"American Vandal" erzählt von Status, Erfolg und Abführmittel in der Schule. Teil 27 unserer Kolumne "Nächste Folge".
Am Tag des Anschlags scheint alles normal. Lehrende, Schülerinnen und Schüler essen mittags in der Mensa der St. Bernardine Highschool. Plötzlich haben alle Durchfall. Mache können sich zumindest an eine Wand oder einen Mülleimer retten, die meisten machen es schlichtweg auf dem Flur. Mit diesen absurd-erschütternden Szenen und der Suche nach Tätern beginnt die zweite Staffel der Netflix-Serie „American Vandal", die Social Media und die neue Einsamkeit im Digitalen persifliert.
Der Plot mag dumpf anmuten. Wer die Mockumentary aber darauf reduziert, wird ihr nicht gerecht - sie funktioniert gleich auf drei Ebenen. Zunächst ist da die Suche nach Tätern. Offenbar hat jemand Abführmittel in die Limo gemischt. Der oder die „Turd Burglar" hat außerdem noch zwei weitere Male zugeschlagen und rühmt sich der Taten online. Der Außenseiter Kevin McClain scheint schuldig zu sein und bekommt Hausarrest. Doch damit machen es sich Schule und Polizei zu einfach, wie die Protagonisten Peter und Sam herausfinden. Schülerin Chloe ruft sie an die Schule, um den Fall filmisch zu dokumentieren und aufzuklären.
Kevin ist prädestiniert als Täter. Von den anderen gemobbt, erschafft er sich eine Kunstfigur. Als „Fruit Ninja" lässt er sich mit Ananas, Äpfeln und Bananen bewerfen und dabei bereitwillig filmen. Die Clips schicken sich die Schülerinnen und Schüler über Instagram. Status und Erfolg im Leben spiegeln viele heutzutage online. Kevin hat beides nicht, aber nutzt Social Media, um sein Mobbing offensiv in die Rolle des „Fruit Ninjas" umzudeuten.
Damit heuchelt er nicht weniger als alle anderen an der Schule. Da ist Jenna, Tochter wohlhabender Eltern, die auf Instagram immerzu aus dem Urlaub lächelt. Als sie einige Zeit vor den Anschlägen ein Foto fälscht, wird sie zum Gespött - Rache könnte ihr Motiv sein. „So ein tiefer Fall ist schwer zu verdauen", sagt der schulische Basketballstar DeMarcus dazu mit ernster Miene.
Er macht sich im Laufe der Serie ebenso verdächtig wie Glamour-Girl Jenna. Und das nicht obwohl, sondern weil er der beliebteste Schüler ist. „American Vandal" bildet nicht nur die Selbstdarstellung junger Menschen authentisch ab, sondern zeigt auch, wie einsam sie macht. Mobbing-Opfer Kevin und Liebling der Schule DeMarcus sind gleichermaßen isoliert, bauen sich beide eine digitale Fassade auf, die sie in den Fall verwebt.
„American Vandal" hat als eine der wenigen Serien soziale Netzwerke geradezu durchdrungen. Während deutsche Sendungen plumpe Einblendungen als „Interaktion" verkaufen, bindet „American Vandal" die sozialen Netzwerke ein. Wenn der attraktive Hausmeister den Boden wischt, versammeln sich die Mädchen um ihn und posten Beiträge mit dem Hashtag #HotJanitor. Ein Verdächtiger fällt durch seltsame Emojis auf Facebook auf. Das mag für Ältere unverständlich wirken. Jüngere nehmen es aber genau wahr, wenn ein Medium sie ernst nimmt.
Die Hobby-Ermittler arbeiten sich akribisch an dem Fall ab. Peter befragt vorsichtig einen Lehrer, bis Tom todernst das Wort abschneidet - „Mr. Gesualdi, did you shit yourself?" Penibel rekonstruieren die zwei, wann wer was auf Instagram postete, zu welchen Schulräumen weshalb Zutritt hatte und wen kennt. Neben dieser spannenden Ermittlung und einer Parabel auf Digital Natives fungiert die Serie schließlich auch als humorvolle Mockumentary. Letzten Endes hat jemand Schulkinder mehrfach mit Kot angegriffen, Schule und TV-Sender bezeichnen den Fall als „Brownout".
Leider lassen die Macher am Ende wenig Spielraum für eigene Gedanken. Durch die Kot-Angriffe werden alle gleich, die Masken fallen, jede und jeder hat Dreck am Stecken, egal, wie er oder sie sich online verkauft. Derart explizit ist die letzte Folge, die auch alle an der Tat Beteiligten nennt. Da gefiel das offene Ende der ersten Staffel besser. Nichtsdestotrotz: Wer verstehen möchte, wieso junge Menschen so viel kommunizieren und gleichzeitig vereinzeln wie nie, sollte diese Serie ansehen.