Beim Versuch eine gegenwärtige Musikszene San Franciscos zu beschreiben, kommt man natürlich nicht umhin, die schwere Altlast der götzenhaft verehrten 68er zu erwähnen. Wie ein großes, unübersehbares Batiktuch spannt sich eine Imaginationswelt aus Love & Peace, Hanf, Schlaghosen und Blumenkindern über die Stadt, die mehr der Projektion eines utopischen Ideals entspricht, als der Wirklichkeit. Verständlich. Wer mit einer Erwartungshaltung aus nostalgisch mumifizierten Bildfetzen der Flowerpower-Ära die Straßen von Haight bis Ashbury betritt wird keinesfalls enttäuscht.
Tatsächlich lässt sich hier durch kommunistische Buchläden und Smoke Shops oberflächlich ein Bild einer eingefrorenen Welt mit vergangenen Wertvorstellungen und Lebensgewohnheiten verorten. Die eigentlichen Überbleibsel der Sechziger, Althippies und Kommunenmitglieder, sind jedoch längst aus der nun überteuerten Hipstergegend Haight-Ashbury geflüchtet und haben sich in erschwinglicheren Stadtteilen und Vororten niedergelassen. Übrig bleiben überteuerte Pseudo-Secondhandläden, die der Touristen halber einzelne Kleiderständer mit Blumenschmuck im Eck stehen haben.Nun soll hier jedoch kein negatives Stadtbild entworfen werden, das durch eine identitätslose Gegenwartsperspektive der Vergangenheit wehmütig hinterher trauert. Denn dieses doch recht präsente Mahnmal der 60er ist nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes und weitet sich im Bereich der Musik eher auf referenzielle Versatzstücke aus, als auf ein missglücktes 1:1-Revival von Joplin, Morrison und Hendrix.
So auch bei drei lokalen Singer-Songwritern, die sich im 12 Galaxies, ansässig im Mission District, zu einem Gig versammelt haben: Odessa Chen, Garrett Pierce und Petracovich. Den Auftakt bildet Singer-Songwriterin Odessa Chen samt Band. Durch Verwendung cleaner Elektrogitarren, Akkordeon und Streichern hat Odessa Chen reichlich wenig mit der hiesigen Folktradition oder psychedelischer Experimentalmusik am Hut. Studiert hat sie klassischen Gesang und Cello, lediglich das Gitarrespielen hat sie sich selbst beigebracht. Mit ihrem Debüt ' One Room Palace' und dem Nachfolger ' The Ballad Of Paperships' ist sie in den letzten Jahren zu einer gefestigten Größe der Independent-Szene San Franciscos herangewachsen. Auch das anwesende Publikum scheint sichtlich mit der Musik vertraut, so dass es für Odessa Chen ein leichtes ist, sich durch die Arrangements zu winden, ein Heimspiel eben.
Singer-Songwriter Garrett Pierce, der kein Interesse daran hat, Wiederkäuer vergangener Erfolgsrezepte zu sein, um als lebende Reinkarnation über die Bühnen zu wandeln, ist Nummer zwei. Auf seinem Album ' Like A Moth' überwiegt zwar der Akustikgitarren-Ansatz, er unterscheidet sich jedoch textlich sehr von Folksängern der alten Schiene. Vielmehr greift Pierce in seinen Texten auf Metaphern der Mythologie zurück, um sie in der Jetztzeit zu verankern. Sein Ansatz scheint Früchte zu tragen. Der bei Los Angeles aufgewachsene Sänger tourte schon mit Folkgrößen wie der New Yorkerin Diane Cluck und bespielte auf seinen Touren so ziemlich jeden Club San Franciscos. Dabei wird er live von Geige, Cello, Flöte und Percussion unterstützt. Die durch Akustikgitarre rhythmisierten Songs erlangen durch die Banderweiterung noch einmal mehr Tiefe, wobei der Melancholiefaktor ebenfalls um einiges in die Höhe getrieben wird. Das Schlusslicht bildet Jessica Peters aka Petracovich, die ursprünglich russische Form ihres Nachnamens. Wie schon die beiden Songwriter zuvor hat sich auch Petracovich dezenteren Klangauswüchsen gewidmet. Ihre Verwendung von Synthiesounds in Kombination mit Gitarre und wahlweise auch rhythmischem Vogelgezwitscher lassen so Anklänge an Cocorosie oder Joanna Newsom ausmachen. Ganz indie-like sind die Low-Fi-Arrangements von Jessica Peters auch im heimischen Wohnzimmer zusammengefrickelt worden. Live wird das atmosphärische Ambiente des Albums mit Hilfe von zwei Keyboards umgesetzt. Dabei bewegt sie sich hinter den schweren Ungetümen, die ihre Körpergröße sichtlich übersteigen, elfengleich und entlockt ihnen gleichzeitig Klänge, die nicht nur sie sondern auch sichtlich das Publikum in einen tranceähnlichen Zustand versetzen. Kein bombastisches Finale mit Donner und Kanonen, doch eindrucksvoll wie Drumsolo, Gitarrenfeedback und Co. allemal.
