Ohrenbetäubender Motorensound, enge Rad-an-Rad-Duelle, spektakuläre Stürze: Die Motorrad-WM gehört zur Faszination Motorsport. Die Königsklasse der Szene ist die MotoGP mit Maschinen mit mehr als 250 PS, die Höchstgeschwindigkeiten knapp an die 360 Kilometer pro Stunde erreichen. Fahrer wie Marc Marquez, Valentino Rossi und Jorge Lorenzo sind in ihren Heimatländern längst Superstars. Mit Marquez wirbt das italienische Entwicklerstudio Milestone auf dem Cover von MotoGP 19, das seit Anfang Juni auf dem Videospielemarkt ist.
Wer auf der Konsole annähernd so schnell sein möchte wie der amtierende Weltmeister aus Spanien, braucht bei der Motorradsimulation viel Geduld und viele Rennkilometer. Auf der Strecke ist Fingerspitzengefühl gefragt. Wie beim Vorgänger MotoGP 18 sticht die Fahrphysik der Maschinen hervor. Jede kleine Bewegung des Controllers scheint Auswirkungen auf das Motorrad zu haben. Fahrfehler werden schmerzhaft bestraft und enden öfter im Kiesbett. Das realistische Fahrgefühl macht es aber schwieriger für Laien, denn grundlegendes Motorradwissen wird hier vorausgesetzt.
Um Anfängern den Spieleinstieg zu erleichtern, bietet der neueste Ableger wie im Vorjahr sämtliche Fahrhilfen an. Sind alle Fahrhilfen aktiviert, bremst zum Beispiel die Maschine vor einer Kurve automatisch ab und lässt keine Beschleunigung mehr zu. Außerdem wird dem Fahrer die Ideallinie angezeigt. Entscheidet sich der Spieler für die Pro Variante, fallen sämtlichen Fahrhilfen weg.
Ebenfalls kann das Verhalten der KI-Kontrahenten verändert werden. Während die Gegner auf einfacher Einstellung praktisch um die Strecke kriechen und selbst Fehler machen, fahren sie auf höheren Schwierigkeitsgraden erbarmungslos davon, wenn wir selbst nicht perfekt unterwegs sind. In unserer Hand liegen zudem die Anzahl der Runden und der Trainings an einem Rennwochenende.
Bevor es auf die Strecke geht, kann der Spieler zwischen mehreren Spielmodi wählen. Dazu zählt neben dem klassischen Schnellspiel beispielsweise das Herzstück der Simulation, der Karrieremodus. Ziel ist es, sich mit einem selbst erstellten Fahrer in den diversen Klassen für die MotoGP zu empfehlen. Der Spieler kann nicht nur das Aussehen des Fahrers auswählen, sondern auch Anpassungen an seinen Helmen und Handschuhen vornehmen. Darüber hinaus muss man sich für einen Fahrstil entscheiden. Sind mir spektakuläre Schräglagen wie die von Marc Marquez oder eine ausbalancierte Fahrweise eines Valentino Rossis lieber? Der Spieler selbst hat die Wahl.
Je nach Platzierung beim Rennen und in den Trainingssitzungen, belohnt sich der Spieler im Karrieremodus mit sogenannten "Development Points". Die können dafür benutzt werden, die Leistung seines Motorrads zu verbessern. Außerdem spielen im Karrieremodus - wie im echten Leben - die sozialen Netzwerke eine gewichtige Rolle. So kann der Fahrer etwa Glückwünsche und Nachrichten entgegennehmen.
Historische Rennsituationen zum NachspielenNeu ist der Spielmodus „Historical Challenges", der den treuesten Fans der Zweiradszene besonders erfreuen wird. Darin kann der Spieler historische Rennsituationen erleben und nachspielen. Dazu gehört etwa das letzte Rennen von Superstar Valentino Rossi auf Honda aus dem Jahr 2003. In Führung liegend ist die Aufgabe, vor Rossis langjährigen Rivalen Sete Gibernau die Ziellinie zu überqueren. Beide Fahrer bestimmten die Königsklasse über mehrere Jahre hinweg. Unvergessen ist das Manöver von Rossi beim Jerez-GP im Mai 2005, als er in der letzten Runde in der letzten Kurve Gibernau durch einen Rammstoß ins Kiesbett beförderte und sich den Sieg sicherte. Warum dieser historische Moment im Spielmodus „Historical Challenges" allerdings fehlt, ist nicht nachvollziehbar.
