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Wann geht es wieder los? Fußball-Jugendtrainer und der Umgang mit Corona

Foto: Konho Lee

Fußballtrainerinnen und Trainer träumen wohl oft von besonderen Herausforderungen. Die eigenen Schützlinge noch besser zu machen, die gesteckten Ziele zu übertreffen und den nächsten Schritt in der Entwicklung zu gehen. Was aber, wenn die Herausforderung darin besteht den Trainingsbetrieb in Zeiten einer globalen Pandemie bestmöglich aufrechtzuerhalten? Von Marius Dobers


Zwei Monate lang ruhte der Trainingsbetrieb der Berliner Fußballteams aufgrund der coronabedingten Einschränkungen. Je nach Alters- und Spielklasse entfielen somit im Schnitt zwei bis fünf wöchentliche Trainingseinheiten, zudem das Spiel am Wochenende. Es ist Struktur, die im Alltag fehlt. Gerade für Kinder und Jugendliche bedeuten die regelmäßigen Einheiten die Möglichkeit sich körperlich zu betätigen und sozialen Interaktionen außerhalb des Schulalltags nachzugehen. Mit der Unterbrechung dieser Routine mussten sich viele Trainer neue Trainingskonzepte überlegen. Einer davon ist Konho Lee. Der 28-jährige ist Trainer der U14 von Tennis Borussia und coacht seine Mannschaft seit dem vergangenen Sommer. Ihm war wichtig, dass der neue Trainingsplan nicht zu eindimensional ist: „Fünf bis sechs Wochen nur rennen, das macht ja auch keinen Spaß und das will ich nicht." Gemeinsam mit seinem Athletiktrainer erarbeitete er daher ein Trainingshandbuch, welches sowohl athletische als auch technische Schwerpunkte setzte: „Ich habe mit ihm auch Videos aufgenommen, wie die Übungen durchlaufen werden müssen. Das haben die Jungs dann alle bekommen." Lee hatte in den letzten Jahren bereits Individualeinheiten angeboten. Ein Erfahrungswert, der ihm bei der Zusammenstellung der Übungen zugutegekommen ist. Nachdem es im gesetzlichen Rahmen wieder möglich war, folgten die ersten individuellen Technikeinheiten mit Spielern seines Teams.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Langfristig könnten die Spieler von dem Technikfokus profitieren. Durch den Wegfall von kontaktlastigen Spielformen mussten sich die Spieler auf die individuellen Fertigkeiten konzentrieren: „Es ist jetzt einfach eine Zeit, in der man sehr stark an seiner Technik feilen kann", sagt Lee, der im Jugendbereich u.a. bei Hansa Rostock und Carl Zeiss Jena die Fußballschuhe schnürte. Alle Trainingshilfen, Hinweise auf externe Angebote wie das Online-Training der Plattform KickID und die individuellen Einheiten waren für die Spieler optional. Niemand wurde vom Trainerteam dazu verpflichtet. Lee und sein Stab kontrollierten auch keine Trainingserfolge. Das hatte seinen Grund: „Ich möchte dieses Bewusstsein stärken bei den Jungs, dass sie dieses Training nur für sich selbst absolvieren."

„Diese Emotionen kannst du nicht durch WhatsApp oder Zoom künstlich erschaffen"

Trotz diverser Hilfestellungen seitens des Trainerteams, war das sonst übliche Mannschaftstraining nur schwierig zu ersetzen. „Ich glaube auch, dass du diese sozialen Interaktionen auf dem Platz nicht anders künstlich aufrecht halten kannst. Diese Emotionen kannst du nicht durch WhatsApp oder Zoom künstlich erschaffen.", meint Lee. Das ständige Kontakthalten über WhatsApp, Instagram und Co. sei mit fortschreitender Zeit auch weniger geworden. Umso mehr hätten sich die Spieler über den Start der individuellen Technikeinheiten gefreut. Schließlich bekam man sich wieder zu Gesicht. Generell beschäftigte die Spieler eine Frage ganz besonders: Kann in der aktuellen Saison überhaupt noch regulär trainiert werden? Am 7.Mai gab die Senatsverwaltung für Inneres und Sport darauf eine Teilantwort. Sportvereine dürfen seit dem 15. Mai wieder in Kleingruppen von bis zu acht Personen trainieren. Kontaktlos und im Freien. Seit dem 2.Juni sind sogar 12 Personen erlaubt. Das ist ein Anfang. Eine Rückkehr zum gewohnten Trainingsalltag dürfte aber noch eine Weile dauern. Schließlich sind beim Fußball aufgrund seines Charakters als Kontakt- und Mannschaftssportart deutlich mehr Parameter zu klären als in den Individualsportarten.

