Im Silicon Valley stehen Nerds und Digital Natives im Zentrum der Gesellschaft. Hier erzählt dir sogar der Taxifahrer etwas über die neusten Startups. Ein Grund mehr für unseren Korrespondenten Moritz, sich dort wohlzufühlen.
Das Taxi sah aus wie alle anderen: ein weißes Auto irgendeiner asiatischen Marke mit der Silhouette eines kleinen Geländewagens. Darauf klebten rote und blaue Streifen und Schriftzüge. Ich gab dem Fahrer zu verstehen, dass ich ins „Hard Rock"-Hotel wollte. Ein weiterer Termin inmitten von vielen in dieser Januar-Woche: Es war Messezeit in Las Vegas und die „Consumer Electronics Show" (CES) trieb tausende Besucher wie mich in die Stadt. Und auch wenn Las Vegas nicht mehr in Kalifornien, geschweige denn im Silicon Valley liegt, war diese Taxifahrt dennoch so repräsentativ für das Silicon Valley, dass ich sie an dieser Stelle einfach niederschreiben muss.
Ich weiß nicht mehr, ob der Fahrer seinen Namen nannte, jedenfalls handelte es sich um einen Mann, den ich auf mindestens fünfzig Jahre schätzte. Auf den ersten Metern dann das übliche Geplänkel: „Na, wegen der Messe hier?" - „Ja, genau, wir sind zwei Journalisten aus Deutschland." - „Und, schon Highlights entdeckt?" - „Nein, nicht so richtig, relativ mau dieses Jahr."
Spannende Recherche-Tipps vom Taxifahrer - WTF?Bis hier hin hätte das Gespräch auch überall anders auf der Welt stattfinden können. Aber als ich dann begann, zu erklären, dass die „ Pebble Steel Smartwatch" nach drei Messetagen immer noch zu meinen Highlights zählt, obwohl es ja nur eine optische Überarbeitung des bestehenden Modells ist, sprang der Fahrer auf meine Argumentation an und meinte, Wearables seien ja prinzipiell ein sehr interessanter Markt, und ob ich denn ein paar Tipps und Ideen für spannende Firmen bräuchte. Natürlich sagte ich zu, der Mann holte sein iPhone aus der Tasche und rief eine Notiz auf. Anschließend referierte er die gesamte Fahrt hinweg über etwa eine handvoll Firmen, die er in den letzten Monaten beobachtete, und von denen ich als Journalist bisher nur maximal zwei kannte.
Er erklärte mir im Detail warum Fitness-Tracker von Fitbit, Nike und Co schon wieder zum alten Eisen gehören, und wieso ich viel eher eine israelische Firma namens „Angel Sensor" im Auge behalten sollte. Weil ich immer interessiert nachhakte gab der Fahrer mir irgendwann sein Handy und ich konnte mir den Großteil der Firmennamen auf seiner Liste notieren. Spannende und wertvolle Tipps für meine Arbeit - von einem Taxifahrer! Den Anflug eines Minderwertigskeitkomplexes schluckte ich erstmal herunter.
Taxifahren ist sein Hobby, eigentlich ist er wohlhabendAuf die Frage, woher er sich so gut auskenne, sagte er, dass er selbst mehr als 20 Jahre im Silicon Valley bei diversen Firmen gearbeitet hat, durch den Dotcom-Boom wohl zu beachtlichem Reichtum gekommen ist. Taxifahren müsse er nicht, dass sei nur sein Hobby. Und morgen sei er vermutlich auch der einzige Fahrer in Las Vegas, der während der Messe-Saison Urlaub mache, aber er will selbst auf die Messe und sich auf den neusten Stand bringen.
Eine solche Taxifahrt hätte auch ohne Probleme in San Francisco, San Jose, Mountain View oder Palo Alto stattfinden können. Auch hier wird ein Großteil der Taxifahrer mehr Ahnung von Startups und IT haben, als der Durchschnittsbürger in Deutschland. Und das ist ein schönes Beispiel dafür, wieso ich mich hier im Silicon Valley so wohl fühle: Ich stehe hier in der Mitte der Gesellschaft und bin mit meinem Beruf absoluter Durchschnitt.
„t3n, also etwa so wie Techcrunch?"Neulich erklärte ich ebenfalls einem älteren Herren von etwa 60 Jahren in einem Starbucks, was ich beruflich mache. Aus deutscher Gewohnheit heraus, wollte ich schon bei Adam und Eva anfangen und die Ausrichtung von t3n erklären, aber nach einigen Sätzen unterbrach mich der Mann und fragte „Also etwa so wie Techcrunch?" Auch wenn man über den Grad der Übereinstimmung jetzt streiten kann, bejahte ich seine Frage und freute mich darüber, jemandem in weniger als 30 Sekunden meinen Beruf nahegebracht zu haben.
Als Digital Native fühle ich mich in Deutschland als AußenseiterEigentlich mag ich solche Buzzwords nicht, aber ich fühle mich mit dem Begriff „Digital Native" doch ganz gut beschrieben. Wenn es irgendwie geht, möchte ich alles in meinem Leben digital erledigen. Ja, ich lese Bücher auf einem E-Book-Reader, freue mich über Verwaltungsvorgänge die online erledigt werden können, schimpfe nicht darüber, dass man an Autos heutzutage angeblich nichts mehr reparieren könne und ich habe eine iPad-Halterung für das Fußende meiner Badewanne. Und genau mit solchen Eigenschaften zähle ich in Deutschland und in meinem speziellen Umfeld (abseits der Arbeit) als Außenseiter oder als Nerd.
Ich habe Probleme, wenn ich meinen Beruf im Detail der Generation meiner Eltern erklären soll, neue Apps oder YouTube-Videos werden bei Tisch auch als unangebrachtes Gesprächsthema abgetan und wenn ich erzähle, dass ich in der U-Bahn auf dem Weg einen Film auf meinem Handy geguckt habe, ernte ich nur kritische Blicke und Kommentare. Ich würde ja nur im „Cyberspace" (Zitat!) leben und ich solle doch mehr raus gehen. Da fühle ich mich dann immer ein bisschen ausgestoßen, so als ob mein Beruf gar kein richtiger Beruf wäre, und als ob mein digitaler Lebensstil irgendwie ein Experiment oder nur eine Phase wäre - jedenfalls irgendwie minderwertig gegenüber jemandem der sich die Hände schmutzig macht.
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