Jared: Wir waren nach dem letzten Release noch ein Jahr auf Tour. Dann haben wir uns eine Auszeit gegönnt. Wir hatten geplant, uns ein Jahr Pause zu gönnen, nachdem der Alben-Zyklus beendet sein würde. Und so haben wir uns fast zwölf Monate genommen und sind zu Hause geblieben.
Matthew: Wir haben einfach abgehangen, uns für ein Jahr wie ganz normale Leute benommen. Als wir uns danach wieder zusammengesetzt haben, waren wir alle wieder voller Energie und hatten Spaß an der Arbeit. Das Jahr Pause hat uns also gutgetan.
Wie sieht es denn aus, wenn Rockstars wie normale Leute abhängen?Jared: Ich denke, normale Leute müssten eigentlich auch ganz normal arbeiten. Wir waren also nicht wirklich „normal". Wir waren wie Leute, die eine „Staycation" machen - also ihren Urlaub zu Hause verbringen.
Matthew: Man kann uns eigentlich mit Arbeitslosen vergleichen. Arbeitslose, die irgendwann aufstehen und nichts tun. Wobei, wir waren eher wie faule Arbeitslose. Nicht alle Menschen ohne Job sitzen schließlich den ganzen Tag zu Hause. Wir hatten uns definitiv dazu entschieden, daheim zu bleiben und gar nichts zu tun. Die einzige Ausnahme war, dass wir mal in Urlaub geflogen sind.
Jared: Wir waren gewollt arbeitslos.
Matthew: Ja, genau!
Dann konntet ihr euch also komplett auf das neue Album konzentrieren. Wie würdet ihr es beschreiben?Jared: Es ist vielseitig. Es klingt unserer Meinung nach frisch und jugendlich. Etwas mehr up tempo als unsere letzte Platte, weil wir vorher unsere Auszeit hatten. Dadurch waren wir mit voller Begeisterung am Werk. Auf dem neuen Album sind einige schnellere Nummern als auf dem letzten. Es beinhaltet auf ganzer Linie viele Dinge, die wir so vorher noch nicht gemacht haben. In einem Song gibt es zum Beispiel eine lange Passage von Streichinstrumenten. Und in anderen Liedern benutzen wir viel steel guitar. Ich würde sagen, das Album hat einen abwechslungsreicheren, gut abgerundeten Sound.
War das eure Absicht? Ihr seid durch Live-Shows berühmt geworden. Sollten die neuen Songs wieder mehr„mitsingbar" sein?Matthew: Das war nicht wirklich Absicht. Als wir etwa die Hälfte des Albums gemacht hatten, haben wir festgestellt, dass manche Songs ein höheres Tempo haben. Das gefiel uns. Also haben wir gesagt: „Lasst uns diese Richtung beibehalten". Wir haben aber nicht bewusst ein Gute-Laune-Album gemacht. Es ist einfach passiert. Wir sind mit einigen Ideen an die Sache herangegangen und haben diese dann weiter ausgearbeitet. Ich denke, das Album macht Spaß und ist sehr aufregend.
Produziert hat euch wieder Angelo Petraglia. Inwiefern prägt er den Sound der Kings of Leon?Jared: Angelo hat großen Einfluss auf unsere Musik. Wir vertrauen ihm blind. Er hilft uns enorm.
Du hast das neue Album in amerikanischen Medien als einen Mix aus eurem Debütalbum und dem dritten Album „Because Of The Time" beschrieben.Jared: Das habe ich nie so gesagt! Angeblich habe ich das auf einer Party in Austin, Texas, behauptet. Da war ich aber völlig betrunken und kann mich nicht erinnern, dass ich so etwas von mir gegeben hätte. Das neue Album klingt definitiv nicht wie unser erstes und „Because Of The Time". Vom Sound her erinnert es vielleicht ein bisschen an „Because of the time". Aber wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte würde ich meine Aussage auf jeden Fall ändern. Ich würde dann sagen, „Mechanical Bull" klingt ein wenig wie „Because Of The Time", aber es hat die Jugend und die Energie unseres ersten Albums. Auch wenn es nicht wirklich nach dem Debütalbum klingt. Wenn man es musikalisch vergleichen muss, würde „Mechanical Bull" Alben wie „Because Of The Time" oder „Only By Night" schlagen.