Spieler stellen sich die Zukunftsfrage

Neben den Fragen rund um das Teamtraining beschäftigten sich die Spieler aber auch viel mit ihrer eigenen Zukunft. Für gewöhnlich finden derzeit die Weichenstellungen für die kommende Saison statt. Je nach Altersgruppe oder Leistungsvermögen verweilen Spieler in ihren bisherigen Teams oder steigen in der Hierarchie auf, einige müssen sich vielleicht einen neuen Verein suchen. Manche bekommen auch die Möglichkeit angeboten, zu anderen Vereinen zu wechseln. Zwar hat der Berliner Fußball Verband Leitfäden zur Wiederaufnahme der Trainings erstellt, eine finale Entscheidung über die Fortführung des Spielbetriebes ist allerdings noch nicht gefallen. Ohne regulären Saisonabschluss hängen viele Spieler in der Luft. In den vergangenen Wochen suchten Eltern und Spieler daher häufiger das Gespräch mit Lee und haben um Rat gebeten. Diesen Austausch schätzt er ungemein. Er sieht es als Zeichen der gemeinsamen Vertrauensbasis, die man in der Zeit vor der Corona-Krise geschaffen hat.

Abwechslung für das Fußball-Homeoffice

Ein Trainerkollege Lees betreut eine U10 Auswahl im Osten Berlins. Sein Team bekam ebenfalls einen Trainingsplan für das Fußball-Homeoffice. Die meisten seiner Spieler besitzen kein Smartphone. Die Kommunikation lief daher hauptsächlich über die Eltern. Denen empfahl er zudem regelmäßig im Internet nach Fußball-Challenges zu gucken, die in den vergangenen Wochen zuhauf im Netz zu finden waren: „Ich bin vor allem der Toni Kroos-Challenge nachgegangen. Von St. Pauli gab es ebenfalls eine. Die haben jeden Tag eine neue für die kleinen Kinder hochgestellt.", erklärt der Übungsleiter. Es biete zwar Abwechslung, aber am liebsten würden seine Spieler wieder gemeinsam gegen den Ball treten. Die am häufigsten gestellte Frage: „Wann geht es endlich wieder los?"

Fortsetzung folgt?

Auch wenn der Einstieg in das Kleingruppentraining ein erster Schritt in Richtung einer neuen Normalität ist, sind noch einige Fragen offen: Wie organisiert man das Kleingruppentraining, wie steht es um die zeitlichen Kapazitäten von Spielern, Eltern und Trainern? Wird es eine Rückkehr zum Spielbetrieb geben? Falls ja, bis wann wird die Saison verlängert? Konho Lee übernimmt zur neuen Saison die U14 von Viktoria Berlin. Auch er ist auf eine Entscheidung des Berliner Fußball Verbandes angewiesen. Trotz der unklaren Lage sieht Lee die derzeitige Situation im Gesamtkontext: „Ich finde, dass es auf jeden Fall wichtigere Sachen gibt als Fußball, obwohl der Fußball ein sehr großer Teil meines Lebens ist. Trotzdem müssen wir auf die Gesundheit anderer Menschen achten und auch auf unsere eigene." Dass er die Saison mit seiner jetzigen Mannschaft möglicherweise nicht ganz regulär beenden könne, sei zwar traurig, habe aber auch nicht höchste Priorität. Der Berliner Senat hatte angekündigt bei künftig wieder stark steigenden Infektionszahlen bestimmte Lockerungen wieder zurücknehmen zu müssen. Insofern steht die neue Normalität derzeit auf wackeligen Beinen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in den kommenden Wochen entwickelt. Bis es zur Wiederaufnahme des Spielbetriebes kommt, dürfte aber noch einiges an Wasser die Spree hinunterfließen. Es bedarf eines Sicherheits- und Hygienekonzepts, analog zur Bundesliga, die am 16. Mai zum Spielbetrieb zurückgekehrt ist. Doch alleine im Berliner Raum sind rund 400 Vereine mit ca. 3500 Mannschaften im Jugend- und Seniorenbereich gemeldet. Es ist schwer vorstellbar, dass sich dort zeitnah ein entsprechendes Konzept entwickeln lässt, welches der aktuellen Situation gerecht werden kann, ohne kapazitäre oder budgetäre Grenzen des Breitensports zu sprengen. Eines ist aber sicher: Durch die Kleingruppentrainings wird es eine ganze Menge glücklicher Fußballerinnen und Fußballer geben.

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