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Les Flâneurs | Leiden schafft: Agent Fresco live in Hamburg

Agent Fresco.

Ich sage jetzt nicht Progressive-Rock, sonst geht ihr von Board und das wollen wir nicht, aus gutem Grund. Agent Fresco spielen keine Musik, die nur Verschwörungstheoretiker zu schätzen wissen. Sie gniedeln keine minutenlangen Solos in ihren Songs, ihre Zielgruppe sind nicht andere Musiker und zu ihren Konzerten kommen nicht nur Mathematikstudenten. Aber zugegeben, trotzdem unterscheidet die Musik der Isländer auch vieles von gewöhnlichem Indierock. Hrafnkell Örn Guðjónssons (er nennt sich Keli, genau, der mit dem lustigen roten Afro) Schlagzeugkünste vermögen mehr als den Polterbeat britischer Tralalatrios. Die Schlaufen, die Þórarinn Guðnason mit seinen Gitarrenriffs zieht, kennen mehr als drei Akkorde. Es klimpert auch mal ein Klavier oder ein Synthesizer die markanteste Tonfolge in ihren Stücken. Und es darf durchaus ab und an dezent Richtung Gebolze gehen, also mal für eine halbe Minute, um einen Akzent zu setzen. Also ist es nicht einfach nur jene Sorte Rock, wie man sie von den Foals oder Muse kennt, oder von den Silversun Pickups.


Der entscheidende Unterschied, der Agent Fresco aus der progressiven Nische hebt, ist Arnór Dan. Der Däne, seit einigen Jahren Wahlisländer, hat mit seiner oktavenreichen, ungewöhnlich hellen und sanften Stimme in dem Genre fast ein Alleinstellungsmerkmal, das die Isländer konsequent für sich nutzen - er ist Dreh- und Angelpunkt jedes Konzertes, tigert in zu engen Hosen und zu schlabbrigem Laibchen über die die Bühne, als müsse er einen Zuckerschock mit Symptomen des Restless-Legs-Syndroms vertuschen, reibt sich dann wieder verlegen die Glatze und schießt förmlich mit Kanonen Herzen ins Publikum, die jede Armee der Glücksbärchen bezwingen würden. Die gefühlte Hälfte jedes Agent-Fresco-Konzertes besteht aus Dan, der sich tausendmal bedankt und fast atemlos aufgedreht Geschichten zu den Liedern seiner Band erzählt, die offenbaren, wo diese Einstellung vielleicht herkommt. In den Texten ihres ersten Albums „A Long Time Listening" (2010) verarbeitete er den plötzlichen Tod seines Vaters in oft herzzerreißenden, kaum codierten Versen. Der erst fünf Jahre später im letzten Sommer erschienene Nachfolger „Destrier" behandelt unter anderem die Erfahrung Dans, in einer Partynacht einfach ohne Vorwarnung vor einer Bar verprügelt zu werden. In Anbetracht dessen ist es fast verwunderlich, dass wir hier nicht von einer Deathmetalband reden. Dan scheint den beschissenen Erfahrungen mit noch immenserer Positivität begegnen zu wollen, was man den neuen Stücken besonders anhört. Sie sind fokussierter, gehen direkter ins Ohr und lassen dennoch nichts von der Verspieltheit der Anfangstage vermissen.


Also bitte, lasst euch vom Wort Progressive-Rock nicht abschrecken, denn das würde euch um eine der spannendsten aktuellen Rockbands bringen. Und vor allem auch um einen Islandexport, dem man nicht so ohne Weiteres Niedlichgedudel und Elfentrollklischees anhängen kann. Damit ihr euch davon überzeugen könnt, kommt doch auch am Donnerstag, dem 28. Januar, ins Hamburger Logo. Wir verlosen einmal zwei Karten für das Konzert der Isländer - schreibt uns einfach wie gewohnt eine E-Mail an redaktion@lesflaneurs.de mit dem Betreff „Agent Fresco" und dem Namen, auf den wir die Karten auf der Gästeliste hinterlegen sollen. Einsendeschluss: Sonntag, 24.1., 23.59 Uhr. Viel Glück!

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