21. Januar 2008
Tatsächlich lässt sich hier durch kommunistische Buchläden und Smoke Shops oberflächlich ein Bild einer eingefrorenen Welt mit vergangenen Wertvorstellungen und Lebensgewohnheiten verorten. Die eigentlichen Überbleibsel der Sechziger, Althippies und Kommunenmitglieder, sind jedoch längst aus der nun überteuerten Hipstergegend Haight-Ashbury geflüchtet und haben sich in erschwinglicheren Stadtteilen und Vororten niedergelassen. Übrig bleiben überteuerte Pseudo-Secondhandläden, die der Touristen halber einzelne Kleiderständer mit Blumenschmuck im Eck stehen haben.Nun soll hier jedoch kein negatives Stadtbild entworfen werden, das durch eine identitätslose Gegenwartsperspektive der Vergangenheit wehmütig hinterher trauert. Denn dieses doch recht präsente Mahnmal der 60er ist nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes und weitet sich im Bereich der Musik eher auf referenzielle Versatzstücke aus, als auf ein missglücktes 1:1-Revival von Joplin, Morrison und Hendrix.
So auch bei drei lokalen Singer-Songwritern, die sich im 12 Galaxies, ansässig im Mission District, zu einem Gig versammelt haben: Odessa Chen, Garrett Pierce und Petracovich. Den Auftakt bildet Singer-Songwriterin Odessa Chen samt Band. Durch Verwendung cleaner Elektrogitarren, Akkordeon und Streichern hat Odessa Chen reichlich wenig mit der hiesigen Folktradition oder psychedelischer Experimentalmusik am Hut. Studiert hat sie klassischen Gesang und Cello, lediglich das Gitarrespielen hat sie sich selbst beigebracht. Mit ihrem Debüt ' One Room Palace' und dem Nachfolger ' The Ballad Of Paperships' ist sie in den letzten Jahren zu einer gefestigten Größe der Independent-Szene San Franciscos herangewachsen. Auch das anwesende Publikum scheint sichtlich mit der Musik vertraut, so dass es für Odessa Chen ein leichtes ist, sich durch die Arrangements zu winden, ein Heimspiel eben.
Singer-Songwriter Garrett Pierce, der kein Interesse daran hat, Wiederkäuer vergangener Erfolgsrezepte zu sein, um als lebende Reinkarnation über die Bühnen zu wandeln, ist Nummer zwei. Auf seinem Album ' Like A Moth' überwiegt zwar der Akustikgitarren-Ansatz, er unterscheidet sich jedoch textlich sehr von Folksängern der alten Schiene. Vielmehr greift Pierce in seinen Texten auf Metaphern der Mythologie zurück, um sie in der Jetztzeit zu verankern. Sein Ansatz scheint Früchte zu tragen. Der bei Los Angeles aufgewachsene Sänger tourte schon mit Folkgrößen wie der New Yorkerin Diane Cluck und bespielte auf seinen Touren so ziemlich jeden Club San Franciscos. Dabei wird er live von Geige, Cello, Flöte und Percussion unterstützt. Die durch Akustikgitarre rhythmisierten Songs erlangen durch die Banderweiterung noch einmal mehr Tiefe, wobei der Melancholiefaktor ebenfalls um einiges in die Höhe getrieben wird. Das Schlusslicht bildet Jessica Peters aka Petracovich, die ursprünglich russische Form ihres Nachnamens. Wie schon die beiden Songwriter zuvor hat sich auch Petracovich dezenteren Klangauswüchsen gewidmet. Ihre Verwendung von Synthiesounds in Kombination mit Gitarre und wahlweise auch rhythmischem Vogelgezwitscher lassen so Anklänge an Cocorosie oder Joanna Newsom ausmachen. Ganz indie-like sind die Low-Fi-Arrangements von Jessica Peters auch im heimischen Wohnzimmer zusammengefrickelt worden. Live wird das atmosphärische Ambiente des Albums mit Hilfe von zwei Keyboards umgesetzt. Dabei bewegt sie sich hinter den schweren Ungetümen, die ihre Körpergröße sichtlich übersteigen, elfengleich und entlockt ihnen gleichzeitig Klänge, die nicht nur sie sondern auch sichtlich das Publikum in einen tranceähnlichen Zustand versetzen. Kein bombastisches Finale mit Donner und Kanonen, doch eindrucksvoll wie Drumsolo, Gitarrenfeedback und Co. allemal.
21. Januar 2008