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"Ich will keinen Sex mit jemandem, den ich bemuttern muss"

Keine Frage, Beziehungen sollten gleichberechtigt sein. Doch die Realität sieht oft anders aus. Vier junge Frauen erzählen, warum sie von ihren Partnern enttäuscht sind.


Jung, verliebt, gleichberechtigt. Oder doch nicht? Viele junge Paare wollen alles anders machen als ihre Eltern: gut kommunizieren, Aufgaben teilen. Doch dann finden sie sich oft in alten Rollenmustern wieder. Vier junge Frauen erzählen, warum sie von ihren Partnern enttäuscht sind.  

 

Vanessa, 30, lebt mit ihrem Freund und drei Katzen in Berlin. Sie arbeitet in der IT. 

Als mein Freund und ich vor vier Jahren zusammengezogen sind, kam er direkt aus dem Hotel Mama – ich habe da schon sechs Jahre allein gelebt. Wir wussten beide nicht, was auf uns zukommt. Zuvor hatten wir eine Fernbeziehung – und andere Prioritäten.

Die Realität sah dann so aus: Er blieb nach der Arbeit am PC sitzen und zockte. Ich ging in die Küche und machte Abendessen für uns. Manchmal steckte er den Kopf rein und fragte: "Wann gibt es Essen?" Anfangs habe ich darauf noch gelassen reagiert, irgendwann sagte ich ihm: "Du kannst ja für dich allein kochen."

Er wusste nicht, wie man die Spülmaschine bedient oder Wäsche wäscht. Er hat noch nie eine Einkaufsliste geschrieben. Irgendwann habe ich ihn gefragt: "Weißt du, was deine Mutter den ganzen Tag macht?" Er hat mich angeschaut wie einen Bus. Ich habe ihm alles gezeigt: Wie man den Abfluss der Badewanne sauber macht, die Toilette putzt, wie die Waschmaschine funktioniert. Ich habe mich gefühlt, als würde ich das einem Kind beibringen.


Bis heute haben wir deshalb Konflikte. Er sieht nicht, wenn Haarbüschel der Katzen rumliegen oder sich das dreckige Geschirr stapelt. Oft macht er Dinge nur halb: Er stellt seinen Teller in die volle Spülmaschine, macht sie aber nicht an. Wenn ich ihn darauf anspreche, entgegnet er: "Aber du hast ja nichts gesagt." Er ergreift nie die Initiative, ich muss ihn an alles erinnern. Auch gemeinsame Urlaube und andere Unternehmungen plane ich. Ich habe sogar lange die Geburtstagsgeschenke für seine Mutter gekauft.

Regelmäßig habe ich frustriert vor ihm gestanden und ihn gefragt: "Wieso siehst du nicht, was noch zu tun ist?" Während der Pandemie war er viel im Homeoffice. Wenn ich abends heimkam, waren nicht mal die Dinge gemacht, die nebenherlaufen könnten, zum Beispiel die Wäsche. Irgendwann wurde ich so wütend, dass ich ihm mit Trennung gedroht habe. Er war schockiert und hat geweint. Das hat mich darin bestätigt, dass er die Arbeit, die ich leiste, nicht sieht. Er hat sich dann aber entschuldigt.



Auch wenn es langsam vorangeht: Wir haben schon Fortschritte gemacht. Mittlerweile halten wir schriftlich fest, wer für welche Tätigkeiten zuständig ist. In einer Kalender-App tragen wir Arzttermine für die Katzen oder Besuche der Familie ein. Den Einkaufszettel schreibe ich so, dass es Gerichte gibt, die er kochen kann. Ansonsten bestellen wir ein- bis zweimal die Woche. Ich wasche nur noch meine Wäsche – wenn sich seine Wäsche stapelt, ist das sein Problem. Und: Wir haben uns einen Saugroboter angeschafft. Der nächste Schritt? Getrennte Zimmer.

