"Gelobt sei Gott" läuft seit Donnerstag in den Kinos. Es geht um Missbrauchsfälle der katholischen Kirche. Würzburgs Bischof hat den Film gesehen - und musste durchatmen.
Bischof Franz Jung muss erst einmal tief durchatmen. Er sitzt auf seinem Stuhl neben Moderator Christian Wölfel vom Bayerischen Rundfunk. "Der Film war sehr beklemmend und an einigen Stellen am Rande des Erträglichen", sagt er. Fast zweieinhalb Stunden dauerte der Spielfilm "Gelobt sei Gott" (Originaltitel: Grâce à Dieu), der am Donnerstagabend im Kino Central im Würzburger Bürgerbräu lief. Er beschäftigt sich mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche und beruht auf einer wahren Begebenheit: Es geht um den französischen Priester Bernard Preynat, der in den 1980er und 1990er Jahren circa 70 Pfadfinder missbraucht haben soll. Die Jungen waren zu dem Zeitpunkt zwischen neun und 13 Jahren alt.Die 167 Besucher, die an diesem Abend im Central den Film ansehen, verfolgen gebannt die Handlung um die drei inzwischen erwachsenen Männer Alexandre, François und Emmanuel. Sie haben den Mut, über ihr Schicksal zu sprechen, aber scheitern an der Institution Kirche: Kardinal Barbarin, Erzbischof von Lyon, schweigt und macht sich so zum Mitwisser. François gründet daraufhin den Verein "La parole libérée" (Das befreite Wort), und gibt den Opfern eine Stimme.
Viele Szenen des Films bleiben im Kopf
Im Anschluss an den Film moderiert Christian Wölfel ein Gespräch mit dem Würzburger Bischof Franz Jung. Was Jung dazu sage, dass es in diesem Fall so viele Mitwisser gab, möchte Wölfel wissen. Jung schüttelt den Kopf, ungläubig über die Ungerechtigkeit, die der Film verdeutlicht. "Der Schutz der Institutionen, der Täterschutz stand in diesem Fall klar im Vordergrund. Scheinbar konnte sich keiner vorstellen, was den Kindern angetan wurde, das Ausmaß war den Verantwortlichen überhaupt nicht bewusst", so der Bischof.
Viele Szenen aus dem Film bleiben im Kopf. Für Jung ist es vor allem eine Sequenz, in der Alexandre seinem Peiniger Preynat gegenübergestellt wird. Eine Verantwortliche des Bistums Lyon ist der Meinung, diese Begegnung könne die alten Wunden heilen. Preynat entschuldigt sich nicht, Alexandre kehrt tief verletzt nach Hause. "Das ist eine Versöhnung auf Befehl, die eigentlich zu einer Retraumatisierung führt", so Bischof Jung.
MHG-Studie ist am Abend stark in der Kritik
In der katholischen Kirche in Deutschland wurden die Missbrauchsfälle in der sogenannten MHG-Studie unter Beteiligung der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen aufgearbeitet. Die Studie wurde viel kritisiert, da es Hinweise darauf gab, dass Akten manipuliert oder vernichtet wurden.
Auch an diesem Abend sorgt die Studie für viel Gesprächsstoff. Ein Besucher fordert von Bischof Jung, dass die Studie mit sofortiger Wirkung zurückgezogen wird. Ein anderer prangert an, dass die Autoren der Studie keine freie Hand gehabt hätten. Dafür erhält er viel Applaus aus dem Publikum. Jung verteidigt sich: Die katholische Kirche hätte die Studie nur in Auftrag gegeben und keinen Einfluss auf die Ausarbeitung gehabt.
Im Film immer wieder thematisiert wird die Aussage, man solle aufhören, in den alten Geschichten zu wühlen. Ein Satz, der bei den Opfern im Film Wut und Enttäuschung auslöst. Im anschließenden Gespräch mit Bischof Jung fordert eine Psychotherapeutin eine Einsicht in die Personalakten für die Betroffenen. Dies sei für die Verarbeitung der Geschehnisse wichtig.
Das sei bereits möglich, antwortet der Bischof, und gehöre zu den Maßnahmen des Bistums zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. "Es sind keine alten Geschichten, die Opfer werden ein Leben lang davon begleitet", so Jung.
Kinder müssen lernen, Nein zu sagen
In "Gelobt sei Gott" werden Präventionsmaßnahmen nur am Rande thematisiert. Eine Theologiestudentin möchte daher wissen, was die Diözese Würzburg diesbezüglich leistet. Es gebe Schulungen für Personal in Jugendeinrichtungen, Dokumentationspflicht für die betreffenden Organisationen und einen Verhaltenskodex.
Laut Jung sei es vor allem wichtig, den Kindern beizubringen, dass sie Nein sagen dürfen. Er könne für niemanden seine Hand ins Feuer legen, "das Wichtigste ist, dass das Thema offen diskutiert wird", sagt Bischof Jung.
Einige Besucher hätten sich von Bischof Jung konkretere Antworten gewünscht
Eine prägende Szene, die dem Film seinen Namen gab, ist die Pressekonferenz mit Kardinal Barbarin zu Ende des Films. Die meisten Missbrauchsfälle Preynats seien "Gelobt sei Gott" (Grâce a Dieu) bereits verjährt, sagte Barbarin 2016. Eine Aussage, die damals für mediales Aufsehen sorgte und die Besucher auch an diesem Abend empört.
Einige der Besucher hatten sich von der Diskussion mit Bischof Jung mehr erhofft. "Er hätte konkretere Antworten geben können", so eine Besucherin. Johannes Heibel, Vorsitzender einer Opferschutzinitiative, bedankt sich bei Bischof Jung dafür, dass er "Rede und Antwort steht" an diesem Abend und für eine Aufklärung im Bistum Würzburg sorgt. Jung appelliert zum Abschluss: "Bitte melden Sie sich, wenn Sie betroffen sind. Nur so können wir auch handeln."