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Tschüss, Mädels!

  • Tageblatt (Luxembourg)
  • 17 Oct 2017
  • Monica Camposeo schreibt über Sexismus in der Sprache

Die Diskussion über Sexismus in der Sprache brodelt. Im akademischen Alltag sind Begriffe wie Studierende oder Dozierende längst an der Tagesordnung. Ist es dann nicht auch an der Zeit, sich im alltäglichen Sprachgebrauch von den Mädels und den Mesdemoiselles zu verabschieden? Ein Blick in den Duden verrät: Mädel ist die Verkleinerungsform von Magd. Andere Termini, wie Jugendliche oder Mädchen, implizieren eindeutig, dass es sich dabei um eine minderjährige Person handelt. Der Begriff Mädel dagegen wird sowohl für 13jährige Schülerinnen als auch für 30-jährige Berufstätige benutzt.

Doch eine Alterskategorie ist besonders betroffen: Mitte 20, kinderlos und frisch im Job oder gar Studentin. Erfüllt frau diese Kriterien, wird sie gerne in die Schublade mit der Aufschrift „Mädel“gesteckt. Sei es vom Busfahrer („Mädel, gehst du mal von der Tür weg?“) oder von neuen Bekannten („Ich habe das Mädel gerade kennengelernt“). Im Luxemburgischen wird auf die Bezeichnung „Meedchen“ zurückgegriffen. Die Frau am Schalter in der Bank, die volljährige Schülerin oder die Mutter mit dem Kinderwagen, solange sie jung sind oder jung aussehen, gelten sie auf Luxemburgisch als „Meedercher“.

Die deutsche Sprache hat mit dem Begriff Fräulein bereits vorgemacht, wie eine Weiterentwicklung des Sprachgebrauchs gehen kann. Vor mehr als 40 Jahren trennten sich die deutschen Behörden von der Anrede für unverheiratete Frauen. Wenn der Begriff Fräulein heute noch fällt, ist er bewusst negativ konnotiert und wird nicht als gängige Bezeichnung für eine erwachsene Frau benutzt.

Die französische Sprache hingegen scheint gerne an altmodischen Begrifflichkeiten festzuhalten. Auch in Luxemburg werde ich regelmäßig als „Mademoiselle“abgestempelt, sei es in der Akte meines Arztes oder auf der Flugbuchung, die mir von der Mitarbeiterin des Reisebüros ausgestellt wird. Eine sehr beliebte Anrede, die generell für Frauen der undefinierten Altersgruppe von – sagen wir mal – 15 bis 35 verwendet wird. Erst vor fünf Jahren hat Frankreich der Mademoiselle Adieu gesagt und den Begriff aus den Behördenformularen verbannt, sehr viel später als der deutsche Nachbar. Ob die Sprache wohl deshalb noch etwas Zeit braucht? Der französischsprachige Raum hat diese Weiterentwicklung in seiner Mentalität auf jeden Fall noch nicht verarbeitet.

Was daran so schlimm ist? Wie immer macht der Ton die Musik, oder besser gesagt, die Situation den Unterschied. Bedankt sich ein älterer Herr im Bus für den Sitzplatz, beeinträchtigt mich dieses „Merci, Mademoiselle“weder privat noch beruflich. Schreibt mich die Mitarbeiterin eines Medienunternehmens jedoch mehrmals mit „Bonjour Mademoiselle“an, wenn ich mich um einen Job bewerbe, ist das eine indirekte Platzzuweisung vonseiten einer Frau, die sich mir als überlegen zeigen will. Da es kein männliches Pendant zu Mademoiselle gibt, würde die besagte Frau einen Mann ganz einfach mit „Monsieur“anschreiben. Und ich finde, dann haben alle jungen, jung gebliebenen und jung aussehenden Frauen auch das Recht, mit „Madame“angesprochen zu werden. Nicht zu vergessen, dass die eigentliche Bedeutung komplett wegfällt, da mein Gegenüber dem Alter nicht entnehmen kann und soll, ob ich verheiratet bin oder nicht. Jemanden im beruflichen Alltag mit „Mademoiselle“anzureden, ist demnach vollkommen fehl am Platz.

Was Mademoiselle und Fräulein gemein haben, ist ihre Herkunft. Beide Begriffe verstehen sich als Verkleinerungsformen, so wie auch Mädel die Verkleinerungsform von Magd ist. In der Männerwelt gibt es diese Differenzierung nicht. Eine Verkleinerungsform von Mann existiert schlichtweg nicht und Männlein wird höchstens für Rumpelstilzchen verwendet, aber nicht für Männer der jüngeren Altersgruppe. Eine Form der Anrede für unverheiratete Männer gab und gibt es ebenfalls nicht. Die Frage ist also nicht, was an den Begriffen Mädel, Fräulein oder Mademoiselle so schlimm ist, sondern vielmehr, warum es solche Begriffe überhaupt (noch) braucht.

Aus den Behördenformularen wurden Anreden, die nicht nur Geschlecht, sondern auch den Familienstand implizieren, verbannt, weil sie für ein nicht mehr angemessenes Hierarchie-Denken stehen. Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich geändert und Begriffe, die ein bestimmtes Geschlechterbild repräsentieren, sollten heutzutage ebenfalls aus unserer Sprache und unseren Köpfen verschwinden. In dem Sinne: Adieu, Mademoiselle.


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