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Siegfried Mureșan - Europas Finanzen im Blick

Siegfried Mureșan lebte schon in der EU, da war sein Heimatland Rumänien noch Beitrittskandidat. Als Wirtschaftsexperte gestaltet er seit Jahren maßgeblich den EU-Haushalt mit.


Es ist die letzte Plenarwoche des EU-Parlaments 2023 und Siegfried Mureșan hat einen vollen Terminkalender: Im Parlament debattiert er über das umstrittene spanische Amnestie-Gesetz und die kritisierte slowakische Justizreform. Er beobachtet, wie beim EU-Gipfel über die Beitrittsverhandlungen der Ukraine und der Republik Moldau beraten wird. Und dann steht noch das Gipfeltreffen seiner Fraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP), an.

Seit 2014 sitzt der 42-jährige Rumäne als Abgeordneter im EU-Parlament, seit 2019 ist er stellvertretender Vorsitzender der EVP, zuständig für Haushalt und Finanzen. Er pendelt zwischen Straßburg, Brüssel und Bukarest. „Ich habe seit Beginn meiner Amtszeit keine einzige Plenarwoche verpasst“, sagt Mureșan.


Die EU ist für ihn früh das erstrebte Ziel. „Für meine Generation war Europa immer zu Hause. Europa bedeutete Rechtsstaat, Demokratie und europäische Lebensstandards. Dort wollten wir hin.“ Mureșan wächst mit einer deutschen katholischen Mutter und einem rumänischen orthodoxen Vater im rumänischen Siebenbürgen auf, zu Hause sprechen sie Deutsch und Rumänisch, feiern zweimal Ostern. „Meine Eltern haben mir Offenheit, ein Interesse für andere Sprachen, Länder und Kulturen mitgegeben“, sagt Mureșan.

Als Rumänien 2007 der EU beitritt, sei das ein besonderer Moment gewesen. Zu dieser Zeit lebt er in Berlin, arbeitet für den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Gunther Kirchbaum (CDU). „Ich wusste, dass ich von einem Gründungsmitglied der EU mehr über Europa lernen kann als in meinem Heimatland“, sagt Mureșan. 2009 wechselt er als Mitarbeiter ins EU-Parlament und kandidiert 2014 erstmalig für die rumänische Partei der Volksbewegung (PMP) für die Europawahl. Seit 2018 sitzt er für die liberale Partei Partidul Național Liberal (PNL) im Parlament.


Als studierter Ökonom macht er sich in der EVP schnell als wirtschaftspolitischer Experte einen Namen. 2014 wird er leitender wirtschaftspolitischer Berater der EVP, 2016 ernennt ihn der Haushaltsausschuss als erster Rumäne zum Verhandlungsführer für den EU-Haushalt 2018. „Ich wollte dort Verantwortung übernehmen, wo ich die notwendige Expertise hatte“, sagt Mureșan. Er setzt mehr finanzielle Mittel für das Erasmus+-Programm durch, ebenso wie das InterRail-Ticket für 18-Jährige.


Mit dem im November vereinbarten EU-Haushalt für 2024 ist Mureșan zufrieden. Wichtig sei ihm gewesen, das Forschungsprogramm der EU und die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und zugleich junge Studierende und Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen. Zu hohe Schulden bezeichnet Mureșan als Risiko für die EU – wie es die Finanzkrise 2008 gezeigt hätte.


Er setzt sich zudem für mehr Mittel im Bereich Verteidigung und Sicherheit ein. Zwei Prozent des BIP für die NATO sei für ihn ein Minimum. „Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen und bereit sein, uns selbst verteidigen zu können“, sagt er im Hinblick auf den Ukrainekrieg. Deswegen will er künftig mehr in anderen Mitgliedsstaaten unterwegs sein, die „Nachbarschaft stärken“.


Im Juni 2024 könnte Mureșan erneut ins Parlament gewählt werden, es wäre sein zehntes Jahr als Abgeordneter. Die größte Herausforderung in dieser Zeit? „Die Corona-Pandemie war für das Parlament eine Zäsur“, sagt er. Er sei aber stolz darauf, wie die EU diese Krise gemeistert habe. „Wir haben es geschafft, in alle Regionen das Signal zu senden: Die EU steht euch zur Seite.“


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