1 subscription and 0 subscribers
Article

Öko-Startups suchen Investoren | DW | 20.04.2019

Wasser sprudelt rund um die Uhr gleichmäßig aus dem Hahn: In Deutschland ist das selbstverständlich. "Doch die meisten wissen nicht, dass ein großer Teil des aufbereiteten Trinkwassers gar nicht erst bei uns ankommt", sagt Mulundu Sichone. Weltweit versickere rund ein Drittel auf dem Weg - in Ländern wie Brasilien sogar über 60 Prozent, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, der in Sambia geboren wurde.

Das liege an Rissen in der Leitung, die durch Überdruck verursacht werden, sagt er. Um auch entlegenste Kunden permanent zu versorgen, pumpen die Unternehmen mit hohem Energieaufwand Wasser durch die verästelten und teils veralteten Rohre.

Um die Wasser- und Energieverschwendung anzugehen, entwickelte Sichone eine Mini-Turbine speziell für Trinkwasserleitungen. Sie kann sich an die schwankende Strömung anpassen und den Druck in Strom umwandeln. Mit einem Partner gründete der Ingenieur 2016 die Pydro GmbH in Hamburg. Die beiden gewannen Ideen- und Gründer-Wettbewerbe. Das brachte ihnen Kontakte zu Wasserversorgern, Feedback und auch Fördergelder ein.

Pydro-Gründer Mulundu Sichone (l.) und Felix Müller

In manchen Bereichen sind grüne Startups in der Mehrheit

Pydro gehört zu der wachsenden Gründerszene, die Wirtschaft nachhaltiger machen will. 2018 gehörten 26 Prozent der Startups in diese Kategorie, so der aktuelle GreenStartup Monitor des Berliner Borderstep-Instituts und des Bundesverbands Deutsche Startups.

In manchen Branchen sind Öko-Gründungen kein Nischensegment mehr, sondern die Regel: "Zwei Drittel aller Startups in den Bereichen Energieerzeugung, chemische Erzeugnisse, Landwirtschaft und Mobilität können als grün eingestuft werden", so die Studie.

Herausforderungen durch Klimawandel und Umweltverschmutzung sehen diese Startups als Chance. Es falle ihnen leichter, Mitarbeiter zu gewinnen, besonders die begehrten IT-Spezialisten, so die Studie. Gut 86 Prozent dieser Startups wollen auch Kunden außerhalb Deutschlands ansprechen. Weil aber ihre Technologien oft schwer verständlich sind und die Entwicklungszeiten lang, winken viele Geldgeber ab.

"Bei Hardware-Entwicklungen beträgt der Kapitalbedarf mehrere Millionen Euro bis zu einem Break-Even", sagt Alexander Sohl. Er ist Mitgründer von ME Energy und will die Ladeinfrastruktur für E-Autos revolutionieren.

Sohl und sein Partner Holger Adler haben eine Ladesäule erfunden, die keinen Anschluss an das Stromnetz braucht. Dadurch wird Elektromobilität auch auf dem Lande möglich. Im Inneren der Säule produziert ein Generator Strom aus Methanol oder Ethanol. Die Kraftstoffe lassen sich aus Biomasse oder aus CO2 gewinnen. ME Energy arbeitet gerade an einem großen Prototypen, der ein Auto in 10 Minuten aufladen soll. "Mitte nächsten Jahres wollen wir mit der Auslieferung starten", verspricht der Gründer.

Lädt E-Autos ohne Stromanschluss - die Ladesäule von ME Energy

Gute Idee, hohes Risiko

Vorausgesetzt, die benötigten Mittel sind da. Bisher finanziert sich das Startup durch das private Vermögen der Gründer, Geld von Business Angels und Fördermitteln des Landes Brandenburg. "Für alle Förderprogramme wird immer auch eigenes Geld benötigt. Somit ist die Förderlandschaft nicht wirklich für Hardware-Startups geeignet", meint Sohl.

Auch Risikokapitalgeber winkten ab: Gute Idee, aber das Risiko sei zu hoch. Gebraucht werden Material, Produktionsräume, Maschinen und ein größeres Team - das geht ins Geld. Der Markterfolg lässt wegen der langen Entwicklungszeiten auf sich warten. Und schließlich: "Ohne E-Autos gibt es keinen Markt für Ladestationen - und umgekehrt", so Sohl.

"Viele Investoren kennen sich im Umweltbereich nicht gut aus", sagt Klaus Fichter, Gründer und Leiter des Borderstep Instituts in Berlin, das "nachhaltige Innovationen" wissenschaftlich untersucht. "Klassischen Geldgebern ist es auch suspekt, wenn Gründer nicht nur Geld verdienen wollen, sondern eine Mission haben."

Auch auf staatliche Förderung, etwa durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ( EEG), sei kein Verlass. "Die Förderbedingungen wechseln stark: Das macht es Gründern und Investoren schwierig, stabile Geschäftsmodelle zu entwickeln", so Fichter.

Beispiel Pydro: Den Wasserversorgern werde die Energierückgewinnung nicht nach dem EEG vergütet, weil die Elektrizität aus dem Wasserrohr nicht als Erneuerbare Energie angesehen werde. Dabei habe sie im Vergleich zur herkömmlichen Wasserkraft einige Vorteile, so Gründer Sichone: Eingriffe in die Natur gibt es nicht, die Ausbeute ist unabhängig von Dürren und Niederschlägen.

Mittelstand und grüne Startups zusammenbringen

Jungunternehmer Sichone hat daher sein Geschäftsmodell geändert. Er bietet nun an, mit seiner Turbine Mess- und Steuerungsgeräte an den Leitungen autark mit Strom zu versorgen. Es kostet nämlich viel Geld, die intelligente Infrastruktur an das Stromnetz anzubinden, weil die Rohre unter Straßen und Bürgersteigen liegen oder der nächste Verteiler weit weg ist. Mit solchen Messgeräten lassen sich Lecks in der Leitung frühzeitig erkennen oder gar verhindern.

Klaus Fichter, Leiter des Borderstep-Instituts, bei der Verleihung der "Start Green Awards"

Über 60 Prozent der grünen Startups gehen laut dem GreenStartup-Monitor gerne Kooperationen mit etablierten Firmen ein. Pydro entwickelte seine Prototypen gemeinsam mit verschiedenen Wasserversorgern: "So konnten wir trotz eines kleinen Geldbeutels große Einblicke gewinnen", sagt Sichone.

Hier sei eine bessere Vermittlung von Kooperationspartnern nötig, sagt Borderstep-Leiter Fichter. Zudem sollte es steuerliche Anreize für Direktinvestitionen seitens des Mittelstands geben. Außerdem solle die öffentliche Hand zudem mutiger als Pilotkunde einspringen, fordert er.

"Die Beschaffung bei Startups als Lieferanten wird systematisch dadurch behindert, dass diese nicht über die hohe Zahl von Referenzen und die Kreditwürdigkeit etablierter Unternehmen verfügen", sagt Fichter. Das zusätzliche Risiko könnte ein Bundesprogramm absichern, ähnlich wie Hermesbürgschaften für Exporte.

Original