Noch ist der Saal des Würzburger Congresscentrums leer, doch alles ist bereit. Die Tische sind gedeckt, von den Wänden hängen riesige Luftballongirlanden in bunten Farben. Am Abend werden hier 800 Gäste lachen, schunkeln, Karneval feiern. Es ist 15 Uhr, gerade haben sich die zwölf Tänzerinnen der Würzburger Prinzengarde im CCW zur Generalprobe getroffen. Trainerin Sarina Hüben begrüßt die jungen Frauen: „Ich freue mich auf einen tollen Abend mit euch. Das ist das Highlight unserer Saison!"
Die Prinzengarde hat am Abend ihren Auftritt bei der Gala-Prunksitzung der ersten Karnevalsgesellschaft Elferrat Würzburg, ihrem Heimatverein. Und wochenlang trainiert und darauf hin gefiebert. Ab einem Alter von 20 Jahren können sich junge Frauen bei der Prinzengarde anmelden, viele von ihnen sind durchs Studium nach Würzburg gekommen. „Man wird oft komisch angeschaut, wenn man erzählt, dass man in dem Alter mit dem Gardetanz anfangen möchte", sagt die 28-jährige Trainerin. Denn viele Garden in kleineren Dörfern legen ihre Altersgrenze bei 18 oder 20 Jahren fest. Aber die Würzburger Prinzengarde hat einen anderen Anspruch: „Wir sind keine Turniergarde. Wir sind eine Showgruppe, eine Partygruppe, die gute Laune verbreitet", betont Sarina Hüben. Deswegen erwartet sie von Neuzugängen kein besonderes Können: Jeder kann mitmachen, egal ob mit Tanzerfahrung oder ohne.
Während die Tänzerinnen im CCW auf der Bühne ihre Choreografie durchgehen, werden die Scheinwerfer eingestellt. Zwei Männer, die am Abend ebenfalls auftreten, machen einen Mikro-Check. „Man muss flexibel sein", sagt Hüben und grinst. Gerade ist sie entspannt, obwohl sie heute Abend wegen eines Krankheitsfalls selbst auf die Bühne muss. Die Geografin, die in der Verwaltung der Regierung von Unterfranken arbeitet, ist schon seit elf Jahren Teil der Würzburger Prinzengarde und im zweiten Jahr als Trainerin. In der neuen Aufgabe muss sie mehr Verantwortung übernehmen. Jede Tänzerin soll sich auf der Bühne wohlfühlen, das ist Sarina Hüben wichtig. Gelungen sei die Show, wenn alle auf der Bühne Spaß haben - und das auch das Publikum sehen kann. Trainiert wird einmal die Woche. Nach der Karnevalszeit gibt es eine kurze Pause, dann geht es im Frühjahr mit einer neuen Choreografie weiter. Die überlegt sich Sarina Hüben selbst, aber auch die Gardistinnen können sich einbringen. Das gehört zur Trainerphilosophie: „Die Mädels sind ja keine Marionetten. Hinter jeder Uniform steckt eine Persönlichkeit."
Unterstützt wird Hüben von Jana Kiesekamp. Seit Sommer hat sie in der Garde einen besonderen Job: Sie ist Kommandeuse. Dazu gehören viele Aufgaben - Eröffnung des Tanzes, Kommandos auf der Bühne geben, Ansprechpartnerin für die Tänzerinnen sein. Außerdem sorgt Kiesekamp dafür, dass bei den Auftritten alle Frauen gleich aussehen. „Es sind viele Absprachen, die die anderen gar nicht mitbekommen." Als Studentin im Master hat sie eigentlich genug zu tun: Ausgerechnet mitten in die Karnevalszeit fällt ihre Klausurenphase. Aber die Kommandeuse sieht es gelassen: „Man nimmt sich die Zeit. Ich brauche das zum Abschalten, sonst bin ich ja nur am Lernen." Das Gardetanzen ist für sie ein bisschen wie Theaterspielen: „Wenn wir auf die Bühne gehen, schlüpfen wir in eine Rolle", sagt Jana Kiesekamp. Das dauerhafte Lächeln und permanente Strahlen beim Tanzen ist für sie nicht anstrengend, im Gegenteil: „Auf der Bühne haben wir gute Laune und sind so euphorisch, dass das Lachen von allein kommt." Hauptaufgabe der Prinzengarde ist das Schmücken des Prinzenpaars. Was so viel bedeutet wie: Pro Saison haben die jungen Frauen zwischen 40 und 50 Auftritte! Manchmal wird getanzt, manchmal laufen sie mit dem Prinzenpaar ein.
