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Wie Nachhaltigkeit Geld spart

Oft wird pauschal gegen Konzerne und Politik gewettert, sobald es um Missstände geht. Dass man ganz und gar nicht machtlos ist, zeigte vor wenigen Wochen der Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke. Die Raiffeisenbank Main-Spessart hatte zu dem Vortrag in Lohr geladen. Das war Grund genug für die Redaktion, beide Seiten, Umweltaktivist Jaenicke und Raiffeisenbank-Direktor Andreas Fella, kritisch zu den Themen zu befragen, die im Augenblick Deutschland zu spalten scheinen: Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Frage: Ich würde am Anfang des Gespräches gerne eine kleine Geschichte erzählen. Eine große Supermarktkette lässt sich ihre Gurken, Paprika etc. in Plastik eingeschweißt liefern. Im Laden packen die Mitarbeiter das Gemüse dann aus und verkaufen es als "plastikfrei". Herr Jaenicke, inwiefern ist die „Macht des Konsumenten", wie Ihr Vortrag überschrieben ist, in so einer Situation überhaupt gegeben?

Hannes Jaenicke: Wir haben in diesem Land zwei frappierende Defizite. Das erste ist Information. Die meisten Leute haben keine Ahnung, was sie konsumieren. Die Lieferketten werden faktisch überhaupt nicht aufgedeckt bei uns. Das zweite ist Greenwashing, das zu einem so enormen Geschäft geworden ist, dass inzwischen sogar die Cola grün ist. Da wird gelogen, was das Zeug hält. Und dem würde ich gerne etwas entgegensetzen, weswegen ich solche Vorträge halte. Aber ich glaube auch: Die Leute haben ein sehr feines Gespür dafür, wann sie verarscht werden.

Denken Sie, die Menschen würden ihr Kaufverhalten ändern, wenn die Herstellungsbedingungen transparenter wären?

Jaenicke: Das Problem ist, dass viele Handlungen der Politik von der Industrie diktiert werden. Autoindustrie, Pharmaindustrie, Agrarindustire: Wir leben in einer perfekt geölten Lobbykratie. Und wenn wir das verstanden haben, dann wird der Geldbeutel zu einer echt mächtigen Waffe. Das fängt damit an: Woher ist dein Strom? Zu welcher Bank gehe ich? Das sind alles Entscheidungen, die den Markt treiben können. Dass jetzt die Plastiktüte verboten wird, hat auch damit zu tun, dass die Leute mit dem eigenen Stoffbeutel einkaufen gehen. Ich habe da eine ganz große Hoffnung.

Unternehmen zerstören nicht aus Jux und Tollerei Regenwälder oder lassen Kinder für sich arbeiten. Ist man börsennotiert, muss man in jedem Quartal Gewinne erwirtschaften, am besten mehr als im vorhergegangenen. Nachhaltige Entwicklung dagegen kostet Zeit und Geld. Welchen Einfluss hat dieses „Wachsen müssen" auf die Entscheidungen der Unternehmen?

Jaenicke: Wir brauchen Wachstum, aber sicher nicht so, wie wir es gerade haben. Wir brauchen es in der Bildung, in der Energieeffizienz, bei regenerativen Energien. Wir brauchen es genau da, wo wir es nicht haben.

Andreas Fella: Richtig. Man braucht Gewinn, um nachhaltig wirtschaften zu können. Aber dieses "Immer mehr Gewinn machen müssen" ist ein Trugschluss, der viel mehr an der Gier und der "Geiz ist geil"-Mentalität jedes Einzelnen hängt. Dieser Drang macht unsere Gesellschaft kaputt. Ein Beispiel: Wir fliegen unkontrolliert in die Türkei in den Urlaub. Das Regime entspricht nicht unserem Demokratieverständnis. Aber wenn der Urlaub 500 Euro billiger ist als anderswo, fliegen wir trotzdem. Das verstehe ich nicht. Bei diesem Problem sind wir alle gefragt, nicht nur "die da oben" oder "die da drüben".

Redakteur Martin Hogger im Gespräch mit Schauspieler Hannes Jaenicke (links) und dem Direktor der Raiffeisenbank Main-Spessart, Martin Fella (rechts). Foto: Hilmar Ullrich

Wenn ich also in Ihre Bank gehe, ein Girokonto aufmache und da 10 000 Euro drauflege: Investieren dann auch Sie "mein" Geld dementsprechend, sprich nachhaltig für Mensch und Umwelt?

Fella: Ich tue mir schwer in der Definition einer "nachhaltigen Investition". Wir werben deshalb auch nicht damit. In Investments stecken immer auch Faktoren drin, die wir nicht beeinflussen können. Hält sich das Unternehmen an die Regeln? Wird es gut genug kontrolliert? Was passiert, wenn sich das Unternehmen, während ich investiere, plötzlich nicht mehr an die Regeln hält?

Wir konzentrieren uns deswegen auf das, was wir beeinflussen können. Das fängt beim Girokonto an. Wir wollen zum Beispiel weg vom Papierausdruck, bepreisen also die Ausdrucke. Natürlich gibt es bei uns auch nachhaltige Investments, aber unser Verständnis ist da sicher auch ein anderes, als das von Herrn Jaenicke.