Im neuen Spielmodus stehen insgesamt mehr als 50 Piloten aus der Vergangenheit und 35 offizielle Maschinen der MotoGP sowie der Vorgängerklasse bis 500ccm zur Auswahl. Angereichert wird „Historical Challenges" durch ehemalige Strecken wie Laguna Seca (2013) und Donington (2009).
Im neuesten Ableger können auch erstmals emissionsfreie Motorräder gesteuert werden. Die Rede ist von der MotoE, die in diesem Jahr im Rahmen der Weltmeisterschaft ihre Premiere feierte. Der Sound der Maschinen hebt sich im Spiel deutlich von den anderen Klassen ab. Die schrillen Geräusche der emissionsfreien Motorräder sind allerdings gewöhnungsbedürftig. Im Internet scherzen bereits erste User auf YouTube. „Meine Ohren bluten schon", schreibt ein Kommentator. Ein anderer klagt über Kopfschmerzen.
Wer sich mit anderen Spielern auf der Welt oder mit seinen Freunden messen will, ist im Online-Modus genau richtig. Im Vergleich zur Formel-1-Simulation von Codemasters bietet der Multiplayer aber nur wenig Anreiz. Egal ob Rennsieg, knapp am Podest vorbei oder abgeschlagener Letzter: Bei MotoGP 19 gibt es kein Ranglisten- und Punktesystem. Beim F1-Konkurrenzspiel ist das anders.
Weg vom Multiplayer, hin zu den Lizenzen. Mit denen punktet Entwickler Milestone erneut. Alle Fahrer, Motorräder und Strecken der aktuellen Motorrad-Weltmeisterschaft sind wie in den Vorjahren im Spiel enthalten.
FazitMotorradfans kommen an MotoGP 19 nicht vorbei. Im Vergleich zum Vorjahr hat Entwickler Milestone mit MotoGP 19 einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Das Fahrgefühl der Maschinen kommt der Realität sehr nahe und garantiert stundenlangen Spielspaß. Zudem unterscheiden sich die Bikes der Hersteller spürbar. Während eine Yamaha von Valentino Rossi eher sanfter zu steuern ist, hat eine Ducati von Andrea Dovizioso wie in echt mehr Power unter der Verkleidung und ist prinzipiell etwas schwieriger zu lenken.
Auch beim Thema Reifenabnutzung steht die Simulation der Wirklichkeit in nichts nach. Wer mit den Reifen über die Renndistanz behutsamer umgeht, hat größere Chancen auf eine gute Platzierung. Positiv in MotoGP 19 sind auch die Original-TV-Einblendungen sowie der Modus "Historical Challenges". Letzterer ist mit seinen vielen Herausforderungen und den zahlreichen aktiven und ehemaligen Piloten sehr umfangreich.
Bei Weitem ist das Videospiel aber nicht perfekt. Die Animationen, die sich häufig wiederholen, und die Kulisse lassen zu wünschen übrig. Auf der Strecke wirkt es so, als würden ausschließlich die Motorräder für die Geräuschkulisse sorgen. Ausnahme ist der Grand Prix von Katar. In der Realität verirren sich nur wenige Tausend Zuschauer auf den Tribünen. Die Stimmung ist mau. Deutlich enthusiastischer geht es dagegen beim Italien-Grand-Prix in Mugello zu. Dort zünden die Tifosi vor und während des Rennens gelbe Bengalos, machen sich lautstark bemerkbar und peitschen ihren Helden Valentino Rossi nach vorne. In MotoGP 19 ist davon keine Spur zu sehen. Zudem erinnern die Zuschauermodelle an schlecht gemachte Fototapeten wie auf einem mittelmäßigen PS2-Spiel.
Sehr unlogisch sind außerdem die Kollisionen auf der Strecke. Kleinste Berührungen werden in der Regel in der realen Motorrad-WM bitter bestraft. Bei MotoGP 19 ist meist das Rennen sogar dann nicht zu Ende, wenn der Spieler einem anderen Fahrer mit hohem Tempo seitlich ins Motorrad fährt. Nach dem Motto: einmal kurz schütteln und weiter geht die Fahrt. Möchte Milestone seiner Simulation mehr Realismus verleihen, muss der Entwickler hier dringend ansetzen.
Zu wünschen ist auch, dass bei MotoGP 20 die Möglichkeit besteht, selbst die Einführungs- und Auslaufrunde zu fahren.
Weitere InformationenBewertung:
Story: 3/7
Grafik: 4/7
Ton: 5/7
Steuerung: 6/7
Erhältlich ist MotoGP 19 neben der PS4 für Xbox One und Windows PC/Steam. Am 27. Juni erscheint die Rennspielsimulation auf der Nintendo Switch.