Leonore*, 27, lebt gemeinsam mit ihrer zehn Monate alten Tochter und Mann im Rhein-Main-Gebiet. Hat vor ihrer Elternzeit in der Erwachsenenbildung gearbeitet. 

Da mein Mann promoviert und ich ohnehin Spaß daran habe, mich mit Kindern zu beschäftigen, war klar, dass ich Elternzeit nehme. Den Haushalt wollten wir so aufteilen wie vor der Geburt: fifty-fifty. Heute kommt mir das vor wie ein komplett anderes Leben.

Mein Mann wollte kein Wochenendpapa sein, sondern es bewusst anders machen als sein Vater. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich die Nachtschichten übernehme und er sich morgens um unsere Tochter kümmert. Er wollte die Arzttermine wahrnehmen und nach unserer Tochter sehen, wenn ich meinen ehrenamtlichen Musikunterricht gebe.

Doch nun hängt alles an mir: Die Arzttermine macht er zwar aus, ich bin aber die, die die Tasche packt, dafür sorgt, dass wir pünktlich da sind, vor Ort alle Fragen beantwortet, meine Tochter beruhigt und im Nachgang die Rezepte einlöst. Zum Unterricht nehme ich sie mit. Wenn er morgens 20 Minuten unter der Dusche steht – ein Privileg, das ich seit der Geburt nicht mehr hatte – räume ich im Rekordtempo den Spüler aus. Sein Leben läuft weiter wie vorher: Er verabredet sich mit Freunden zum Sport oder zum Grillen und macht Dienstreisen – immerhin spricht er die nach einigen Diskussionen vorher mit mir ab. 


Währenddessen plane ich Play-Dates, organisiere den Geburtstag und suche passende Winterklamotten für unsere Tochter raus. Sie ist mittlerweile zehn Monate alt. Wenn er Zeit mit ihr verbringt, muss ich immer ansprechbar sein. "Welchen Strampler braucht sie?" oder "Habe ich sie so richtig gewickelt?" sind regelmäßige Fragen an mich. 

Gleichberechtigung muss ich aktiv einfordern – und bedeutet somit noch mehr Arbeit für mich. Es kostet mich viel Energie, immer wieder diese Diskussion zu führen. Wenn ich es anspreche, habe ich das Gefühl, dass mein Mann meine Perspektive nicht nachvollziehen kann. Er denkt, ich hätte eine entspannte Zeit mit dem Baby, während er Geld verdient. Mich frustriert es, dass wir uns in solchen Rollen wiedergefunden haben. Wir wollten es doch anders machen als unsere Eltern. 


Ich würde mir wünschen, dass er sich für mich einsetzt und sagt: "Ich möchte, dass auch du Erholungsphasen hast und deinen Hobbys nachgehen kannst." Dass er selbst im Blick hat, was unsere Tochter braucht. Und vor allem: Anerkennung für das, was ich leiste. 


Greta*, 22, lebt in einer Vierer-WG in Bremen und studiert im Gesundheitsbereich.

Ich bin strukturiert, ordentlich und organisiert. Wenn ich nach Hause komme, stelle ich meine Schuhe weg und hänge meine Jacke auf. Wenn mein Ex-Freund nach Hause kam, blieben die Schuhe auch mal im Flur liegen und die Jacke wurde irgendwo in die Ecke geschmissen. Ich hatte ständig das Gefühl, dass ich hinter ihm her räumen muss. 


Als wir zusammenzogen, haben wir darüber gesprochen, welche Aufgaben es im Haushalt gibt. Für mich war klar, dass wir beide gleichviel Verantwortung übernehmen würden – das haben wir aber nie so explizit ausgemacht. Wir sind moderne Menschen, das ist doch selbstverständlich, dachte ich.


