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Stimmen zur Demonstration der Russlanddeutschen

"Achtung, es herrscht Krieg! Das ist die erste, friedliche Warnung an die Welt." Das sind Ausschnitte einer Nachricht (vollständige Nachricht im Infokasten), mit der sich die Teilnehmer der Demonstration organisiert haben. Der Text wurde wohl hauptsächlich per Whats App verschickt und ist eine Art Kettenmail.


Wer die Nachricht, die in russischer Sprache verfasst ist, initiierte, ist nicht nachzuvollziehen. Klar ist aber: Sie wandte sich an die russisch sprechende Bevölkerung in Deutschland und nimmt direkten Bezug auf eine angebliche Vergewaltigung eines 13-jährigen, wohl auch russlanddeutschen Mädchens in Berlin.


Russischer TV-Beitrag

Aufmerksam auf diese angebliche Tat machte vor allem ein Beitrag im russischen Fernsehen. In dem wird geschildert, dass das Mädchen in eine Wohnung gebracht worden sein soll. In der soll es 30 Stunden festgehalten und vergewaltigt worden sein. Nach Aussage des angeblichen Onkels von "Lisa" sei die 13-Jährige von der Polizei gezwungen worden zu behaupten, sie selbst habe die Männer verführt. Als Beweis liefert das russische Fernsehen Videoausschnitte, die südländisch aussehende Männer zeigen. Laut "Spiegel Online" ist das Video sieben Jahre alt. Nach Angaben der Polizei in Berlin habe es diese Tat nicht gegeben.


Für die rund 300 Demonstranten am Sonntag war aber klar, dass sie sich gegen angebliche Gewalt von Flüchtlingen wehren müssen. "Es gab bislang keine Straftat von Flüchtlingen zum Nachteil der Lahrer Bevölkerung", sagt Felix Neulinger, Leiter des Lahrer Polizeireviers, auf Nachfrage des Lahrer Anzeigers. Rund um die Unterkünfte in Lahr werde verstärkt kontrolliert. Er berichtet von einigen Auseinandersetzungen unter Flüchtlingen ("im unteren zweistelligen Bereich") und einigen Ladendiebstählen ("im unteren einstelligen Bereich"). Er stellt aber klar: "Lahr ist nicht krimineller als andere vergleichbare Städte im Umkreis."


 "Zum Dialog bereit"

Die emotionale Debatte zeige, dass das Thema Sicherheit viele Menschen sehr beschäftigte. "Ich bin gern zum Dialog bereit", sagt Neulinger. "Und wenn es Gerüchte gibt, sollten diese sofort der Polizei mitgeteilt werden. Dann nehmen wir dazu Stellung."


Die Demonstration in Lahr war laut Neulinger nicht angemeldet. Die Beamten hätten durch Recherche in sozialen Medien davon erfahren. Anstatt Auflagen zu erteilen, habe sich die Polizei dann entschieden, die Menschen zu Wort kommen zu lassen. "Wir wollen alle ein sicheres Lahr", sagt Neulinger.


Auch Hilda Beck, Vorsitzende des Vereins "Bürger aktiv Lahr", war auf der Demonstration. Sie erfuhr einen Tag zuvor von der Aktion. Organisiert haben sie oder ihr Verein den Protest nicht: "Ich hatte Sorge wegen des Tons, der dort herrschte", sagt Beck. Sie habe versucht, die Leute zu beruhigen. 


Sie nimmt eine wachsende Unsicherheit in der Bevölkerung wahr und kann verstehen, wenn die Menschen Ängste haben: "Die Leute wollen, dass Lahr bleibt wie es ist." Zwar findet sie gut, dass sich die häufig unpolitischen Russlanddeutschen artikulierten, das müsse aber anders geschehen. Beck könnte sich etwa eine Art Forum vorstellen, in dem die Bürger ihre Sorgen vortragen können.


"Das war eine orchestrierte Aktion, um die etablierten Parteien in die Ecke zu drängen", sagt Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller dem Lahrer Anzeiger. Gleichzeitig sieht er darin aber auch "eine Art Aufschrei", den man ernst nehmen müsse. Müller: "Wir warten alle auf Lösungen." Wie kann der Zustrom reduziert werden? Wie können Kommunen in die Lage versetzt werden, die Aufgaben zu meistern? In dieser Woche werde es Gespräche mit Sozialberatung und Polizei geben, so der Rathauschef mit Blick auf die Demonstration.


Sicherheit im Fokus

Die vermeintliche Unsicherheit bewog auch Demonstranten in Offenburg dazu, auf die Straße zu gehen. Eine Teilnehmerin, die namentlich nicht genannt werden will, sagte auf Nachfrage des Lahrer Anzeiger: "Wenn so etwas in Berlin passiert, kann es auch hier passieren." Noch sei es nach ihrer Aussagen ruhig in der Ortenau. Damit das auch so bleibt, wollte sie die Polizei mit der Teilnahme an der Demonstration darauf aufmerksam machen, mehr für die Sicherheit in Deutschland zu tun. Sie habe freiwillig demonstriert, fügt sie an.

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