Ihr habt eine längere Pause gemacht und du sagst, das neue Album hat dadurch die Energie eurer Anfänge. Ist„Mechanical Bull" dann ein Album getreu dem Motto„back to the roots"?Jared: Ja, ich denke das kann man auf jeden Fall so sagen.
Viele Kritiker halten„Only By Night" für euer bestes Werk. Verfolgt euch dieses Album?Matthew: „Only By Night" war für uns ein Segen. Durch den Erfolg dieses Albums durften wir an größeren Orten spielen, durften vor viel mehr Leuten auftreten. Und es kamen auch viel mehr Leute zu unseren Gigs. Unsere Musik erreichte mehr Fans, die sonst eher andere Musikrichtungen hören. Gleichzeitig warfen uns unsere Hardcore Fans aber auch vor, wir würden zu kommerziell. Das Album hatte also auch seine negativen Folgen. Im Großen und Ganzen muss man aber sagen, dass das Positive für uns überwiegt.
Jared: Wir haben keine Angst vor Erfolg. Wir würden uns wünschen, dass „Mechanical Bull" genauso groß wird wie „Only By Night". Aber selbst wenn es nicht so einschlägt, haben wir durch unsere fünf bisherigen Alben eine feste Fanbase erarbeitet. Wir werden also immer einen Ort finden, an dem wir auftreten können. Und Leute, die uns hören wollen. Vielleicht wird das Album nicht so groß bedeutend wie „Only By Night", aber wir dürfen nach Europa kommen und vor mehreren Tausend Leuten spielen. Darauf kommt es an.
Was ist eure Motivation, Musik zu machen?Matthew: Vor allem der Spaß am Spielen. Wir reden eigentlich nie darüber, ob es einer unserer neuen Songs ins Radio schaffen kann. Wir reden nie darüber, ob ein Song ein großer Hit wird. Wir versuchen einfach, unsere Lieder so gut wie möglich zu machen. Das ist unsere größte Motivation. Wir wollen, dass die Leute uns gut finden. Und wir wollen natürlich auch selbst unsere Musik gut finden. Es gibt keine allgemeingültige Formel, für ein erfolgreiches Album. Sonst würde sie ja jeder anwenden. Man kann nicht immer vorhersagen, wie groß ein Song wird.
Hattet ihr nach fünf Alben den Spaß am Spielen verloren?Jared: Wir waren ja neun Jahre quasi ununterbrochen auf Tour oder haben Alben gemacht. Da waren unsere Akkus einfach leer. Wir haben uns schon ein bisschen gefühlt, als hätten wir burnout. Ein Mensch ist ja keine Maschine.
Wann kam denn der Moment, wo klar wurde: Es muss sich etwas ändern?Matthew: Ich denke nicht, dass wir so einen bestimmten Punkt hatten. Es war ja nicht so, dass wir uns die ganze Zeit nur noch gestritten hätten. Wir haben neun Jahre am Stück Musik gemacht. Dann, irgendwann, haben wir uns einfach angesehen und uns gesagt, wir müssen das Ganze etwas lockerer angehen. Uns wurde klar, dass wir eine Pause brauchen. Wir müssen heute nicht mehr so hart touren wie früher. Wir wollten sehen, wie das funktioniert. Für uns und auch für unsere Fans.
2011 habt ihr eure Tour plötzlich beendet. Es gab Gerüchte, dass die Band komplett zerstritten sei. Was war da dran?Jared: Als wir vor zwei Jahren unsere Tour abgebrochen haben, suchten die Leute nach einer Begründung dafür. Wir haben ja nicht genau kommuniziert, was mit uns los war. Daraus wurde gefolgert, wir würden uns trennen. Das ist ja verständlich. Wir wussten aber immer, dass wir uns nicht trennen würden. Wir haben uns nie mit dem Gedanken beschäftigt, unsere Band aufzulösen. Wir wussten einfach, dass wir eine Pause brauchten und für eine Weile vom Gas gehen mussten. Es war einfach zu viel, unsere Batterien waren leer und mussten wieder aufgeladen werden.
