Als ich zum ersten Mal im essen war, hat mich das Gefühl fast erschlagen. Das Gefühl, wieder in Tel Aviv zu sein, in einem Restaurant im Stadtviertel Florentin, draußen auch nachts 30 Grad und eine Stadt, die nach Wärme riecht. Das fühlte sich so anders an, als all die Restaurants, die ich in Berlin sonst kannte. Ein Lokal, das ohne freihängende Glühlampen und Beton auskommt und trotzdem tausendmal hipper ist als einer dieser Läden. Ein Lokal, in dem die angenehmste und lauteste Stimmung herrscht, die eher in einen Club als zum Abendessen gehört. Ein Lokal, in dem die Barkeeper weniger Klamotten tragen als manche Leute im Hochsommer und trotzdem nichts billig wirkt. Das Yafo hat nicht nur das Essen, sondern auch das Gefühl aus Tel Aviv perfekt nach Deutschland geholt - und ist damit nicht allein. Immer häufiger höre ich mich selbst sagen: Da hat ein neues israelisches Restaurant aufgemacht, lass uns das doch mal austesten. Doch woher rührt diese Entwicklung? Und was heißt das eigentlich, "israelisches Essen"?
Klar, Berlin ist schon immer dabei, sich kulinarisch zu verändern. Vom Triumphzug des Döners in den 1990er Jahren bis zur Third Coffee Wave. Seit ein paar Jahren tauchen auffällig viele neue Lokale mit israelischer Küche in Berlin auf, wie das Kanaan im Prenzlauer Berg, das NENI im 25hours Hotel, das koschere Hummus & Friends, das Night Kitchen oder das Yafo in Mitte. Auch, wenn nicht ganz klar ist, wie viele Israelis mittlerweile wirklich in Berlin leben - die Bundeszentrale für politische Bildung stellt fest, dass in den Medien gern vom Phänomen "Israelis in Berlin" mit Zahlen zwischen 20.000 bis sogar 50.000 die Rede ist - lässt sich ziemlich sicher sagen, dass sie die kulinarische Landschaft mitprägen. Auf immer mehr Karten finden sich Shakshuka und Hummus. Oft ist der Übergang in den Lokalen zwischen Bar und Restaurant fließend, es wird gegessen und gefeiert gleichermaßen. Die Gerichte sind dazu gedacht, geteilt zu werden. Die Süddeutsche Zeitung sprach im vergangenen Jahr gar von "Little Israel" und vom "Tel Aviv Takeover", einer kulinarischen Übernahme.
Shani aus Tel Aviv, die unweit der Torstraße das Yafo zusammen mit Felix Offermann eröffnet hat, erzählt mir, dass viele Israelis nach Deutschland kämen, weil hier eine ganz andere Lebenseinstellung herrschen würde als in Israel. Während dort eher ein amerikanisches Weltbild gelten würde - Karriere machen, immer geradeaus gehen - spürt sie, dass die Deutschen eher darauf aus sind, sich in die Breite zu entwickeln: "Hier ist es okay, erst zu studieren, dann auch nochmal eine Ausbildung zu machen. Hauptsache man ist zufrieden mit sich selbst". Israel sei auf Dauer einengend. Die Familie und die Community seien sehr eng miteinander. Das sei erstmal schön, aber auf Dauer auch einfach zu viel. Jeder kenne jeden, die Möglichkeiten seien beschränkt. Berlin hingegen verströme Freiheit, man könne seine Meinung sagen. Die israelische-deutsche Geschichte spielt für sie zwar eine Rolle, aber Deutsche müssten keine Angst haben vor ihrer Vergangenheit, meint sie. "In Israel haben wir einen sehr schwarzen Humor in Bezug auf den Holocaust", meint sie lachend. "Wir sehen, dass Deutschland aus der Vergangenheit gelernt hat und sehr kritisch damit umgeht."
Hier geht es zum ganzen Artikel.