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Diese Frau will die Lebensmittelindustrie revolutionieren

Wer einkaufen geht, weiß oft nicht, wo Produkte herkommen oder wie ihr Preis zustande kommt. Johanna Kühner will das ändern. Sie hat SuperCoop mitgegründet: den ersten Supermarkt Deutschlands, der seinen Kund:innen selbst gehört.


Wirklich was mit der Lebensmittelindustrie zu tun hatte Johanna Kühner eigentlich nie. Sieht man von dem Sommer ab, den sie nach dem Abitur bei der Viernheimer Tafel aushalf. Während ihres Politik- und Wirtschaft-Studiums in Mannheim und Berlin frustrierte sie es zunehmend, nicht nachvollziehen zu können, wo Lebensmittel herkamen und wie sich die Preise zusammensetzten. 


2020 kam die heute 26-Jährige gemeinsam mit anderen auf eine Idee: Einen kooperativen Supermarkt zu gründen, bei dem die Kund:innen gleichzeitig die Inhaber:innen sind. Und die somit nicht nur die Lieferant:innen selbst auswählen, sondern auch bestimmen können, wie teuer die Produkte sind. „Wir waren nicht zufrieden damit, wie andere Supermärkte funktionieren. Wir wollten anders einkaufen und regionale Händler anders unterstützen“, erklärt Kühner.


Als der Supermarkt 2021 in Berlin-Wedding eröffnete, stand dahinter eine 40-Mitglieder-starke Genossenschaft, heute sind es fast 1.300 Menschen. Auf 350 Quadratkilometern bietet der Laden rund 4.000 Produkte an – vornehmlich Bio-Ware, die jedoch im Schnitt 15 bis 30 Prozent günstiger ist als herkömmliche Bio-Produkte. „Somit machen wir gute, nachhaltige Lebensmittel für mehr Menschen zugänglich“, sagt Kühner.


Mitglieder haben bei SuperCoop direkt Einfluss auf die Wertschöpfungskette: Für einen einmaligen Beitrag von 100 Euro erwerben sie Anteile am Supermarkt, zudem zahlen sie 10 Euro „Eintrittsgeld“. Alle Einnahmen werden in den Supermarkt reinvestiert. Jedes Mitglied hilft im Monat drei Stunden im Laden aus – entweder an der Kasse oder beim Waren einräumen. Nur Mitglieder können bei SuperCoop einkaufen. Johanna Kühner ist neben drei anderen Frauen im Vorstand tätig, kümmert sich dort um Finanzierung, PR und Ladenbau.


Mit diesem Konzept ist SuperCoop der erste kooperative Supermarkt Deutschlands – ähnliche Konzepte gibt es in New York, Paris, Brüssel und München. „Im Moment ist es so, dass wenige Großkonzerne den Markt dominieren. Das führt zu einem extremen Preisdruck für Erzeuger:innen“, sagt Kühner. Nahrungsmittelpreise sind zwischen Juli 2021 und Juli 2023 um 27,2 Prozent gestiegen. Gerade die großen Bio-Ketten wie Alnatura oder Denns mussten aufgrund dessen schon 2022 einen Umsatzeinbruch vermelden. SuperCoop will eine Alternative zum bisherigen Supermarkt-Angebot bieten: „Wir möchten einen fairen Umgang mit den Erzeuger:innen auf Augenhöge und damit die Erzeuger:innen und Konsument:innen wieder näher zusammen bringen,“ sagt Kühner.


Mittlerweile ist SuperCoop zu einer Begegnungsstätte für Menschen aus dem Kiez geworden, die meisten Mitglieder kommen aus Wedding. Es sind gerade diese Momente, die Johanna Kühner im Gedächtnis geblieben sind: „Wenn ein Mitglied von unserem Supermarkt spricht und aktiv das Wir betont, wenn es darum geht, neue Produkte einzukaufen – dann macht mich das sehr glücklich.“

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