Die Tischsitten in China sind für uns Nordeuropäer eher fremd und es ranken sich ja auch einige Mythen um die Tischkultur in diesem großen, fremden Land. Wer auf einer privaten Reise Land und Leute entdecken möchte, wird sich vorher mit den wichtigsten Sitten und Gebräuchen auseinandersetzen, lässt aber ansonsten alles entspannt auf sich zu kommen.
Anders sieht es mit beruflichen Beziehungen nach China aus. Hier ist das gemeinsame Essen ein Teil des Geschäfts und es lauern einige Stolpersteine. Diesen Fallstricken komme ich im Interview mit meiner Trainerkollegin Frau Xin Yang auf die Spur.
Frau Yang ist langjährige China-Expertin und Unternehmens-Coach. Sie unterstützt deutsche Unternehmen, damit deren China-Geschäfte den erhofften Gewinn bringen. Genau die Richtige, um alle Fragen zum Thema Tischkultur zu beantworten.
Los geht’s mit der ersten Frage:
Bei uns in Deutschland werden geschäftliche Verhandlungen oft mit einem gemeinsamen Essen abgeschlossen. Welchen Unterschied gibt es dazu in China?
Xin Yang: In China wird während des gesamten Essens verhandelt. Dabei soll es fröhlich, lebhaft und harmonisch zu gehen. Man versucht, einiges aus dem Privatleben der Teilnehmer zu erfahren, um sich ein vollständiges Bild der Verhandlungspartner machen zu können. Es gilt herauszufinden, wie zuverlässig und ehrlich jemand ist. Ein Geschäftsessen dient auch dazu, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Trotzdem sind Verhandlungen der Hauptbestandteil des Banketts. Die Trink-Kultur spielt bei dieser Gelegenheit eine große Rolle. Durch Alkohol ist die Stimmung lebhaft und fröhlicher. So wird auch die Geschäftsbeziehung vertieft.
In wieweit muss ich mich anpassen und worüber redet man, Was sind die No-Gos im Smalltalk?
Xin Yang: Als Gast sollten Sie sich auf die Tischgesellschaft einlassen und möglichst an allen Aktionen teilnehmen. Die Familie hat einen großen Stellenwert. Beantworten Sie also alle Fragen dazu und stellen Sie Ihrerseits Fragen zur Familie der Gastgeber. In China ist man stolz auf seine Familie.
Tabu-Themen sind - ähnlich wie bei uns - Krankheit, Tod und Politik. Verzichten Sie auf Kritik an den Menschenrechten und sprechen Sie nur über Themen, bei denen Sie sattelfest sind. Status spielt eine große Rolle, aber alles wird aber nur indirekt erwähnt. Da spricht jemand über ein teures Hobby oder erzählt von Reisen in ferne Länder. Es ist höflich, auf solche Dinge einzugehen oder sogar die schöne Rolex zu bewundern. Das wird als Anerkennung wahrgenommen.
Welche Rolle spielen Hierarchie-Ebenen (Alter/Position) beim Geschäftsessen?
Xin Yang: Bei einem Geschäftsessen geht es besonders um Ehre und Respekt. Die Begrüßungsregeln sind wie in Deutschland hierarchisch geprägt. Das bedeutet auch, dass die Damen nur ihrem Rang entsprechend begrüßt werden. Die Begrüßungsform ist der (etwas schwächere) Händedruck. Die Sitzordnung beim Essen spiegelt die unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen aller Anwesenden wieder.
In feinen und traditionellen Restaurants findet das Essen in einem separaten Raum statt, damit man ungestört ist. In der Regel gibt es hier runde Tische und der Ehrenplatz befindet sich gegenüber dem Eingang. Der Gastgeber bittet den wichtigsten Gast rechts von sich Platz zu nehmen.
Daneben kommt der zweitwichtigste Gastgeber. Der zweitwichtigste Gast sitzt links vom wichtigsten Gastgeber. Die weiteren Gäste werden nach Rang und Wichtigkeit jeweils rechts und links daneben platziert. Der Gastgeber, der mit dem Rücken zum Eingang sitzt, ist der rangniedrigste.
Wie sehen die Unterschiede zu deutschen Geschäftsessen aus?
Xin Yang: Beim chinesischen Geschäftsessen (Bankett) gibt es unterschiedliche kalte Vorspeisen, danach werden verschiedene warme Gerichte serviert. In der Folge gibt es kleine Köstlichkeiten, Suppen und der letzte Gang besteht meistens aus leichten Früchten. Die Gerichte werden vom Gastgeber für das gesamte Bankett ausgesucht.
Anders als bei uns kommt die Suppe fast zum Ende des Essens.
Alle Gerichte werden in der Mitte des Tisches auf einer Drehplatte platziert. Jeder nimmt sich etwas davon und legt es in seine Schale des Gedecks. Aus dieser Schale wird gegessen. Unter der Schale steht normalerweise ein Teller, der für Abfall oder Knochen gedacht ist.
Gegessen wird traditionell mit Stäbchen; auch Ungeübte sollten das wenigstens probieren. Danach, wenn es nicht klappt, darf man durchaus nach einem Löffel fragen.
Es gibt häufig zwei Sorten Servietten; eine Stoffserviette, die mit der Spitze unter dem Teller geklemmt wird und so die Tischdecke schützt und eine Papierserviette, die zum Reinigen des Mundes gedacht ist. Gibt es nur eine Stoffserviette wird sie für den Mund benutzt.
