MAINZ - Thorsten Nehrbauer galt in den 90er-Jahren als das Top-Talent im deutsche Fußball, doch die große Karriere blieb ihm versagt. Im Interview berichtet der 37-Jährige über frühere Zeiten und aktuelle Projekte.
Warum hat es nur zu zwei Bundesligaspielen gereicht?
Ich war Kapitän der U21-Nationalmannschaft und hatte einen Vertrag in der Bundesliga, aber dann lief es bei Arminia Bielefeld nicht so, wie es laufen sollte. Ich hatte erste Probleme mit kleineren Verletzungen, Probleme mit Trainer Hermann Gerland und dann auch mit der Bundeswehr, habe kein Spiel für die Arminia absolviert.
Großes Pech für Sie, Glück für Mainz 05.
Wolfgang Frank holte mich an den Bruchweg. Er hat mir menschlich und sportlich unheimlich weitergeholfen. Zwei Jahre habe ich dann in Mainz gespielt. Mit den Trainern und Spielern, die ich dort kennen lernen durfte, war das eine sehr schöne Zeit. Persönlich habe ich mich wieder hoch gekämpft, die 05er wollten mich halten, aber ich habe mich für einen Wechsel nach Hannover entschieden. Da sah ich einfach die besseren Perspektiven, es doch noch in die Bundesliga zu schaffen. Wie Mainz sich entwickeln würde, war damals ja noch nicht absehbar.
Dabei waren Sie mittendrin, als Christian Heidel plötzlich Jürgen Klopp zum Trainer machte. Was sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?
Das ging ganz schnell. Unter Eckart Krautzun lief es für uns nicht so gut, dann wurde Jürgen plötzlich unser Trainer. Als Spieler hatte er ein hohes Ansehen bei uns, der war ehrlich, authentisch und positiv verrückt. Dass Christian Heidel diese Entscheidung getroffen hat, war wohl das Beste, was Mainz passieren konnte. Ich denke aber auch, dass Frank nicht nur für Klopp, sondern auch viele andere heutige Trainer der größte Lehrmeister war. Auch für mich, ich konnte eine Menge aus dieser Zeit mitnehmen, auch wenn ich zu den Kollegen von damals nur noch sporadisch Kontakt habe.
Heute trainieren Sie den FC Kaan-Marienborn in der Westfalen-Liga. Keine höheren Ambitionen?
Der ganze Verein hat sehr hohe Ambitionen. Wir haben hier ein Projekt ins Leben gerufen, den „Siegerländer Weg". Er soll Fußball mit normalen Arbeitsleben verbinden. Wir haben ein Maschinenbau-Unternehmen als Sponsor. Viele Spieler kicken bei uns und arbeiten dort oder machen eine Ausbildung im Unternehmen. Steven Sam zum Beispiel, der Bruder von Sidney, spielt beim FC Kaan und macht eine Ausbildung zum Elektriker.
Und so soll's dann nach oben gehen?
Seitdem das Projekt vor etwa acht Jahren gestartet wurde, ist der Verein stetig aufgestiegen. Unser nächstes Ziel ist die Oberliga, mittelfristig die Regionalliga. Immer vor dem sozialen Hintergrund. Wir wollen Spieler abfangen, die vielleicht sonst außer dem Fußball keine wirkliche berufliche Perspektive haben.
Warum ist Ihnen das wichtig?
Weil ich selbst die Höhen und Tiefen des Profi-Geschäfts erlebt habe. Nach dem Bundesliga-Aufstieg mit Hannover hätte ich bei AEK Stockholm unterschreiben, Champions League spielen können. Kurz vorher habe ich mir die Ferse gebrochen. Ich wollte schießen, mein Gegenspieler kam von vorne und hielt dagegen. Sein Stollen bohrte sich in meinen Fuß. Das fühlte sich an, als würde mir jemand mit der Pistole ein Loch durch die Ferse schießen. Vier Monate Gips, danach Probleme mit der Wundheilung, insgesamt ein Jahr Pause. Ich musste dann aus der Bundesliga in die Regionalliga wechseln, um wieder auf die Füße zu kommen. Aber ich kam nie wieder an das Niveau von vorher heran.
Deswegen die Tankstelle?
Meine Frau und ich betreiben sie seit einigen Jahren als zweites Standbein und gesicherte Basis. Wir machen das mit viel Liebe und Leidenschaft, haben uns wirtschaftliches Know-How in Seminaren und Abend-Kursen beigebracht. In der Gemeinde Windeck liegen wir mitten im Ort, die Tankstelle läuft ordentlich. Und ich kann meine Arbeit dort und meine Trainer-Tätigkeit gut nebeneinander organisieren.
Wie lassen Sie ihre Jungs spielen?
Ich lege Wert auf disziplinierten Fußball, mit Pressing im Mittelfeld, um den Ball nahe des gegnerischen Tores zu gewinnen. Wir wollen viel Ballbesitz, um kontrollierten Tempofußball zu spielen.
Klingt ein bisschen nach der Spielweise von Mainz 05.
Was ich bisher so von den 05ern gesehen habe, kann man unsere Spielweisen vergleichen, ja. Aber was den Mainzern, glaube ich aus der Ferne, noch fehlt, ist ein Stoßstürmer, der vorne auch mal Bälle festhalten kann.
Wie sehen Sie Ihren anderen Ex-Verein Hannover 96?
Nicht so oft (lacht). Die spielen nicht unbedingt den Fußball, den ich gerne sehe, deswegen fehlt mir ein bisschen der Bezug zu 96. Sie haben sich im Vergleich zum Vorjahr nicht unbedingt verstärkt. Ich fürchte, sie müssen bis zum Ende der Saison um den Klassenerhalt kämpfen.
Geht Mainz also als Favorit ins Spiel?
Nein, ich finde nicht, dass es bei diesem Spiel einen eindeutigen Favoriten gibt. Aber ich glaube, dass Mainz die etwas galligere, etwas aktivere Mannschaft ist und deswegen auch gewinnen wird.
Das Gespräch führte Max Sprick.
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