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Blind Booking im Selbstversuch: So fühlt sich eine Überraschungsreise wirklich an

Einfach nur weg. Aber keine Ahnung wohin? Und keine Lust, den Trip zu organisieren? Dann sind Sie der richtige Kandidat für eine Blind-Booking-Reise. FOCUS-Online-Autorin Michaela Strassmair hat im Selbstversuch erstaunliche Dinge erlebt.


Was, du kennst das Ziel deiner Reise nicht? Weder Stadt noch Hotel? Ist das eine Sex-Reise? Fährst du da mit einem Unbekannten weg? Reaktionen dieser Art sind ganz normal, wenn man seinen Freunden erzählt, dass man eine Blind-Booking-Reise macht.

Denn ich habe eine Städtereise gebucht, ohne zu wissen, wohin es geht. Diese Art des Reisens ist noch relativ unbekannt. Doch die wenigen jungen Unternehmen wie „Blookery" aus Köln, die Überraschungsreisen anbieten, schwärmen in höchsten Tönen davon: Ein Abenteuer soll es sein, eine coole Sache, der ultimative Nervenkitzel und noch dazu total bequem, weil man sich um nichts kümmern muss. Nach nur fünf Minuten sei die komplette Reiseplanung erledigt.


Selbst gewählter Countdown

Die einzigen Dinge, über die ich mir im Klaren sein muss, sind der Reisezeitraum, wie viel ich ausgeben will und die Personalausweisnummer meiner Begleitung. Ich bin bereit für den Sprung ins kalte Wasser. Auf der Website werden zuerst meine Wünsche abgefragt. Ich muss wählen, ob ich Lust auf Sightseeing, Nightlife oder Romantik habe. Da ich mit meiner besten Freundin reise, fällt Romantik aus.

Bei den drei Regionen in Europa - Norden, Mitte, Süden - kreuze ich alle an. So ist maximale Spannung garantiert. Mit der Option Städte auszuschließen gerate ich aber schon ins Wanken. 54 Städteziele, alle außerhalb Deutschlands, gibt es. Am liebsten will ich dorthin, wo ich noch nicht war. Also schließe ich Rom und Florenz, Barcelona und Madrid, Paris, London, Prag und Budapest aus, denn die kenne ich schon. Die Wahl der Unterkunft ist mit einem Klick erledigt, denn aus dem Hostel-Alter sind wir heraus. Ein Doppelzimmer mit Bad muss sein. Und dann kommt die Frage, die noch lange nachhallen wird: Wann soll das Geheimnis gelüftet werden? Kurz nach der Buchung, eine Woche vor Abflug oder erst einen Tag vor Abflug? Ich wähle einen Tag vor Abflug - sonst ist das keine richtige Überraschung, denke ich mir.


Das Teufelchen in meinem Kopf

Auf der nächsten Seite sind Reisedetails wie Personenanzahl, Abflughafen, Zeitraum sowie Budget pro Person (beginnt für zwei Nächte mit Flug ab 350 Euro) schnell abgehakt. Anfrage ist abgeschickt, tatsächlich hat es nur zwei Minuten gedauert. Da das Reisedatum noch zwei Monate entfernt ist, beschäftige ich mich normalerweise die nächsten Wochen nicht mehr damit, erst kurz wieder kurz davor. Normalerweise. Aber diesmal ist alles anders. Ein kleiner Teufel zieht wenige Stunden später in meinem Kopf ein. „Wann kommt endlich das Angebot?" fragt er mich immer wieder und bis es sechs Stunden später in meinen Mails aufpoppt, habe ich ungewöhnlich oft meinen Spam-Ordner gecheckt.


Der Preis stimmt, die dreistündigen Zeitfenster für Hin- und Rückflug an den gewünschten Reisetagen auch. Das auf booking.com mit acht von zehn Punkten bewertete 3-Sterne-Hotel in „sehr zentraler Lage" klingt ebenfalls gut. Bingo, die Überraschungsreise ist Minuten später nach der Eingabe unserer Daten gebucht. Schneller, einfacher und unkomplizierter geht es wirklich nicht. Zwar ist der Reisepreis nach Aussagen von Kevin Kiesewetter, einem der beiden „Blookery"-Gründer, nicht viel günstiger als wenn man Flug und Hotel selbst bucht. Doch der minimale Aufwand ist der entscheidende Vorteil beim Blind Booking. „In fünf Minuten ist alles erledigt und man muss sich um nichts mehr kümmern", sagt Kiesewetter. Theoretisch.


Träume von Stockholm und Athen

Wenn da nicht dieses Teufelchen wäre. „Hoffentlich geht es nach Stockholm, da wolltest Du doch schon immer hin", souffliert es mir in regelmäßigen Abständen. Meine Freundin lacht, als ich ihr von meiner nicht zu bändigenden Neugier erzähle. Ihr Teufelchen plädiert für Lissabon. „Oder hast Du das etwa ausgeschlossen?", fragt sie. „Ah, habe ich ganz vergessen, denn da war ich ja auch schon", entgegne ich. „Warschau fände ich auch toll oder meinst Du es wird Athen? Auf Griechenland hätte ich große Lust", schwärmt sie. Schluss mit den Spielchen, wir sollen uns doch überraschen lassen. Leichter gesagt als getan, denn meine Gedanken kreisen immer wieder um diesen Kurztrip. Komisch, kann sich Vorfreude so anfühlen? Oder ist es der Kontrollverlust? Das Gefühl, ausgeliefert zu sein und vielleicht dort zu landen, wo es kalt und regnerisch ist?