Aus Suppenschalen wird traditionell getrunken – es gibt aber auch spezielle Porzellanlöffel.
Als Gast soll man prinzipiell von jeder Speise probieren; was einem nicht schmeckt, kann am Tellerrand liegengelassen werden. Offenheit für fremde Speisen kommt gut an
Der Gastgeber erklärt seinen Gästen die Zubereitung oder das Besondere an den einzelnen Speisen. Es ist höflich sich dafür zu interessieren und auch nachzufragen. Bei zurückhaltenden Gästen nötigt der Gastgeber sich zu bedienen.
Was sind absolute No-Gos bei Tisch
Xin Yang: Die Reihenfolge beim Beginn des Essens spielt eine Rolle: Der wichtigste Gast wählt zuerst eine Speise aus, dann kommt der wichtigste Gastgeber an die Reihe.
Wenn Sie mit jemandem reden, sollten Sie die Stäbchen vorläufig beiseitelegen und nicht wie einen Taktstock schwingen oder damit auf das Gegenüber zeigen. Dafür liegt neben Ihrem Gedeck ein Stäbchenständer, auf dem Sie die Stäbchen ablegen.
Die Stäbchen auf keinen Fall in die Gerichte stecken und auch nicht wie einen Spieß benutzen, um Speisen zu sich zu nehmen.
Die Speisen von der Drehplatte sollten gezielt genommen werden. Das Vermischen oder Umrühren der Speisen in den Schüsseln in der Tischmitte mit den Stäbchen gilt als Fauxpas.
Naseputzen sollte so diskret wie möglich geschehen.
Ein kleiner Anstandsrest sollte in der Schale bleiben und auch von den Speisen in der Mitte sollten Reste liegen bleiben.
Was unterscheidet die deutsche und die chinesische Trinkkultur?
Xin Yang: Die Geräusche bei Tisch sind in China etwas lauter als in Europa. Wer Wert auf Tischmanieren legt, schmatzt aber auch in China nicht.
In China freut sich der Gastgeber besonders, wenn der Gast viel trinkt. Das signalisiert, dass der Gast den Gastgeber besonders schätzt und sich wohl fühlt.
Wenn ein Mann viel trinken kann, wird er in China als guter, fähiger und mutiger bzw. starker Mann angesehen.
Zu jedem Bankett wird Alkohol serviert. Generell gibt es Bier, manchmal auch Rot- und Weißwein. Wenn die Stimmung gut ist, wird auch Schnaps (hochprozentig) zusätzlich bestellt. Die Reihenfolge bestimmt der Gastgeber.
Es werden immer alle Gläser mit Wein oder Bier gefüllt, egal, ob man trinkt oder nicht. Genau wie in Deutschland spricht der Gastgeber einen Trinkspruch an alle aus und trinkt einen Schluck, alle Anwesenden trinken mit. Hier sollte jeder Gast mittrinken.
Es gehört zum Ritual, viele Toasts auszubringen. Auch deshalb wird während eines chinesischen Banketts sehr viel getrunken. Durch Alkohol wird die Stimmung lebhaft und fröhlich und die Beziehung wird vertieft. Die Initiative dazu kommt aber immer von ranghöheren Personen.
Trinksprüche werden auch zwischen zwei Partnern ausgesprochen, dabei wird dann angestoßen. Das Besondere hierbei: Eine rangniedrigere Person darf eine ranghöhere zum Trinken auffordern. Die rangniedrigere Person hält ihr Glas so, dass die Oberkante ihres Glases unter der Oberkante des Ranghöheren liegt.
Auch die Gäste danken durch Zuprosten.
Wer keinen Alkohol trinkt, sollte das unbedingt begründen. (z.B. Medikamenteneinnahme). Lassen Sie sich trotzdem das Glas füllen. Die erste Runde ist in jedem Fall obligatorisch - auch wenn man grundsätzlich keinen Alkohol trinkt. Ein kurzes Nippen am Getränk reicht aber aus.
Bezahlen, Dauer, Gastgeschenke Gegeneinladungen - wie steht es damit
Xin Yang: Es ist nicht immer klar definiert, wer zahlt - aber es gibt eine Faustregel: Wer zu Besuch kommt wird eingeladen. Bei Geschäftsessen sucht der Gastgeber eine Gelegenheit, den Tisch zu verlassen und zahlt. Am Tisch zu bezahlen ist unüblich.
Das Ende des Essens wird mit Bemerkungen wie: “Die Gäste sind sicher müde“ eingeleitet. Möglicherweise wird auch ein letztes Mal das Glas erhoben. Das kann auch von der Gästeseite mit einem Dank verbunden werden. Danach erhebt sich zuerst der Gastgeber, dann die Gäste. Ein Geschäftsessen dauert etwa 90 bis 120 Minuten. Während dieser Zeit bleibt das Essen auf dem Tisch stehen.
Besonders Gäste aus dem Ausland bringen Gastgeschenke mit und überreichen sie dem Gastgeber am Ende des Banketts. Achtung: Bei zu teuren Geschenken kann leicht ein Korruptionsverdacht entstehen.
Falls es die Zeit erlaubt, ist eine Gegeneinladung in ein westliches Restaurant durchaus üblich.
Vielen Dank. liebe Frau Yang für dieses ausführliche Gespräch.
Für alle, die noch spezielle Fragen zu diesem Thema haben, kommt hier die Homepage von Frau Yang: http://www.xin-yang.de/
Ein paar Infos zu deutschen Tischsitten gibt es hier:
http://benehmensberatung.com/gold-regeln/