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Waldbrand: "Wenn es brennt, dann will ich da sein"

Im Sommer 2022 brannte in der Sächsischen Schweiz wochenlang der Wald. Heute wachsen im Nationalpark östlich von Dresden wieder erste Moose und krautige Pflanzen. © Silas Bahr für DIE ZEIT

Rund 90 Prozent der Fichtenflächen im Nationalpark Harz sind abgestorben. Roland Pietsch, 58, leitet das Schutzgebiet. Christian Starke, 37, ist stellvertretender Leiter des Nationalparks Sächsische Schweiz, in dem die Bestände ebenfalls leiden. Die beiden Forstleute finden, dass der Wald auch bei steigender Brandgefahr nicht immer aufgeräumt sein sollte.


DIE ZEIT: Herr Pietsch, Herr Starke, wie sehen die Wälder aus, die 2022 bei Ihnen abgebrannt sind?

Roland Pietsch: Sie werden es kaum glauben, aber ein Viertel bis zur Hälfte der Flächen sind schon wieder etwas grün. Man sieht noch, dass es dort gebrannt hat. Aber der schwarze Boden wird langsam braun, weil sich die Asche zersetzt. Und es wachsen die ersten Gräser und krautigen Pflanzen. Auch Moose - ganz typisch nach Bränden.

Christian Starke: Bei uns ist es ähnlich. Die Birke schlägt schon wieder aus, obwohl wir nichts gepflanzt haben. Das liegt daran, dass manche Samen mehrere Jahre im Boden ausharren, bevor sie keimen. Und weil es offenbar nur oberflächlich gebrannt hat, die Hitze nicht so tief eindringen konnte, haben Samen im Oberboden überlebt.


ZEIT: Neben den Bränden setzte die Dürre Ihren Wäldern zu. Wie geht es ihnen insgesamt?

Pietsch: Insgesamt fällt das Fazit leider nicht so positiv aus. Wir hatten zum Glück ein feuchtes Frühjahr, aber der Mai war sehr trocken. Die Waldbrandsaison hat wieder angefangen, auch im hat es schon gebrannt. Eigentlich müsste es über mehrere Jahre hinweg feucht und kühl bleiben, damit sich der Wald wirklich erholen könnte. Aktuell sehen wir eine Stagnation auf schlechtem Niveau.

ZEIT: Was bedeutet das?

Pietsch: Wer zuletzt einmal im Harz war, der weiß, wie es hier aussieht: Rund 90 Prozent der Fichtenflächen sind bereits abgestorben. Aber auch andere Baumarten leiden, die Buche zum Beispiel. Das könnte dazu führen, dass die Wälder künftig nicht mehr so dicht sind. Einfach weil die Bäume geschädigt sind, weniger hier stehen.

Starke: Das ist in der Sächsischen Schweiz ähnlich. Der Borkenkäfer-Befall schreitet fort, und die alte Fichte wird sich über kurz oder lang verabschieden. Dem Baum ist es zu trocken und zu warm.


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ZEIT: Inzwischen ist der in manchen Bereichen regelrecht kahle Harz zu einem Symbol für den sichtbar werdenden Klimawandel in Deutschland geworden. Annalena Baerbock hat hier ihr Wahlkampfvideo aufgenommen. Sind Sie glücklich mit der Rolle, die Ihr Nationalpark jetzt in der Öffentlichkeit einnimmt, Herr Pietsch?

Pietsch: Diese Rolle haben wir uns nicht ausgesucht, aber so ist es jetzt. Seit die Fichtenwälder im Harz absterben, werden wir gefragt, wie es weitergeht. Bricht der Tourismus zusammen? So was.

ZEIT: Und? Bricht er zusammen?

Pietsch: Das Erfreuliche ist: Er tut es nicht. Einige Kommunen hier hatten 2022 wohl das beste Tourismusjahr aller Zeiten. Obwohl es derzeit ja wirklich vielerorts furchtbar kahl aussieht. Die Leute interessiert es, wie sich die Natur nun entwickelt, wie Neues entsteht. Denn tatsächlich wird es überall grün, die schon erwähnten krautigen Pflanzen blühen in vielen Farben, und ich habe noch nie so viele verschiedene Schmetterlinge gesehen wie vorigen Sommer im Nationalpark Harz.

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