Seit jeher blickt der Mensch voller Faszination auf die Welt, die sich ihm unterhalb der Wasseroberfläche eröffnet. Und doch sind viele Arten und Lebensräume der Tiefsee bis heute unentdeckt. Das lässt genügend Spielraum für die eigene Vorstellungskraft - gerade in der Kunst. Zuletzt widmeten sich beispielsweise Autor und Regisseur Bonn Park und Komponist Ben Roessler in „Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)" im Januar am Münchner Volkstheater dem bunten Treiben in der Tiefsee, im Mai startete die Disney-Neuverfilmung „Arielle, die Meerjungfrau" in den deutschen Kinos. Dabei lässt sich davon aber längst nicht nur die Kunst inspirieren, sondern auch die Gesellschaftswissenschaft. Hier widmet man sich insbesondere in den Gender und Queer Studies den Meeresbewohner:innen und setzt die Erkenntnisse ins Verhältnis zum Menschen: Der Anemonenfisch kann beispielsweise im Laufe seines Lebens sein Geschlecht wechseln. Er wird zwar als Männchen geboren, kann aber zum Weibchen werden, wenn z. B. das einzige anwesende Weibchen stirbt oder verschwindet. Oder Seepferdchen, die die Grenze zwischen Mann und Frau verschwimmen lassen, wenn das Männchen schwanger wird. Queere Theorien arbeiten zudem oft mit der Qualle als Symbol, weil es schwierig ist, ihre Identität festzustellen - die Betrachtung des Geschlechts als etwas Fluides. Oder Oktopoden, die als Crossdresser gelten, weil manche Männchen die Färbung von Weibchen annehmen, um den Wettbewerb mit dominanteren Männchen zu umgehen. So können sie die Platzhirsche täuschen, sich den Weibchen ungesehen nähern und diese dann mit acht Armen zärtlich umschlingen. Anpassung im Spannungsfeld zwischen Überlebensstrategie und Verspieltheit - die Parallelen zwischen Meeresbewohner:innen und queeren Menschen sind folglich durchaus naheliegend.
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