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Inklusion ja, aber wie?

Wiesbaden ist Modellregion für inklusive Bildung. Die Stadt hat sich dazu verpflichtet, Voraussetzungen für die Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung zu schaffen. In den vergangenen Jahren hat sich deshalb viel getan. Abgeschlossen ist das Projekt „Inklusive Bildung" aber noch nicht.


Kritik am bestehenden System

Erst vor kurzem erzählte Monika Frickhofen aus ihrem Alltag als Schulleiterin einer Grundschule in der Innenstadt ( wir berichteten). Ihre Erfahrungen mit inklusiver Bildung zeigen, dass auch in der „Modellregion für inklusive Bildung" noch nicht alles glatt läuft. Die Schulleiterin wünschte sich vor allem mehr Individualität im System, mehr Personal und mehr Unterstützung.


Auch der Stadtelternbeirat (StEB) fordert mehr Personal und Austausch, um sowohl Kindern, als auch Lehrern den Zugang zu Inklusion zu erleichtern. „An der Einschätzung des StEB hat sich leider in den letzten Jahren nichts geändert", erklärt der Vorsitzende des Stadtelternbeirates, David Böhne. Besonders schwierig sei es auch, Kindern mit körperlichen Behinderungen Zugang zur Regelschule zu gewährleisten, ohne dass sie aufgrund baulicher Schwierigkeiten ausgegrenzt werden. Was wird sich also in Zukunft tun und wie wird sich das System „Inklusive Bildung" in Wiesbaden verändern?


Das sagt das staatliche Schulamt

Claudia Keck, Leiterin des Staatlichen Schulamts, findet, dass in den vergangenen Jahren schon viel in Wiesbaden geschafft wurde. „Aufgrund der veränderten Rechtssituation durch die Behindertenkonvention stand das Kultusministerium vor einer großen Herausforderung", erklärt sie. „Hätten wir Geld und Personal wie wir es uns wünschen, wäre alles kein Problem, aber Ressourcen sind leider endlich." Seit die Konvention in Kraft getreten ist, sei das Schulamt rechtlich dazu verpflichtet, allen Kindern einen Platz in einer wohnortnahen Regelschule anzubieten und sie dort zu fördern. 


Die Eltern müssen trotzdem die Wahl haben können, ihr Kind auch an einer Förderschule unterrichten zu lassen. „Man könnte jetzt also keinen 'Gemeinsamen Unterricht' mit kleinen Klassen mehr anbieten, weil viel mehr Kinder den Anspruch auf inklusive Beschulung in ihrer Nähe haben", sagt Keck. Die Herausforderung, sonderpädagogische Ressourcen so auf die Schulen zu verteilen, dass alle Kinder die gleiche Chance auf Bildung haben, sei somit gestiegen.


Die Zukunft: Inklusive Schulbündnisse

Deshalb werde in Wiesbaden in Zukunft auf „Inklusive Schulbündnisse" gesetzt. Entwickelt wurde das Konzept von CDU und Grünen bereits 2016. Dabei handelt es sich um Bündnisse aus den Schulleitungen aller Schulformen in einer Region und den regionalen und überregionalen Beratungs- und Förderzentren. In einem solchen Bündnis soll mit Rücksicht auf den Elternwunsch entschieden werden, wie Schüler, die eine sonderpädagogischen Förderung benötigen, am besten beschult werden können. Durch die enge Absprache zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen, soll so auch der Übergang zwischen den Schulformen verbessert werden. Die Schulleitungen entscheiden selbst, wie viel der vom Kultusministerium und des Schulamts bereitgestellten Ressource jede Schule erhalten soll.


„Das Gymnasium am Mosbacher Berg ist beispielsweise besonders gut für Menschen mit Hörbehinderungen ausgestattet", erklärt Claudia Keck. „Entscheidet sich das Bündnis also dazu, alle Kinder aus dem Umkreis mit einer solchen Behinderung an diesem Gymnasium zu unterrichten, geht auch die Ressource dort hin." Wenn die Kinder ihr Abitur gemacht haben und die Sonderpädagogen somit nicht mehr gebraucht werden, können sie vom Bündnis an eine andere Schule weitergegeben werden. 


Ziel ist es, dass sich in Zukunft weitere solcher Schwerpunktschulen entwickeln. Damit könnten Sonderpädagogen wieder mit ihrer vollen Stundenzahl an einer festen Schule arbeiten und so auch auffällige Verhaltensweisen bei Kindern erkennen können, bei denen zunächst kein Förderbedarf festgestellt wurde. In Wiesbaden gibt es bereits drei solcher Bündnisse, deren Arbeit zurzeit in Arbeitsgruppen vorbereitet wird. „Ich finde, die inklusiven Schulbündnisse sind ein riesiger Meilenstein", sagt Keck. „Jetzt heißt es, das Konzept zu etablieren."

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