Simone Giertz ist ein YouTube-Star. Berühmt wurde sie mit Robotern, die nicht funktionieren. Doch sie will nicht mehr nur Spaßmaschinen machen. Und jetzt?
Simone Giertz schließt die Eisentür zu ihrer neuen Werkstatt auf. Noch vor vier Monaten hat sie in ihrem Haus direkt neben ihrer Werkbank geschlafen, jetzt kann sie sich ein Loft im Industrieviertel Dogpatch in San Francisco leisten. "YouTube hat mir dabei geholfen, meine Träume zu verwirklichen", sagt die 28-Jährige. Und dann lacht sie und ergänzt: "Oh, Gott, das klingt wie das Klischee." Simone hat jetzt ihren Traumort, wo sie Platz hat zum Schrauben und Tüfteln. Mit einem Büro zum Mailsschreiben und einem gelben Sofa zum Abhängen. "Ich kann das selbst manchmal nicht so ganz glauben", sagt sie. Sie wirkt müde und blass. So kennt man sie aus ihren YouTube-Videos nicht.
Simone ist Nerd, Autodidaktin, Künstlerin, YouTube-Star und vor allem auf ihre Art sehr lustig: ein bisschen schräg, ein bisschen derb. Ihr Erfolg klingt wie ein moderner American Dream. Am 15. September 2014 teilte sie von dort aus ihr erstes YouTube-Video. In einem weißen schlabberigen Shirt steht sie vor einer hellblauen Wand und zeigt ein selbstgebautes Popcorn-Katapult. Es war eins von Millionen YouTube-Videos, die an diesem Tag hochgeladen werden. Niemand beachtete es. Ihr zweites Video, nur sieben Sekunden lang, hätte genauso im Internetnirwana enden können. In dem Video steht Simone wieder vor einer Wand, trägt einen türkisfarbenen Helm auf dem Kopf, mit einem Arm dran, der eine Zahnbürste hält. Die Zahnputzmaschine. Das Video ging viral. Erst wenige Wochen davor war sie von Schweden, wo sie aufgewachsen ist, in die USA gezogen. Sie hatte ihr Physikstudium nach einem Jahr abgebrochen und einen Job als Redakteurin für die offizielle schwedische Website sweden.se geschmissen. "Auf einmal habe ich mich für Technik interessiert", sagt sie. Nach San Francisco zu gehen, schien für sie der nächste logische Schritt.
Seitdem baut Simone immer neue Roboter, die entweder gar nicht funktionieren oder die funktionieren, aber die eigentlich niemand braucht. Sie hat einen Lippenstiftroboter gebaut, der nicht nur ihre Lippen, sondern gleich das ganze Kinn bemalt. Hihi. Eine Applausmaschine, bei der die Hände ständig abfallen. Endlich! Eine Wachmachmaschine, die Simone aufweckt, indem ihr ein Plastikarm ins Gesicht schlägt. Mit dem Special-Effects-Experten Adam Savage, dessen Modelle in den Filmen Matrix Reloaded oder Star Wars zu sehen waren, baute sie einen Popcornroboter, der Popcorn am Mund vorbei wirft. Während große Unternehmen an Robotern der Zukunft arbeiten und künstliche Intelligenzen entwickeln, die manche als Bedrohung empfinden, sind Simones Roboter Quatschmaschinen, über die man lachen kann. Gerade, weil sie eben nicht funktionieren.
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Plötzlich war sie mit ihren Robotern überall: Die kurzen Clips und Gifs gingen im Netz viral. So wurden die alten Medien auf sie aufmerksam und Talkshowkönigin Ellen DeGeneres zeigte Simones Aufweckmaschine in ihrer Sendung wie einen dressierten Hund. In einem TED-Talk sprach sie darüber, warum man unnütze Dinge bauen sollte. Es folgten noch mehr Klicks und noch mehr Likes. Große Firmen kamen auf sie zu, um mit ihr zusammenarbeiten. Simone schloss Werbedeals mit Google und Sony Ericsson ab. Heute hat sie mehr als 1,3 Millionen Abonnenten auf . Ihr erfolgreichstes Video hat 8,6 Millionen Klicks.
Simone ist ein Star, den das Internet gemacht hat. Sie ist die "Queen of shitty robots". Doch jetzt will sie sich nicht mehr auf diesen Erfolg verlassen. Jetzt soll alles anders werden. Seit mehr als einem Jahr arbeitet Simone an einem Produkt, das tatsächlich funktioniert und das sie jetzt verkauft. Ist aus ihr eine Unternehmerin geworden?
Es ist erst mal nicht überraschend, dass YouTuber, ihre eigenen Produkte auf den Markt bringen. Der deutsche YouTube-Star Bibi von Bibisbeautypalace verkauft einen Duschschaum bei der Drogeriekette dm, Modebloggerin Jessica Weiß von Journelles bringt ihre eigene Modekollektion raus. Aber passt das zu Simone?