Noch drei Tage bis zum Abflugdatum. Und wir haben nichts in der Hand, kein Ticket, keine Hotelbestätigung. „Wann fliegen wir eigentlich los?" will meine Reisebegleiterin wissen. „Zwischen neun und zwölf Uhr, mehr weiß ich auch nicht", lautet meine Antwort. Es macht uns langsam zu schaffen, dass wir den Transport zum Flughafen noch nicht organisieren und auch dem Babysitter nicht genau Bescheid geben können. Mein Teufelchen gewinnt den Kampf gegen meine gespielte Gelassenheit: Ich halte es nicht mehr aus und rufe bei „Blookery" an.


Was sollen wir eigentlich mitnehmen?

Wenigstens bin ich so tapfer, dass ich mich nur nach der genauen Abflugzeit erkundige. Um 10.15 Uhr geht es los. Wir sind zufrieden. Aber nicht lange. Denn das Teufelchen sticht uns mit der nächsten Frage an: „Was packt Ihr eigentlich an Klamotten ein, welche Schuhe? Ihr dürft doch nur Bordcase und Handtasche mitnehmen!" Stimmt, wäre schon hilfreich zu wissen, ob es am Überraschungsort heiß oder kühl ist. Ganz heimlich surfe ich auf die „Blookery"-Website, aber es hilft nichts, ich finde keine genaueren Infos. Ich muss abwarten. Bis einen Tag vor Abflug. Dieser Countdown endet nach meinem Verständnis um 10.15 Uhr am Vortag. Sehnsüchtig erwarte ich die Mail mit den Reiseunterlagen, doch es kommt nichts. Nach einer Stunde Geduldsprobe greife ich zum Telefonhörer und frage, ob etwas schiefgegangen ist.


Wie peinlich, ich habe die Countdown-Infos nicht aufmerksam durchgelesen. Sonst hätte ich gesehen, dass ein Tag vor Abflug bedeutet: abends um 19 Uhr vor dem Abflugtag. „Das haben wir mit Absicht so gelegt, dass die Spannung steigt, die Leute zusammensitzen und dann gemeinsam planen können", erklärt mir Kevin Kiesewetter. „Viel zu spät", motzt mein Teufelchen, „wie willst Du das alles nach Deiner Yogastunde hinbekommen, die erst um 22 Uhr endet? Unausgeschlafen ankommen, ist doch kontraproduktiv!" Ich kapituliere. Ja, ich bin eine Spielverderberin, denn es platzt aus mir heraus: „Könnten wir nicht schon ein bisschen früher erfahren, wohin es geht?"


Enttäuschung und Begeisterung

Zwei Minuten später ist die erlösende Mail da. Die Dokumente sind nur mit Fragezeichen benannt. Ich muss sie erst öffnen. DUB steht auf dem Ticket. „Das wird doch hoffentlich nicht Dublin sein", ätzt mein Teufelchen, „da wolltest Du noch nie hin!" Es ist Dublin. Enttäuschung. Ich hatte doch so auf Stockholm gehofft. Meine Freundin platzt vor Neugier, als ich anrufe: „Schnell, verrate es", ruft sie - und jubelt. „Ich liebe Irland, da war ich früher als Kind oft im Urlaub, aber noch nie in Dublin! Das ist die volle Partystadt, das wird genial!" Ihre Begeisterung richtet mich auf und als ich meinem Teufelchen erkläre, dass ich da sonst niemals hingefahren wäre, verlässt es mich - auf Nimmerwiedersehen.


Selbst die feixenden Kommentare unserer Männer können mir nichts mehr anhaben: „Was macht Ihr zwei Champagner-Girls in der Guinness- und Whiskey-Hauptstadt, mit lauter rothaarigen Männern, noch dazu im Regen?" So genau verraten wir das nicht.


Nur so viel: Zwei Tage blauer Himmel mit Sonnenschein. Perfekte Joggingstrecke mit Palmen an der Promenade des Flusses Liffey, der ins Meer fließt. Das Hotel mitten im Kneipenviertel „Temple Bar". Wir haben Irish Coffee im Whiskey-Museum probiert, das die Stadt beherrschende Guiness-Bier in gemütlichen Pubs getestet, Picasso und Monet in der National Art Gallery angeguckt, die entspannte Atmosphäre in der Stadt genossen - und jede Menge Spaß gehabt. Nicht zuletzt, weil die Dublin-Tipps von „Blookery" so präzise und zeitsparend waren, wie der exakt beschriebene und nur sechs Euro teure Bustransfer vom Flughafen zum Hotel. So einfach kann reisen sein. Und so überraschend schön.


Mehr Infos unter www.blookery.de  Original