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Trumps Angriff auf elf Millionen

In den USA leben elf Millionen Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Die überwiegende Mehrheit ist seit mehr als zehn Jahren im Land. Schon vor Trump hatten sie schlechte Jobs, mussten immer wieder ihre Abschiebung fürchten und waren in ihrer Bewegungsfreiheit deshalb arg eingeschränkt. Mit Trump ist ihre Angst stark gewachsen - es wird erwartet, dass der neue US-Präsident selbst vor Einwanderern nicht Halt macht, die bisher geschützt waren.

"Wir werden Recht und Gesetz zurück in die USA holen", sagt Donald Trump. Es ist der 25. Januar dieses Jahres, auf Trumps Rednerpult prangt ein Adler, umringt von den Worten: US Department of Homeland Security. Es geht dem Präsidenten an diesem Tag um die Sicherheit der Nation. Sie sei bedroht von einer porösen Grenze, sagt er, und von Menschen: Er nennt sie die bad ones, die Bösen, redet von Gangmitgliedern und Drogendealern, Kriminellen. Nicht amerikanischen, sondern eingewanderten, Amerika werde sie loswerden. Das stehe in seiner Anordnung.

Liest man nach in dem Dekret, wird klar: "Kriminell" ist ein dehnbarer Begriff. All jene sollen abgeschoben werden, die "kein Recht darauf haben, in den Vereinigten Staaten zu sein" und eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen." Wer genau diesen Tatbestand erfüllt, darüber können nach dem Dekret die Beamten der ICE, der Migrations- und Zollbehörde, entscheiden. Ohne eine weitere Instanz. Die Formulierungen sind allerdings so weit gefasst, dass die LA Times unter Berufung auf Rechtsexperten und interne Papiere von etwa acht Millionen Menschen ausgeht. Die New York Times schreibt: Jeder, der illegal ins Land gekommen ist, gilt jetzt als kriminell - und kann deportiert werden. Das verändert das Einwanderungsland USA fundamental.

Ausgenommen ist nur, wer eine von Obama eingeführte "Aussetzung der Abschiebung" beantragt hat. Das konnten aber nur wenige: Etwa zehn Millionen Menschen könnten deswegen abgeschoben werden. Seit vergangener Woche macht die ICE ernst: In mindestens sechs Staaten wurden Hunderte Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus festgenommen und teils abgeschoben. Medienberichten zufolge waren - wie befürchtet - anders als bisher auch Menschen ohne kriminelle Vergangenheit betroffen. Einige lebten seit Jahrzehnten in den USA.

Sie stammen größtenteils aus Lateinamerika, trotz fehlender Greencard sind sie seit Jahrzehnten Teil der Gesellschaft, leben, arbeiten und studieren in den USA. Dabei ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ihr Aufenthaltstitel oft eine schmerzliche Begrenzung des im Leben Möglichen: Arbeit ist fast nur im informellen Sektor zu finden, medizinische Versorgung ist schlecht, die Angst vor Abschiebung behindert Bewegungsfreiheit, Zukunftsplanung, Familienbesuche. Dennoch wollen sie bleiben, die USA ist ihre Heimat, viele haben als Kinder oder Kleinkinder die Grenze passiert, besitzen nur vage Erinnerung an das Leben im Süden. Seit vergangener Woche aber scheint es, als seien ihre schlimmsten Befürchtungen erfüllt worden.

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