gewaltvollen Inhalte beeinflusst werden und vermuten, dass dies mit dem gebotenen Identifikationspotenzial einhergeht, da die Täter in Film und Fernsehen meist Männer sind.
In einem Paper von 2018 plädierte der Kommunikationswissenschaftler Brad Bushman dafür, dass Schüler*innen über die Wirkung gewaltvoller Medieninhalte aufgeklärt werden müssen, da es sonst zu Abstumpfung kommen könne. Die Psychologin Lisa Damour stimmte im Jahr 2019 zu und schreibt in der New York Times, dass Kinder und Teenager*innen vor der Darstellung von Vergewaltigungen in den Medien geschützt werden sollten, da gerade junge Frauen von den Inhalten traumatisiert werden könnten.
Die feministische Filmwissenschaft nennt die Extremform dieses sexistischen Narrativs „Women in Refrigerators", also Frauen in Kühlschränken. Sie bezieht sich damit auf den Comic „Green Lantern" aus dem Jahr 1994, in dem der Titelheld seine brutal vom Erzfeind ermordete Freundin im Kühlschrank findet. Der Mord dient einzig dem Zweck, den Mann zu motivieren, emotional, aktiv oder rachsüchtig werden zu lassen. Auf der Leinwand kennen wir das vor allem aus den „James Bond"-Filmen, in denen die ermordeten Bond-Girls den Agenten erst richtig motivieren, die Täter zu schnappen. Ein aktuelles Beispiel für „fridging" findet sich in der ersten Hälfte von „Deadpool 2" (2018), wo Vanessa, die Freundin des Superhelden, getötet wird und dieser daraufhin Rache übt. Der Film löste eine „Fridging in Superhelden-Filmen"-Debatte aus.