Doch in der Realität er hat dann nie Eigeninitiative gezeigt. Wenn er mal den Müll runterbrachte, dachte er nicht daran, einen neuen Müllbeutel reinzupacken oder nachzuschauen, ob noch Beutel da sind. Natürlich auch nicht daran, neue Beutel zu kaufen. Es hat mich nicht nur gestört, dass ich ihn auf so was aufmerksam machen musste. Sondern auch das Gefühl, dass wenn ich nicht an Dinge denke, niemand daran denkt. Ständig hatte ich die nächste Einkaufsliste im Kopf oder dachte darüber nach, was demnächst geputzt werden musste. Das hat mich total belastet.


Irgendwann kam ich mir wie seine Mutter vor. Wenn ich ihm das vorhielt, reagierte er genervt und hatte kein Verständnis. Dann musste ich mir anhören: "Warum regst du dich so auf? Das ist doch nicht so wichtig." Diese Verantwortungslosigkeit und Hilflosigkeit haben ihn für mich unattraktiv gemacht. Ich will keinen Sex mit jemandem, den ich bemuttern muss. Die Beziehung war wie Arbeit für mich. Ich wusste nicht, ob ich mich in Zukunft auf jemanden verlassen kann, der so wenig Verantwortung für unser gemeinsames Leben übernimmt. Deswegen habe ich den Schlussstrich gezogen.


Kyrisha*, 27, lebt mit ihrem Mann und dem zweijährigen Sohn in der Nähe von Karlsruhe. Sie ist Erzieherin. 

Mein Mann und ich leben das Familienmodell der Fünfzigerjahre: Er geht arbeiten und ich kümmere mich um Kind und Haushalt. Während meiner Schwangerschaft haben wir ausgemacht: Acht Stunden Lohnarbeit entspricht etwa acht Stunden Care-Arbeit. Alles, was vor und nach der Arbeit im Haushalt und der Kindererziehung anfällt, wollten wir uns 50/50 aufteilen. Als unser Sohn dann kam, war mein Mann überfordert. Wenn er heimkam, war er müde, hat sich in seinem Büro hinter dem Handy verkrochen und ist auf seinem Sofa eingeschlafen. Kochen, putzen, Schwimmkurs organisieren, Krabbelkurs buchen, den Sohn ins Bett bringen – blieb alles an mir hängen. Ich war enttäuscht davon, dass er sich nicht an unsere Abmachung hielt.


Wenn ich ihn auf dieses Ungleichgewicht ansprechen wollte, ist er ausgewichen – hat sich im Büro eingesperrt oder ist ins Fitnessstudio geflohen. Oft hat er Überstunden gemacht. Selbst wenn er zu Hause war, war er kaum ansprechbar und hat sich wenig für unseren Sohn interessiert. Manchmal bekam ich ein "Mhm ja, da hast du recht" oder ein "Da muss ich mal drüber nachdenken" – dem folgte aber nichts. Ich habe mich gefühlt wie eine Alleinerziehende.


Es ging so weit, dass ich meinen Grundbedürfnissen nicht mehr nachkommen konnte. Einmal wollte ich ihm unseren Sohn geben, um aufs Klo zu gehen, da sagte er: "Ich kann grade nicht, ich habe noch zu arbeiten." Irgendwann wurde mir alles zu viel: Ich war anderthalb Wochen lang nicht mehr duschen und habe mich richtig eklig gefühlt. Da habe ich meinem Mann unseren Sohn in die Hand gedrückt und bin zwei Stunden lang ziellos draußen rumgelaufen. Ich war so verzweifelt, dass mir meine beste Freundin anbot, mit ihr zusammenzuziehen. 


Stattdessen habe ich mit meinem Mann eine Paartherapie begonnen. Seitdem läuft es besser. Ich habe jetzt zwei Abende in der Woche, die nur mir gehören: Da gehe ich schwimmen oder nähe. Mein Mann übernimmt das Wickeln und bringt jeden Abend unseren Sohn ins Bett. Inzwischen bin ich wieder schwanger.

* Die Namen sind zum Schutz der Privatsphäre der Protagonistinnen geändert. Die echten Namen sind der Redaktion bekannt.


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