Es geht auch in die Würzburger Wirtshäuser oder in Seniorenheime - je nachdem, wo das Prinzenpaar auftritt. An vielen Wochenenden hat die Würzburger Prinzengarde mehrere Auftritte pro Abend. Dann wird ein Reisebus gemietet, der das Prinzenpaar, die Ranzengarde und die Prinzengarde von Termin zu Termin fährt. Diese Bustouren sind mit viel Spaß verbunden, aber oft auch anstrengend. „Wenn es heißt: Wir hätten vor zehn Minuten schon auf der Bühne sein müssen - dann ist das stressig", erzählt Tänzerin Carmen Schüller. Dass meistens alles doch reibungslos funktioniert, ist vielen helfenden Händen zu verdanken. „Garde bedeutet, dass die ganze Familie eingespannt wird", sagt Trainerin Sarina Hüben. Carmen Schüllers Freund zum Beispiel spielt in der Ranzengarde, der Freund einer anderen Tänzerin ist der Fahrer des Prinzenpaars. Und die Oma muss schon mal Streuselkuchen backen: Für den Auftritt haben sich die Tänzerinnen ein großes Büffet an Häppchen, Kuchen, Salate und Süßigkeiten mitgebracht. Keiner soll später umkippen. Während Omas Streuselkuchen vernascht wird, beginnen die Frauen mit dem Schminken. Dafür kommt ein knallig-orangefarbenes Make-Up zum Einsatz, das für viel Gelächter sorgt. Aber im Scheinwerferlicht darf keine Tänzerin blass aussehen.
Pünktlich um 18:11 Uhr begrüßt der Präsident der Karnevalsgesellschaft die anwesenden Mitglieder im Backstagebereich. Die Frauen der Prinzengarde tragen jetzt ihre blauen Uniformen, Hüte mit großen Federn und weiße Röckchen: in Reih und Glied haben sie sich aufgestellt, eine Hand in die Taille gestützt. Die Gardistinnen strahlen in die vielen Fotoapparate: Der Abend hat offiziell begonnen! Dann kommen auch andere Tanzgruppen an, im Gewusel der Menschen machen sich die Tänzerinnen der Prinzengarde warm. Auch das gehört dazu, erzählt Carmen Schüller. Sich zusammen fertig machen, zusammen auf die Bühne gehen, zusammen Party machen. „Man kommt allein zur Garde und findet hier Freunde."
Und schließlich ist es endlich so weit: „Die schönsten Frauen, die Sie sich vorstellen können", kündigt Sitzungspräsident Ralph-Jochen Geiger die Prinzengarde an. Es ist kurz vor halb zehn, als die Frauen zu klassischer Marschmusik die Bühne betreten. Der Saisonhöhepunkt! Ein anstrengendes Programm tanzen sie, vom typischen Gardetanz geht es über in den Showtanz. Aus den Lautsprechern tönt in voller Lautstärke „Pirate" von der Kölner Band Kasalla. Die Tänzerinnen tragen passend zum Lied pinkfarbene und beige Glitzer-Piratenkostüme. Mit strahlenden Augen und einem großen Lachen im Gesicht heizen die jungen Frauen im CCW ein: Minnie Maus, Polizistinnen und andere Maskierte klatschen begeistert im Takt. Eine Zugabe gibt es ebenfalls: Zu „Sieben Sünden" von DJ Ötzi singt das Publikum mit. Nach dem Auftritt ist Sarina Hüben sehr zufrieden. „Wenn die Hebefiguren geklappt haben, kann man einfach nur noch genießen. Als würde die Lieblingsmusik in der Disco gespielt werden." Und das machen die Gardistinnen dann auch: Nach der Sitzung schlüpfen sie in ihre privaten Kostüme und genießen den Abend auf der After-Show-Party - ohne Gardeuniform. Tipp: Wer die Prinzengarde des Würzburger Elferrats in dieser Session noch erleben will: An diesem Sonntag sind die Tänzerinnen beim Großen Würzburger Faschingszug quer durch die Innenstadt dabei. Start in der Semmelstraße: 11.55 Uhr.
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