Das ist ja nichts Schlimmes. Warum habt ihr es damals nicht direkt so mitgeteilt?Jared: Das Ding war, als wir die Show in Dallas abgebrochen haben, waren wir einfach komplett erschöpft. Wir waren müde und jeder war genervt vom anderen. Wir waren sauer über uns selbst und wollten rausfinden, wie das passieren konnte. Damals haben die Leute gesagt, wir seien dehydriert. Das war auch auf jeden Fall so, das kam noch hinzu. Aber ich habe dann mitgeteilt, es gäbe definitiv schlimmere Probleme in der Band, als unsere Dehydration. Wir waren mit unserer Energie einfach völlig am Ende, waren zu lange unterwegs. Wir mussten mal Stopp sagen.
In Dallas seid ihr nach vier Songs von der Bühne gegangen. Wie hat es sich angefühlt, von einer Sekunde zur anderen vom gefeierten Star zum Buhmann zu mutieren?Jared: Es war sehr hart. Wir mussten irgendwie damit klar kommen. Ich glaube, keinem von uns war bewusst, wie fertig Caleb zu diesem Zeitpunkt war. Das haben wir erst realisiert, als es die Ärzte sagten. Sie sagten, er sei fürchterlich dehydriert. Als wir von der Bühne gingen, wollten wir nur weg. Wir haben nur gehofft, dass die Fans es verstehen würden. Das war das Schlimmste an der Sache. Wir wussten ja, dass wir die Leute enttäuschen.
Wie war es, als ihr nach diesem Vorfall das erste Mal wieder auf eine Bühne gegangen seid?Jared: Nein, nicht wirklich. In Europa auf gar keinen Fall. In Amerika haben wir seitdem nur Festival Shows gespielt. Ich denke aber, wir wären schon nervös, wenn wir wieder in Dallas auftreten würden.
Hat sich nun, nach über zehn Jahren und fünf Alben, die Art und Weise verändert, wie die Kings of Leon leben und arbeiten?Jared: Es ist alles etwas einfacher geworden. Wir touren nicht mehr so intensiv wie früher. Je größer du als Band wirst, umso längere Sets musst du auch spielen. Heute müssen wir zwei Stunden auftreten, statt wie früher eineinhalb Stunden oder nur eine. Man kann nicht vier oder fünf Shows dieser Länge am Stück spielen. Als wir anfingen, haben wir zehn oder elf Tage hintereinander Shows gespielt. Wir mussten unser Tour-Tempo etwas verlangsamen, sonst erleidet man wirklich während der Tournee ein Burnout. Was unser Leben angeht, haben sich die Umstände natürlich über die letzten Jahre immer mehr verbessert. Die Hotels in denen wir auf Tour schlafen zum Beispiel. Und dadurch, dass wir jetzt alle verheiratet sind, sind wir etwas erwachsener geworden.
Matthew: Wir laufen nicht mehr in so komischen Klamotten rum, wie früher. Und haben auch nicht mehr so lange Haare.
Jared: Und ich habe überhaupt erstmals gelernt, richtig Bass zu spielen. Als wir anfingen war ich 16 und meine großen Brüder haben mich gezwungen, bei der Band mitzumachen. Dabei konnte ich damals kaum spielen.
Wer entscheidet bei euch, ob ein Song gut ist? Wer sagt, welcher Song eine Single wird?Jared: Es kommt ganz darauf an. Auch wenn man nicht weiß, wie erfolgreich ein Song wird, hat man ja doch ein Gespür dafür, ob er gut ankommt oder nicht. Wir wussten beispielsweise, dass „Use Somebody" ein Hit wird. Bei „Sex Is On Fire" hätten wir das aber nie gedacht. Ich hätte nie erwartet, dass dieses Lied so einschlägt. Auf unserem letzten Album waren nicht so viele Lieder mit Single-Potenzial. Bei „Radioactive" wusste ich, dass es eine Single wird. Zumindest dachte ich es mir. Matthew hätte nicht einmal gedacht, dass „radioactive" eine Single wird. Und dann wurde es ein Erfolg.
