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Aufhebung der Roaming-Gebühren: mehr Vernetzung und Flexibilität in der EU

EU-Kommissarin Neelie Kroes bei der Vorstellung ihrer Pläne zum Roaming. Sie möchte die Gebühren beim Telefonieren im Ausland abschaffen. – Foto © European Commission / 2011

Vor allem Geringverdiener, die wenig reisen, würden beim Roaming-Wegfall benachteiligt werden, so das Argument der EU-Reform-Gegner. Wenn Anbieter auf Roaming-Erlöse verzichten müssen, könnten Gebühren für Inlandsgespräche oder Kosten für die Anschaffung der Handys steigen. Kleine Anbieter werden dann vom Markt verdrängt oder zu Fusionen gezwungen - mit der Folge von weniger Wettbewerb und steigenden Preise. Tourismusorientierte Länder in Südeuropa müssten ebenfalls mit Verlusten rechnen. Der Branchenverband Bitkom warnt außerdem davor, dass Investitionen in Netzausbau nicht mehr zu stemmen seien, wenn Unternehmen wichtige Einnahmen entzogen werden.

Inlandspreise werden nicht mehr sinken

Sofern das Gesetzesvorhaben eine Mehrheit bekommt, was noch ungewiss ist, könnten die Inlandspreise tatsächlich etwas ansteigen. Das würde aber auch daran liegen, dass der Preiskampf mit immer billigeren Flatrate-Angeboten nicht mehr lange so weitergehen kann. Die Gebühren werden allerdings nicht von heute auf morgen einfach abgeschafft, sondern schrittweise gesenkt. Anbieter würden also nicht mit plötzlichen Umsatzverlusten konfrontiert, sondern hätten Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Im Juli 2014 sollen die Höchstpreise von derzeit 24 auf 19 Cent die Minute fallen und für das mobile Surfen von 45 auf 20 Cent pro Megabyte. Nach dem Vorhaben der Kommission wären Unternehmen vor die Alternative gestellt, entweder auf Roaming-Gebühren zu verzichten, oder ihren Kunden zu erlauben, im Ausland kurzfristig und unkompliziert zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln. Da letzteres für Anbieter unattraktiv ist, erhofft Neelie Kroes, EU-Kommissarin für Digitales, dass dadurch Roaming-Aufschläge ganz wegfallen.

Digital-Binnenmarkt bringt höhere Gewinne

Doch das Gesetzespaket beinhaltet noch weitere Aspekte. So steht Bürgern dann das Recht zu, einen Vertrag vorzeitig kündigen zu können, sollte die Datenübertragung langsamer als vereinbart sein. Anbieter sollen neben den üblichen Zweijahresverträgen auch Verträge für ein Jahr anbieten. Damit würde die EU Rahmenbedingungen für mehr Flexibilität und Wettbewerb schaffen.

Teil des Gesetzes sind auch vereinfachte EU-Regeln für Telekommfirmen. Eine einzige Genehmigung (statt 28) soll genügen, um in allen EU-Mitgliedstaaten unternehmerisch tätig zu werden. Damit würde ein gemeinsamer europäischer Telekommunikations-Binnenmarkt entstehen. Weniger Verwaltungsaufwand für Unternehmen, neue Märkte sowie mehr Wettbewerb könnten zu höheren Gewinnen und somit zu mehr Investitionen führen. Telekom-Firmen könnten über Grenzen hinweg enger zusammenarbeiten. Bislang sind Betreiber, die in mehreren Ländern tätig sind, (so gibt es O2 beispielsweise auch in England) als eigenständige Unternehmen mit verschiedenen Preisen tätig und stellen sich gegenseitig Kosten in Rechnung.

Mehr Gespräche, mehr Umsätze, mehr Freiheit

Ein Binnenmarkt, der Freizügigkeit, grenzenloses Reisen und freien Kapitalverkehr erlaubt, ist Kern Europas und sollte aufrechterhalten und ausgebaut werden. Dass wir heutzutage in der EU so mobil sind wie noch nie, ist eine wünschenswerte Entwicklung, mit der uneingeschränkte Kommunikation und Datenaustausch einhergehen sollten. Dabei sind Roaming-Gebühren eine anachronistische Kommunikationshürde. Sie übersteigen zudem die tatsächlichen Kosten, die für die Netzbetreiber bei der Durchleitung entstehen, um das Vielfache. Fallen Roaming-Aufschläge weg, würde das Gesprächsvolumen in Europa bedeutend ansteigen, was sich wiederum in steigenden Umsätzen niederschlagen könnte. Somit gibt es auch weniger Hürden, die es für Konzerne unmöglich machen, in einem digital grenzenlosen Europa tätig zu sein.

Skeptiker übersehen gerne die symbolische Bedeutung dieses Gesetzes. Der Wegfall der Roaming-Gebühren wäre ein weiterer Schritt in Richtung einer gesamteuropäischen Öffentlichkeit. Denn häufig wird geklagt, viele Europäer sähen Europa als eine Ansammlung von losen Nationalstaaten, was der Realität des vorigen Jahrhunderts entsprechen würde. Wenn grenzüberschreitende Kontakte keine Kostenfrage mehr sind, könnte Europa ein Stück näher zusammenrücken.

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