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„Unser Mozart heißt Platti“

Mit klappernden Schuhen und tänzelndem Schritt läuft Tony H. Walter durch den Würzburger Hofgarten. Mancher Residenzbesucher zückt die Kamera, um den Herrn im barocken Gewand vor dem fürstbischöflichen Prachtbau abzulichten. Denn Tony H. Walter ist heute nicht Tony H. Walter. Der Gästeführer ist in die Rolle des Hoftanzmeisters Johann Georg Wolff geschlüpft. Dabei gilt sein Hauptinteresse gar nicht dem Hoftanzmeister selbst, sondern einem seiner Zeitgenossen: dem Komponisten Giovanni Benedetto Platti. Dessen Todestag jährte sich heuer zum 250. Mal.

 

„Unser Mozart heißt Platti“ hat der Würzburger Gästeführer seine „StadtVERführung“ plakativ betitelt, in der er rund um die Würzburger Residenz und im Hofgarten den italienischen Musiker vorstellen wird. Um das Würzburger Barockzeitalter möglichst plastisch zum Leben zu erwecken, wird er nicht nur Hörproben präsentieren, sondern aus dem Blickwinkel eines Zeitgenossen von  Plattis jahrzehntelangem Wirken in der fürstbischöflichen Residenzstadt erzählen.

 

Warum aber kennt das Gros der Würzburger jenen Komponisten kaum, der gut 40 Jahre lang in Würzburg wirkte und immerhin fünf Fürstbischöfe überlebte? An fehlenden Kompositionen kann dies laut Walter nicht liegen - drei Messen, ein Requiem, ein Stabat Mater, zwei weltliche Arien, ein Miserere und zahlreiche kammermusikalische Werke, wie z.B. Cembalo-, Cello-, Flötensonaten, sowie einige Konzerte sind bis heute erhalten. Dies ist ein Glücksfall, denn längst nicht alle Werke ließ Platti in Nürnberg drucken. Doch sein Mäzen Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid war ein leidenschaftlicher Notensammler, etliche Handschriften sind im Wiesentheider Archiv deshalb bis heute erhalten. Verschollen indes sind bislang unter anderem die Noten von zwei Oratorien und  die Huldigungsmusik „Applauso Festoso“, die Platti 1729 zum Regierungsantritt von Friedrich Carl von Schönborn schrieb.

 

Auch an Qualität mangelt‘s laut dem studierten Musikwissenschaftler Walter nicht: „Plattis Werke sind alles andere als langweilig, immer wieder wird der Zuhörer überrascht. Man merkt die italienische Cantabilität und erkennt Einflüsse venezianischer Musiker wie Vivaldi. Platti war sicher kein Kleinmeister oder kompositorischer Handwerker, er hatte auf jeden Fall Esprit.“ Trotzdem sei ihm bis dato weder eine Straße in Würzburg gewidmet, noch gebe es in St. Peter und Paul eine Gedenktafel. Immerhin konnte Walter anhand von Kirchenbucheinträgen inzwischen belegen, dass der Musiker hier einst tatsächlich beerdigt wurde und nicht – wie lange angenommen – auf dem Friedhof der Kirche. „Für Künstler war dies eine Ehre“, betont Walter.

 

Wer aber war Giovanni Benedetto Platti? Geboren wird der Musiker 1679 – ob in Venedig oder Padua weiß man laut Walter nicht genau. In den Jahren 1721-1724 lässt Johann Philipp Franz von Schönborn insgesamt 13 italienische Musiker nach Würzburg holen. Platti kam im April 1722 als Oboenvirtuose. Der Residenzbau ist in vollem Gange, das prunkvolle höfische Leben blüht unter dem Fürstbischof auf. Als dieser jedoch 1724 plötzlich stirbt, ist damit Schluss. Schönborns Nachfolger Christoph Franz von Hutten verhängt rigorose Sparmaßnahmen. Er stellt nicht nur den Residenzbau ein, sondern entlässt auch fast alle Musiker, inklusive Platti. Der bleibt trotzdem in Würzburg – wohl nicht zuletzt, weil er ein Jahr zuvor die ebenfalls in Würzburg tätige Sopranistin Theresia Maria Lambrucker geheiratet hat. Hinzu kommt, dass Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid, den Komponisten zu schätzen weiß  und unterstützt. Der Graf war selbst ein begabter Cellist – so kommt es laut Walter nicht von ungefähr, dass Platti erstaunlich viele Werke für Cello komponierte.

 

1725 wird Platti zwar unter von Hutten wieder in den Hofdienst aufgenommen, muss allerdings drastische Gehaltskürzungen hinnehmen. Das ändert sich erst, als Friedrich Carl von Schönborn 1729 dessen Nachfolge als Fürstbischof antritt. Platti wie auch seine Gattin werden rehabilitiert, die Hofmusik blüht wieder auf. Allerdings geht Friedrich Carl dabei pragmatischer vor als sein verstorbener Bruder Johann Philipp Franz: Er stellt etliche Lakaien ein, die ein Musikinstrument beherrschen und neben ihrem „normalen“ Dienst am Hof, das Orchester verstärken. Platti muss zwar keine Diener-Aufgaben übernehmen, doch vergrößert sich sein Arbeitsgebiet: Er fungiert nun am Hof nicht mehr nur als Oboenvirtuose, sondern auch als Violinist, Sänger, Gesangs- und Oboenlehrer.  In der Zeit unterrichtet er übrigens auch die Altistin Johanna, eine Tochter des Hoftanzmeisters und Violinisten Johann Georg Wolff…

 

Zwei weitere  Fürstbischöfe überlebt Platti noch, bis zu seinem Tod steht er im höfischen Dienst. Seine Frau Theresia Platti – mit ihr hatte der Komponist um die zehn Kinder – stirbt 1752, Platti überlebt sie um ein weiteres Jahrzehnt. Er stirbt im Jahr 1763. Dies ist nun 250 Jahre her. Tony H. Walter hat es sich im Jubiläumsjahr zur persönlichen Aufgabe gemacht, den Musiker ins Bewusstsein der Würzburger zu rücken.  „Ich möchte ihn zu unserem Platti machen“, sagt er.

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