Matthew: Wir besprechen das schon untereinander. Auch die Plattenfirma hilft uns dabei. Klar, das ist ja auch deren Job. Sie sagen uns, welche Songs im Radio gespielt werden sollten. Aber am Ende des Tages sind es immer noch wir als Band, die die Singles auswählen.
Worum geht es in den neuen Songs vom neuen Album?Matthew: Ich kenne mich da nicht wirklich aus. Caleb schreibt unsere Texte. Wir anderen haben da nicht viel zu sagen.
Jared: Meistens ist es so, dass wir zuerst die Musik komponieren und Caleb daraufhin die Texte schreibt. Wenn er fertig ist, fügen wir beides zusammen. Er lässt oft seinen Gedanken freien Lauf. Daher geht es in vielen Liedern nicht um etwas Bestimmtes. „Supersoaker" zum Beispiel ist ein abstrakter Song. Und es gibt einen Text, wo Caleb über das Notausgang-Schild singt, das auf sein Gesicht leuchtet. Darauf ist er einfach nur gekommen, weil er in der Ton-Kabine stand und während des Aufnehmens das Notausgang-Schild vor seinem Gesicht hing. Manche Leute mögen diese Textzeile für wirklich tiefgründig halten. Dabei ist sie nur eine von vielen verrückten Zeilen. Ohne jegliche Bedeutung.
Matthew: Ja, so kreiert er oft seine Gesangs-Melodien. Wir spielen die Songs und er fängt währenddessen an, vor sich hin zu murmeln. Mit der Zeit wird dann Text daraus. Er schreibt ihn dann passend zur Melodie. Das ist aber nicht immer der Fall. Manchmal kommt er auch mit schon fertig geschriebenen Songs zu uns. „Beautiful War" zum Beispiel war schon fertig getextet, bevor wir die Musik dazu hatten. Ich glaube, Caleb ist wirklich begabt. Er kann einfach frei denken und sagt, was immer ihm dabei in den Sinn kommt. Oft funktioniert das dann als Song.
Sind da nicht auch oft Sachen bei, die ihr euch weigert aufzunehmen?Jared: Klar, da gab es schon so einige Dinge. Das heißt nicht unbedingt, dass sein Text dann schlecht ist. Es ist eher so, dass das dann Sachen sind, die wir besser nicht in einem Lied singen sollten. Jegliche Verbindung zu Drogen oder Alkohol oder so etwas. Wir wollen jede Kontroverse vermeiden. Unsere Welt ist ja politisch sehr korrekt. Man muss also sehr genau darauf achten, was man singt und was besser nicht. Dadurch schneiden wir manche Dinge im Nachhinein raus. Außerdem ist Caleb Vater geworden. Er hat eine kleine Tochter. Seitdem versucht er zumindest, nicht mehr so viel zu fluchen. Seine Tochter soll nicht aufwachsen mit den Flüchen ihres Vaters im Radio.
Was wollt ihr mit„Mechanical Bull" erreichen?Jared: Natürlich will jeder Künstler, der ein Album veröffentlicht, dass es so erfolgreich wie nur möglich wird. Für uns zählt jetzt aber, dass wir das Level halten, das wir mit den bisherigen Alben erreicht haben. So lange es kein totaler Reinfall wird, sind wir mit allem zufrieden. Es soll nur kein Schuss in den Ofen werden.
Matthew: Unsere Fans und einige unserer Freunde sollen die Platte gut finden. Dann haben wir erreicht, was wir wollten. Es wäre toll, wenn das Album richtig groß wird, aber das wird sich zeigen.
Wie kamen die neuen Songs bislang bei den Fans an?Jared: Es ist immer schwierig, einen Song zum ersten Mal vor Publikum zu spielen. Die Leute kennen den Text noch nicht und können nicht mitsingen. Also kommt es darauf an, dass der neue Song die Menschen zum tanzen oder springen bringt. Dann sehen wir, wie sie auf die Musik reagieren. Und ich denke, das Publikum mochte unsere neuen Lieder.