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Landwirtschaft: "Mir fehlt das männliche Geschlecht, um den Hof zu erben"

Seit Jahren sterben Bauernhöfe. Drei junge Frauen erzählen, warum sie diesen Beruf gewählt haben und was es für eine zukunftsfähige Landwirtschaft braucht.

In Deutschland gibt es immer weniger landwirtschaftliche Betriebe: 2001 waren es rund 400.000 Bauernhöfe, 2020 nur noch knapp 260.000. Die Gründe sind vielfältig: Einerseits gehen viele Bauern in Rente, doch der Nachwuchs bleibt aus. Gleichzeitig haben die, die sich doch in die Landwirtschaft wagen, mit finanziellen Engpässen zu kämpfen: die Preise für Milch, Getreide und Fleisch sind seit Jahren niedrig, nötige Modernisierungen, um Umweltauflagen gerecht zu werden,sind vielen zu teuer. Die Branche ist männlich dominiert, nur 36 Prozent der Landwirt:innen sind weiblich. Was zieht junge Frauen dennoch in die Landwirtschaft? Drei von ihnen erzählen.

"Wir haben es sogar mit einer Familienberatung versucht"

Marlene Fellner, 30 hat Ökotrophologie im Bachelor und Landwirtschaft im Master studiert. Sie möchte nur anonym über den Streit mit ihrer Familie sprechen.

Für meinen Vater war schon immer klar, dass sein Sohn unseren Milchbetrieb weiterführen muss. Trotzdem hatte ich die leise Hoffnung, dass ich ihn noch umstimmen und den Hof stattdessen übernehmen kann. Das ist mir aber nicht gelungen. Im Herbst 2019 haben wir es sogar mit einer Familienberatung versucht, aber auch das hat nichts an seiner Meinung geändert. Ich habe meinem Bruder vorgeschlagen, den Betrieb zusammen zu führen, aber das wollte er nicht. Seit diesem Jahr gehört der Betrieb nun offiziell ihm. Wie der Hof in Zukunft aussehen wird, ist noch total offen.

Viele Frauen werden in der Landwirtschaft nicht ernst genommen - das habe ich selbst erlebt. Früher habe ich auf dem Hof meines Vaters viel im Kuhstall mitgeholfen. Das heißt, ich habe die Kühe unter anderem von der Weide geholt, gemolken, die Kälber versorgt und die Liegeboxen gereinigt. Als wir einen neuen Tierarzt bekommen hatten, hat er mich am Anfang erst mal ignoriert und wollte lieber mit meinem Vater sprechen.

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Ein anderes Beispiel: Einmal habe ich mit meinem Bruder einen benachbarten Hof besucht, ich wollte mir unbedingt den neuen Traktor anschauen. Der Betriebsleiter ging direkt auf meinen Bruder zu und fragte ihn, ob er mit dem neuen Trecker fahren wolle. Der kam gar nicht auf die Idee, dass wir nur wegen mir gekommen sein könnten.

Solche Situationen kränken mich. Ich suche inzwischen gezielt den Austausch mit anderen Landwirt:innen, vor allem mit Frauen - das hilft, die Wut darüber etwas zu dämpfen. Ich versuche darüber zu stehen. Trotzdem kann ich verstehen, warum diese veraltete Einstellung gegenüber Frauen viele davon abhält, in die Landwirtschaft zu gehen. Zum Glück ist es in der jüngeren Generation verbreiteter, dass auch Frauen Betriebe leiten.

Dass ich nicht den Hof meiner Familien weiterführen werde, hat mich nicht davon abgehalten, selbst einen Betrieb zu gründen und als Landwirtin zu arbeiten. Der Neustart war allerdings nicht leicht. Trotzdem haben es mein Freund und ich gewagt. Die Startbedingungen waren hart: Es war schwierig, die Bank davon zu überzeugen, uns einen Kredit zu geben. Schließlich haben wir, anders als andere landwirtschaftliche Unternehmer, keine Hofstelle mit Gebäuden oder Flächen, die wir hätten beleihen können. Bis heute haben wir keine eigene Hofstelle für unsere Rinder und Hühner: Die Rinder stehen im Winter in einem benachbarten Stall, für die Hühner haben wir einen mobilen Hühnerstall. Mein Freund und ich arbeiten beide Vollzeit und stecken unser ganzes in diese kleine Landwirtschaft, ohne zu wissen, ob wir davon mal leben können. Vor und nach der Arbeit kümmere ich mich um die Hühner und die Rinder und um alles, was da drum herum anfällt - neben der Arbeit mit den Tieren haben wir auch viel im Büro und mit der Direktvermarktung zu tun.

Vielen geht es so, dass sie Landwirtschaft nur im Nebenerwerb betreiben können. Andere geben ganz auf. Auch aufgrund der vielen Regularien: Gesellschaftlich und politisch ist es beispielsweise gewünscht, dass Schweine in Außenklimaställen gehalten werden. Diese Forderung gerät aber in Konflikt mit der Neufassung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, die klare Grenzwerte für CO2-Emissionen vorschreibt. Am Ende schaden diese widersprüchlichen Auflagen der Landwirtschaft.

Denn heimische Landwirtschaft ist wichtig, sie hält die ländlichen Strukturen aufrecht und sorgt dafür, dass bestimmte Tierrassen, wie zum Beispiel das Rote Höhenvieh, das mein Freund und ich halten, nicht aussterben.

Für mich ist diese Arbeit ein Geschenk: Ich sorge dafür, dass Menschen regionale Produkte direkt beim Erzeuger einkaufen können und trage so zur Ernährungssicherung bei. Ein Leben ohne Landwirtschaft kann ich mir gar nicht vorstellen.

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