Jahreswechsel ohne Rauchschwaden? Langweilig!
Mathis Neuburger startet gerne mit Rauchschwaden ins neue Jahr.
Ja, Silvester ist ein riesengroße Sauerei. Der Alkohol, die Raketen, die Böller, der ganze Müll - einfach herrlich! Einmal im Jahr rastet diese überregulierte Gesellschaft kollektiv aus - eine einzige große Katharsis, um befreit ins neue Jahr zu starten. Was soll daran schlimm sein? Böller, Raketen, öffentliche Gelage: In den meisten Ländern gibt es das ja nicht. Da guckt man sich höchstens mal ein öffentliches Feuerwerk an und geht danach brav nach Hause. Hab ich zwei Mal mitgemacht - und unser deutsches Silvester schrecklich vermisst.
Denn was wäre die Nacht der Nächte ohne Rauchschwaden, die die Stadt vernebeln? Genau, eine Nacht wie alle anderen - und das wäre ja langweilig.
Zugegeben: Für Hunde und Katzen ist das Gekrache eine Zumutung - und junge Eltern (ich weiß, wovon ich spreche) verfluchen zu Recht die Deppen, die schon mittags in engen Häuserschluchten Böller zünden. Aber deshalb einen ganzen Brauch verteufeln?
Als wir Kinder waren, war der 28. Dezember der nach Weihnachten schönste Tag des Jahres. Tagelang haben wir gerechnet, wie viele Böller wir uns leisten können - um dann mit einem verantwortungslosen Erziehungsberechtigten zu „Pfeifer" in Wilhelmsburg zu fahren und rucksäckeweise A-, B-, C- und D-Böller einzupacken. Silvester haben wir uns dann Straßenschlachten mit selbstgebauten Böllerkanonen geliefert. Ja, das war ein bisschen gefährlich, aber es hat uns auch gelehrt, mit der Gefahr umzugehen. Und am nächsten Morgen haben wir brav die Straße gefegt.
Nun verstehe ich jeden, der so was albern findet. Aber hey, jeder nach seiner Façon! Das ist das Schöne am Liberalismus. Ein großes Lob für jeden, der statt Böller zu kaufen an Brot für die Welt spendet - aber wofür ich mein Geld ausgebe, entscheide ich schon selbst.
Dabei muss ich zugeben: Ich kaufe höchstens eine Handvoll Raketen. Aber sollen die Leute doch 400 Euro für eine gigantische Schwarzpulverbatterie raushauen! Das schließt ja nicht aus, trotzdem für wohltätige Zwecke zu spenden.
An der „Brot statt Böller"-Botschaft mag ich im Übrigen nicht, dass Böller als etwas Sinnloses, Verschwenderisches diffamiert werden, das anständige Menschen nicht kaufen. Mir fallen da spontan viele Dinge ein, die man sich auch getrost sparen könnte: riesige Fernseher, das 20. Paar Schuhe, die glänzenden Alu-Felgen fürs Auto, das japanische Supermesser oder die Designer-Couch - aber nirgends wird „Brot statt Sofas" proklamiert, oder?
Mir scheint, dass gerade in bestimmten Schichten gerne auf die herabgesehen wird, die es zu Silvester krachen lassen. Nach dem Motto: Der Pöbel verpulvert mal wieder sein Geld. Dabei ist das Schöne am Feuerwerk ja gerade das Sinnlose, das Vergängliche. Und konnten sich früher nur Könige und Fürsten die Kracher leisten, ist es heute jedermann. Deshalb: Viel Spaß beim Knallen!
Pure Geldverschwendung, außerdem gefährlich!
Böllern? Findet Miriam Khan gar nicht gut.
Kaum liegt das Zeug in den Läden, geht sie los: die Jagd nach dem buntesten, lautesten, längsten Böller- und Feuerwerk. Was ich mich dabei immer frage: Wieso verbrennen die Leute nicht einfach direkt ihre 50-Euro-Scheine? Hat doch den gleichen Effekt.
Natürlich freue auch ich mich über einen festlich erleuchteten Himmel zu Silvester. Das neue Jahr mit Sternenregen und bunten Funken zu begrüßen - das ist wirklich was Schönes. Aber das Ganze kann meiner Meinung nach auch gut und gerne nach 15 Minuten vorbei sein. Dann habe ich genug Freude am Glitzern und Funkeln.
Was mich unsäglich nervt, sind diese überambitionierten Knall-Proleten, die für 300 Euro Feuerwerk kaufen, um damit ihre Nachbarn in Grund und Boden zu schießen. Lauter, doller, bunter! Was soll denn der Schwachsinn? Muss man zu Silvester wirklich beweisen, dass man den..., pardon, DAS längste Feuerwerk hat? Und falls ja: warum?
Vielleicht ist Feuerwerk ja mittlerweile tatsächlich ein Statussymbol geworden: „Seht her, wie viel Kohle ich verballern kann!" Sei's drum, das kann ich vielleicht sogar noch irgendwie nachvollziehen. Was ich aber niemals verstehen werde, sind Menschen, die Freude daran empfinden, anderen Menschen mithilfe von Böllern Angst einzujagen. Wer schon einmal kurz vor und während Silvester durch die Stadt gelaufen ist, der weiß, was ich meine: Sobald das Zeug im Supermarkt verkauft wird, kann man keine zweihundert Meter mehr gehen, ohne dass von irgendwo ein Böller angeflogen kommt - schon tagsüber! Gefühlt wird vom 28. Dezember bis Neujahr in Hamburg durchgeböllert. Völliger Schwachsinn!
Am allerschlimmsten sind in meinen Augen aber die Leute, die in der Silvesternacht gezielt Passanten anböllern, am besten noch mit illegalen Knallkörpern aus China oder Polen. Spinnt ihr? Nicht nur, dass das Zeug unfassbar laut ist - es ist auch brandgefährlich! 70 Menschen wurden in der Silvesternacht 2015 auf 2016 in Hamburg durch Feuerwerkskörper verletzt. Gerade Familien mit kleinen Kindern trauen sich zum Jahreswechsel schon gar nicht mehr vor die Tür - aus Angst, von einem mehr oder weniger legalen Knallkörper getroffen zu werden. Sorry, aber das hat mit „böse Geister verjagen" - dem ursprünglichen Sinn der Silvester-Böllerei - nichts mehr zu tun. Und so macht das auch keinen Spaß.
Können wir uns nicht darauf einigen, zu Silvester ein wenig Augenmaß zu behalten? Damit das gelingt, hätte ich einen Vorschlag: Das Geld für Knallkörper jeder Art haben Böller-Fans ja offensichtlich übrig. Anstatt es aber im wahrsten Sinne des Wortes nur zu verbrennen, könnte man doch etwas Sinnvolle(re)s damit machen. Spenden zum Beispiel. Wenn jeder fünf Euro weniger in Feuerwerk und fünf Euro mehr in eine gute Sache investiert, freuen sich Silvester noch mehr Menschen. Guten Rutsch!
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