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Queere Männlichkeit: "Mir wurde ständig gesagt, dass ich kein richtiger Mann sei"

Männlichkeit ist komplex. Das merken vor allem die, die nicht so ganz ins gängige Männlichkeitsbild zu passen scheinen, das durch Medien, Künste, Religion und auch Wissenschaft über Jahrhunderte entstanden ist. Insbesondere queere Männer erleben Irritationen, Anfeindungen, Unbehagen im Umgang mit anderen Männern, die sie als nicht "männlich" genug wahrnehmen. Das prägt bei Betroffenen den Eindruck, dass es Männlichkeiten gibt, die weniger wertig zu sein scheinen als andere. Drei queere Männer erzählen uns von ihren Problemen mit der "richtigen Männlichkeit". Sie sprechen von konservativer Erziehung, der Angst vor dem Schwulsein und dem Versuch, sich anzupassen.

Pat, 32, wohnt bei Hannover

Als ich vergangenes Jahr, gerade als die Pandemie anfing, für gut drei Monate im Big-Brother-Haus gewohnt habe und rund um die Uhr von Kameras beobachtet wurde, war ich doch verblüfft: Plötzlich waren es queere Menschen, die mir vorwarfen, zu feminin zu sein. Sie fanden zum Beispiel meine rosa Adiletten zu "tuckig". Was sie sonst genau gestört hat, weiß ich nicht genau, das haben sie in den vielen Nachrichten, die ich auf Instagram und TikTok bekommen habe, nicht weiter erklärt. Darin waren hauptsächlich Beschimpfungen. Sie haben mir vorgeworfen, ich sei eine Schwuchtel, eine Schande für die Community, und würde dazu beitragen, dass schwule Männer nicht als normal angesehen würden.

Vorher waren es überwiegend straighte Männer, mit denen ich diese Probleme hatte. Das fing schon in der Kindheit an: Ich habe gerne mit Barbies gespielt. Einmal besuchte mich ein Schulfreund und wir haben zusammen mit den Puppen gespielt. Nachdem er abgeholt wurde, rief seine Mutter bei meiner an und sagte ihr, dass der Freund nicht noch mal zu uns kommen werde. Sein Vater hätte das verboten, nachdem er erfahren hatte, was wir gemacht haben. Er wolle nicht, dass sein Sohn schwul wird.

Bis etwa zur 9. Klasse haben mich viele Jungs in der Schule als Mädchen betitelt: Ich hatte vor allem Freundinnen, war zurückhaltend, brav, hab mich nicht eingesaut - ein Verhalten, das die Gesellschaft Mädchen zuschreibt. Als die Jungs das Wort kennenlernten, war ich eine Zeit lang "der Schwule". Lustigerweise ließ die Bezeichnung als Schimpfwort nach, als ich mich dann mit 15 tatsächlich outete, dann war "schwul" ja plötzlich die Wahrheit. Dennoch wurde mir von allen Seiten weiterhin gesagt, dass ich kein richtiger Mann sei. Ich wurde gemobbt und zusammengeschlagen, hatte Rippenprellungen und kaputte Schulsachen.

Ich habe versucht, mich zu verstellen. Ich war kurz angebunden, habe etwas tiefer und abgehackter gesprochen. Der Handschlag wurde fester und der Gang etwas breiter. Pat

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als ich während meines Studiums in den Semesterferien am Band bei VW gearbeitet habe. Ich war umgeben von Machos, in der Pausenecke hingen Bilder von nackten Frauen. Da kamen wieder die Erinnerungen an die Jungs aus der Schulzeit und die Angst hoch, gemobbt zu werden. Darum habe ich versucht, mich zu verstellen. Ich war kurz angebunden, habe etwas tiefer und abgehackter gesprochen. Der Handschlag wurde fester und der Gang etwas breiter. Aber als die Kollegen dann anfingen über Frauen zu reden und ich nicht mitmachte, war ich raus. Wieder nicht Mann genug. Ab dann wurde ich ignoriert.

Heute zelebriere ich meine Version von Männlichkeit. Dabei haben mir die sozialen Medien geholfen: die Möglichkeit, mich ungefiltert zu zeigen. Ich schminke mich, trage gerne Rosa - verstelle mich nicht mehr, nur um besser reinzupassen. Größtenteils bekomme ich dafür im Internet Zuspruch, der mir das Selbstbewusstsein gibt, auch im echten Leben mit Anfeindungen besser umgehen zu können. Ich traue mich mittlerweile, im rosa Outfit in den Supermarkt zu gehen. In Berlin jedenfalls. In meinem Dorf in der Nähe von Hannover überlege ich noch zweimal, an guten Tagen mache ich es da aber auch. Dumme Sprüche versuche ich zu ignorieren. In meiner Kindheit hatte ich gar nicht die Begriffe, um zu verstehen, woher dieser Hass kam. Heute kenne ich die Gründe. Und finde es umso trauriger, wenn selbst queere Männer diese Homophobie so sehr in sich tragen, dass sie "feminine" Männer unsichtbar machen wollen.

Damian*, 22, wohnt in Süddeutschland

Mir hat meine Mutter schon gesagt, dass ich erst ein Mann bin, wenn ich einen Penis habe. Das verletzt mich immer wieder, da sie weiß, dass es ein sehr emotionaler Punkt für mich ist. Ich bin ein trans Mann.

Mir wollen immer wieder Leute erklären, wie ein echter Mann zu sein hat. Auch wenn meine Mutter und ihr Partner inzwischen mehr darauf achten, mich nicht mit altem Namen anzusprechen und das richtige Pronomen zu nutzen, kommt es doch noch zu sehr merkwürdigen Momenten. Letztens wollte ich etwa die Wohnung verlassen und habe laut überlegt, welches Portemonnaie ich mitnehmen möchte. Der Freund meiner Mutter meinte daraufhin, dass echten Männern so was egal sei. Solche Erlebnisse ärgern mich, aber ich gehe nicht mehr darauf ein. Ich bin ein Mann, nur eben nicht nach seinen Vorstellungen.

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