Herr Jaenicke, in einem Interview haben Sie einmal gesagt, dass man verarscht werde, sobald man einen Supermarkt oder eine Bank betrete.

Hannes Jaenicke (lacht): Das kommt auf die Bank an.

Was erwarten Sie denn, wie eine Bank mit Ihrem Geld umgeht?

Jaenicke: Das für mich bestimmt dankbare Publikum wäre die Deutsche Bank und die ganzen Heuschreckenbanken. Denen sind eine nachhaltige Wertschöpfungskette und soziale Belange scheiß egal. Es geht nur um Rendite. Man nennt die nicht umsonst "Bankster". Das ist der Luxus bei Genossenschaftsbanken. Die dürfen das zum Teil gar nicht.

Herr Fella, wäre es für Sie nicht profitabler und zeitsparender, einfach in Nestlé zu investieren und so gute Rendite zu erwirtschaften?

Fella: Natürlich. Es birgt jedoch auch riesige Vorteile anders zu arbeiten, da die Integrations- und Identifikationswirkung von regionalen Investitionen wesentlich höher ist. Dafür gibt es viele Beispiele, wie "Elviras Bauernladen" in Aschfeld. Das ist ein Selbstvermarkterladen, der eigene Kühe auf der Weide hat, selbst schlachtet und verkauft. Jetzt soll sogar ein eigenes Schlachthaus entstehen, an dem sich die Kunden seit Kurzem beteiligen und Genussrechte erwerben können. Die Infoveranstaltung dazu war voll. Man sieht also: der Bedarf und der Wille zu anderem Einkaufen und Investieren ist da. Der Prozess dahin ist jedoch wahnsinnig schwer, viel schwerer, als einfach nur auf den Knopf zu drücken und dann zu kaufen.

Hannes Jaenicke outete sich als Fan von Weltläden. Auf dem Bild (von links): Maritta Schubert (Weltladen Lohr), Hannes Jaenicke, Christina Schlembach (Weltladen Marktheidenfeld) und Hans- Georg Schubert (Weltladen Lohr). Foto: Susanne Schreck

Herr Jaenicke, wenn man aktuell die Diskussion in diesem Land beobachtet, dann drängt sich der Eindruck auf, dass die Bevölkerung nicht nur politisch sondern auch konsumtechnisch gespalten ist. Auf der einen Seite die, die etwas für die Umwelt tun wollen. Auf der anderen Seite die, die ein „Immer weiter so" fordern. Wie könnte man diesen Spalt wieder kitten?

Jaenicke: Auch hier: über den Geldbeutel. Das CO2-Problem ist, glaube ich, nur durch eine Steuer lösbar. Wenn wir zum Beispiel Kerosin besteuern würden, würde eine Flugreise in die Türkei einen Wert kriegen. Ich komme ja für 19 Euro kaum von Lohr nach Frankfurt, aber zu Herrn Erdogan. Da läuft doch was schief in der Steuergesetzgebung.

Wie das den Spalt wieder kitten soll, verstehe ich nicht.

Jaenicke: Jeder bekommt, was er will. Der eine Geld für Umweltschutz, der andere behält seine Freiheit, denn: Wer einen SUV fahren möchte, der soll das gern tun. Dann aber zahlt er bitteschön 60 Prozent CO2-Steuer drauf.

Wir haben gerade viel darüber gesprochen, was sich die Menschen leisten sollten. Was ist aber mit denen, die sich nicht mehr leisten können, die keine Alternative zum Billig-Rind aus der Massentierhaltung haben?

Jaenicke: Das ist, Punkt eins, ein Versagen der Subventionspolitik. Warum ist gesundes Essen teurer als ungesundes Essen? Der arme Konsument wird ja noch bestraft mit giftigem Fraß. Jeder sollte sich gesundes Essen leisten können.

Punkt zwei: Das Argument, die armen Leute könnten sich sonst keine hochwertigen Textilien, kein hochwertiges Essen leisten, stimmt nur bedingt. Wir kaufen alle zu viel. 50 Prozent der in Deutschland produzierten Lebensmittel werden vernichtet. Das selbe gilt für Textilien. Es gibt ja den Spruch: "Billig kann ich mir nicht leisten". Wenn ich bei Primark ein Shirt für drei Euro kaufe, dann hält das drei Wäschen. Ein hochwertiges Shirt hält 200 Wäschen. Am Ende ist dieser "Billig"-Gedanke also kurzsichtig.

Mehr Tierwohl, kürzere Transportwege, faire Löhne, keine Steuervermeidung: Die sinnvolle Lösung für die beschriebenen Probleme ist häufig, im Supermarkt auf regionale Produkte zu setzen. Welche Bedeutung hat "die Region" als Lösungsansatz?

Fella: Das ist die einzige Chance, wie wir in dieser globalen Welt wirtschaftlich und systemisch überleben können. Wenn wir nur noch in große Städte ziehen, wenn wir nur noch Städte fördern und das Land außenrum verödet, dann wird auch die Stadt irgendwann zum Moloch, wie wir es ja in anderen Ländern schon sehen. Die Region ist die einzige Chance.

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