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Digitaler Unterricht: 'Der tägliche Hindernislauf'

In immer mehr Schulen arbeiten Lehrer und Schüler im Unterricht mit Tablets.

Der Streit um den Digitalpakt ist weiter ungelöst. Während Bund und Länder in Berlin nach einem Kompromiss suchen, schüttelt man an den Schulen nur noch mit dem Kopf.

 

Fünf Milliarden Euro will der Bund in die digitale Ausstattung an Schulen investieren. Eigentlich sollte das Geld schon im Januar fließen, doch das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Länder. Bei Lehrern und Schulleitern wächst derweil der Frust. Offen äußert sich keiner, doch hinter vorgehaltener Hand wird der Unmut deutlich. Das Urteil fällt hart aus.

Im Schulalltag scheitere es meist an einfachen Problemen: WLAN, das ständig ausfällt. Beamer, die sich nicht verbinden. Notenprogramme, die nicht kompatibel sind. Digitaler Unterricht werde damit zum "täglichen Hindernislauf". Von eigenen Dienstgeräten zur Vorbereitung von Unterrichtsstunden können viele nur träumen. Auch die Schüler müssen vielerorts mit längst überholten Programmen arbeiten.

Lehrer installieren WLAN auf eigene Kosten

Eine externe IT-Betreuung steht in Schulen nur eingeschränkt zur Verfügung. Geht ein Gerät kaputt, wird der Systembetreuer vor Ort angefunkt. Meistens sind das Lehrer, die mit der komplexen IT-Infrastruktur völlig überlastet sind. Ein Lehrer an einer Mittelschule erzählt ernüchtert: Würde er seine Arbeitszeit aufschreiben, hätte er "längst hingeschmissen".

Insgesamt sind die Unterschiede zwischen den Schulen riesig. Egal ob Stadt oder Land, egal welche Schulart: Ob digitaler Unterricht funktioniert, hängt stark vom Lehrer ab. In der Praxis wird improvisiert. So erzählt ein Lehrer, er habe im Klassenzimmer selbst WLAN installiert – auf eigene Kosten. Sein Vorwurf: Die Politik nutze dieses Engagement aus.

Mit dem Digitalpakt will der Bund den Ländern nun finanziell unter die Arme greifen. Eine Grundgesetzänderung sollte das bestehende Kooperationsverbot in der Bildung lockern. Doch die Länder lehnten den Gesetzentwurf im Bundesrat ab. Ihre Befürchtung: Der Bund könne sich nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich in die Bildungspolitik einmischen.

Ralf Schenke, Verfassungsrechtler an der Universität Würzburg, versteht den Widerstand der Länder. Besonders die Kopplung der Gelder an Qualitätsstandards, sei "aus verfassungspolitischer Sicht ein starker Eingriff in die föderalen Strukturen".

Doch laut dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder scheint sich ein Kompromiss anzubahnen. "Wir sind tatsächlich auf der Zielgerade", erklärte er am Donnerstag in Berlin. Zwar sei noch offen, wie die Verwendung der Bundesgelder kontrolliert werden könnte, doch es bestehe die Chance, den Digitalpakt schon kommende Woche zu besiegeln.

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes, Simone Fleischmann, erwartet eine schnelle Lösung. "Vor Ort versteht keiner, was da in Berlin politisch passiert. " Gleichzeitig betont sie, dass Digitalisierung an Schulen immer in ein pädagogisches Konzept eingebettet werden müsse.

Dieter Brückner, Vorsitzender der Bundesdirektorenkonferenz und Schulleiter in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg), kritisiert, dass es zu lange keine Gesamtstrategie gab. "In der Bildungspolitik wurde viel verschlafen. Mittlerweile hinken wir anderen Ländern in Europa und Asien hinterher." Er nennt eine ganze Liste, wo überall investiert werden müsste: Breitbandausbau, Glasfaser bis an die Schulen, WLAN im ganzen Gebäude und Geld für digitale Weiterbildung.

Landrätin Tamara Bischoff sieht erhebliche Finanzierungslücken

Trotz der vielen Förderprogramme, die der Freistaat in den letzten Jahren aufgelegt hat, ist der Bedarf weiter groß. Das Kultusministerium betont aber, die bayerischen Schulen seien im Digitalen gut aufgestellt. Allein in diesem Schuljahr würden 212 Millionen Euro investiert.

Tamara Bischoff, Vizepräsidentin des Bayerischen Landkreistages, sieht trotzdem noch erhebliche Finanzierungslücken. So seien insbesondere die WLAN-Infrastruktur von vielen Förderprogrammen ausgenommen. Den kommunalen Schulaufwandsträgern käme das Geld aus Berlin also gerade recht.

Mit Informationen von Stefan Lange

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