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Wenn Elterntaxis zum Risiko für Kinder werden

Mittwoch, 14 Uhr. An der Blücherschule im Wiesbadener Westend läutet die Schulglocke. Die Grundschüler haben ihren Schultag geschafft und strömen aus dem Gebäude. Parallel dazu formiert sich ein echter Elternkorso auf der Scharnhorststraße vor dem Haupteingang. SUVs und Kleinwägen zwängen sich in kürzester Zeit durch die ohnehin schon enge Straße und parken neben anderen Autos in zweiter Reihe.


Manche Eltern steigen aus, um ihr Kind direkt am Schulhof in Empfang zu nehmen, andere warten geduldig in ihren Autos. Während die ersten Autos schon wieder mit dem Kind im Gepäck losfahren, laufen andere Grundschüler noch über die Straße. Zwischen wartenden und ohnehin dort parkenden Autos und Bäumen, sieht man sie kaum.


Infoflyer für weniger Elterntaxis


„Vielen ist gar nicht bewusst, dass es nicht förderlich ist, Kinder direkt bis zur Schule zu fahren, oder sie dort abzuholen", erklärt Michaela Arndt. „Das sorgt nämlich nicht nur für gefährliche Situationen, sondern bringt den Kindern auch nicht gerade Selbstvertrauen bei." Sie ist selbst Mutter eines Erstklässlers an der Blücherschule und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Eltern über Nachteile von Elterntaxis zu informieren. 


Seit September steht sie deshalb fast jeden Morgen vor der Schule, auch, um auf die Kinder aufzupassen. Erst einen Tag zuvor wäre ein Kind hier fast überfahren worden. In dieser Woche hat Michaela im Rahmen von zwei Informationstagen gemeinsam mit Freiwilligen Infoflyer verteilt. Darin werden die Eltern darüber aufgeklärt, dass Elterntaxis schlecht für Stillsitzzeiten, das Sozialverhalten der Kinder und die Luft sind.


Eine der Freiwilligen ist Meike McDade. Auch sie ist Mutter eines Erstklässlers. Sie bringt ihren Sohn zu Fuß zur Schule und beobachtet das Chaos auf der Straße täglich. „Ich konnte meinem Sohn irgendwann einfach nicht mehr erklären, wie man sich im Straßenverkehr denn nun richtig verhalten soll, weil er hier alles falsch vorgelebt bekommt", sagt sie. Während sie kurz nach Schulende auf Elterntaxis wartet, um die Eltern anzusprechen, erklärt sie ihrem Sohn, was die Autos in der Straße dürfen und was nicht. Auch das ist etwas, was sich Michaela für die Zukunft wünscht. „Die Kinder lernen so, wie sie sich selbst im Straßenverkehr verhalten müssen", sagt sie.


Alternativen zum Elterntaxi

Die meisten Eltern, mit denen die beiden Frauen sprechen, setzen ihre Kinder nur schnell vor der Schule ab und fahren dann direkt weiter zur Arbeit. Sie erhoffen sich so, Zeit sparen zu können. Das erübrigt sich allerdings, sobald ein Auto zu viel in der Straße steht und keiner mehr vorbei kommt. Andere haben einfach Angst um ihre Kinder, oder lassen sie ungern aus den Augen. Wenn es nach Michaela geht, gibt es für beides bessere Lösungen.


„An der Diesterwegschule gibt es zum Beispiel 'Elterntaxi-Haltestellen'", sagt sie. Dort einigen sich Eltern auf eine Stelle in unmittelbarer Schulnähe, an der sie ihre Kinder ohne den Verkehr zu behindern, absetzen können. Den Rest der Strecke laufen die Kinder gemeinsam. Eine andere Möglichkeit wäre es, ein laufendes Elterntaxi zu organisieren, bei dem Eltern gemeinsam mit mehreren Kindern zur Schule laufen. Als Grundschule hat die Blücherschule ein enges Einzugsgebiet, die meisten Kinder müssten ohnehin in Schulnähe wohnen.


Kaum Veränderungen

„Außerdem fände ich eine 10er Zone sinnvoll", sagt Michaela. Das Ordnungsamt sei zwar immer wieder präsent, das halte viele Autofahrer aber nicht davon ab, viel zu schnell zu fahren. So wie ein Paketzusteller, der nicht nur an diesem Mittwoch mit deutlich mehr als den erlaubten 30 km/h durch die Straße rauscht und direkt vor der Schule zum Stehen kommt. Als ihn Meike anspricht, färbt sich sein Gesicht leicht rot.


Genauso sieht es bei vielen Eltern aus. Bei den meisten kommen die Flyer gut an. Nur wenige fühlen sich angegriffen. Wahrscheinlich vor allem, weil ihnen die beiden Frauen mit Humor und nicht mit Vorwürfen begegnen. Ein Großteil fühlt sich sichtlich ertappt und zeigt Einsicht. Einige sagen sogar, sie würden ihr Kind ab sofort nicht mehr unmittelbar vor der Schule absetzen wollen.


Eine Besserung zeichnet sich aber noch nicht wirklich ab. Schon einen Tag nach den Informationstagen versperren gleich fünf Autos gleichzeitig die Straße, erzählt Michaela. „Ich gebe die Hoffnung aber trotzdem nicht auf, dass sich das Chaos mit den Elterntaxis irgendwann ändert", sagt sie. „Schließlich würden die Eltern, die mit dem Auto fahren, damit auch ihre eigenen Kinder schützen."

(js)

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