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"Phantommitarbeiter" in heimischen Pflegeheimen?

Wieviel Fachkräfte betreuen unsere Alten?

Pflege-Mitarbeiter: "Fachkräftequote wird nicht erfüllt!"

Landkreis - In Altenheimen muss die Hälfte der Beschäftigten eine Pflegeausbildung abgeschlossen haben. Wird diese Fachkräftequote in der Region aber tatsächlich erfüllt?

Gegen die Geschäftsführer einiger Pflegeeinrichtungen im westlichen Chiemgau wird derzeit wegen des Verdachts auf Sozialversicherungsbetrugs ermittelt. Auffällig waren dabei auch die Dienstpläne in diesen Heimen, denn dort tauchten etliche Mitarbeiter auf, die - nach Aussagen von Mitarbeitern - in den betreffenden Einrichtungen niemals arbeiteten. Die Geschäftsführung weist diesen Vorwurf entschieden zurück.

Was ist dran an sogenannten "Phantommitarbeitern"? Ist dieses Vorgehen in der Region eine übliche Praxis, um die Fachkräftequote zu erfüllen? chiemgau24.de liegen eine Reihe von Aussagen von Mitarbeitern verschiedener Pflegeheime vor, die diese Praxis bestätigen!

Heimgesetze schreiben Fachkräftequote vor

Nachdem die Heimgesetze für jede stationäre Pflegeeinrichtung eine Quote von 50 Prozent staatlich anerkannter Pflegefachkräfte an der Zahl der in den verschiedenen Schichten tätigen Pflegerinnen und Pfleger verlangen, lautet der Verdacht einiger Mitarbeiter, dass die betreffenden Einrichtungen mittels dieser "Phantommitarbeiter" versuchen, diese Quote zu unterlaufen. In manchen Einrichtungen sollen für den Dienstgebrauch, für die Dokumentation beim Zoll und für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) eigene Dienstpläne ausgefertigt worden sein!

Medizinischer Dienst: "Wir müssen uns auf die Unterlagen verlassen"

Das bestätigt indirekt auch der Medizinische Dienst, der für die Pflegekassen die Heime beaufsichtigt. Dort will man eine Reihe von Beschwerden von Betroffenen, deren Angehörigen und auch von Pflegekräften selbst gelesen haben, die allesamt einen drastischen Mangel an Fachkräften beklagen. Da man sich jedoch bei den - durchaus auch unangekündigten - Kontrollbesuchen auf die Unterlagen verlassen müsse, die einem die Heimleitungen aushändigten, gebe es für den Dienst nur selten etwas zu beanstanden.

Gesundheitsministerium weist Vorwürfe zurück

Das Bayerische Gesundheitsministerium stellte 2014 bayernweit lediglich bei 166 Einrichtungen eine Unterschreitung der Fachkräftequote fest. 1243 Einrichtungen wurden im gleichen Zeitraum ein regelkonformes Verhalten bescheinigt. Dass die Fachkräftequote in bayerischen Heimen regelmäßig unterschritten werde, weist das Ministerium trotz der knapp 12 Prozent bestätigten Unterschreitungen zurück: „Die Aussage ist, wie die Zahlen zeigen, nicht richtig."

FQA: "Kontrollmittel weitgehend wirkungslos"

Auch im Landkreis Rosenheim sind keine Fälle in den Akten der Ämter. Das stellt dort die „Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht" (FQA) klar. Allerdings muss man dort zugeben, dass die Kontrollmittel weitgehend wirkungslos sind. Auch hier greift die Behörde lediglich auf Unterlagen zu, die ihr von den Heimleitungen bereitgestellt werden. Durchsuchungsmöglichkeiten - wie sie eine Ermittlungsbehörde wie der Zoll hat - fehlen der Behörde. Wer mit entsprechender krimineller Energie arbeite, habe gute Chancen, damit längere Zeit durchzukommen, heißt es in der Pressestelle.

Unverständnis bei Pflegeexperte Fussek

Das Risiko tragen derweil die Senioren in den Heimen, die womöglich schlecht ausgebildeten Hilfskräften ausgeliefert sind. Pflegebedürftige Heiminsassen leiden immer wieder an Pflegefehlern wie Druckstellen bei falscher Lagerung, Unterzucker bei falscher Insulingabe oder an falscher Nahrung.

Für den Münchner Pflegeexperten und Buchautor Claus Fussek ist es deshalb unverständlich, warum Pflegeeinrichtungen Kritik an derartigen - teils kriminellen - Praktiken pauschal zurückweisen: „Für mich ist es unverständlich, warum die sauber arbeitenden Einrichtungen sich nicht mit einer gemeinsamen Strategie zusammentun. Stattdessen solidarisiert man sich immer wieder mit Betrügern", meint der Experte.

Bundesregierung will reagieren

Der Pflegebereich steht in der Kritik, doch wird sich die Situation bessern? Nach Vorwürfen über "Phantommitarbeiter" und milliardenschwerem Abrechnungsbetrug verspricht die Bundesregierung jetzt zu reagieren. Sie will das Prüfrecht im Pflegebereich nachschärfen und Abrechnungsbetrug bei Pflegediensten künftig verhindern. Dafür sollen die gesetzlichen Regelungen zur Kontrolle von Pflegeleistungen geschärft werden. Auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege sollen künftig überprüft werden - das ist bisher nämlich nicht der Fall!

Martin Both Zurück zur Übersicht: Landkreis Rosenheim
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