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Was ist "in" und was ist "out"?

Modewoche in Mailand - Ermenegildo Zegna Quelle: ap

Auf der Mailänder Modewoche präsentieren Topdesigner wie Versace und Jil Sander ihre Modetrends für die kommende Herbst-Winter-Saison. Aber wie entstehen diese Trends eigentlich?

Von Maria Ugoljew

Alle halbe Jahre machen Modetrends neue Schlagzeilen. Magazine wie die Bunte oder InStyle stellen dann ihren Lesern die "Must-haves" der anstehenden Saison vor. Im Frühjahr/Sommer 2018, so erwarten es die Zeitschriften aktuell, trägt frau Stehkragen, Fransen und sowohl knallige als auch zarte Farbtöne. Durchsetzen werde sich außerdem der sogenannte "Naked-Dress" - mit seinen durchsichtigen Schuhen, Röcken und Taschen.

Vieles wiederholt sich

Wer legt diese Trends eigentlich fest? Und was ist von ihnen zu halten? Karin Stark ist der Meinung, sie hätten lediglich eines zum Ziel: den Kunden dazu zu motivieren, sich ein neues Kleidungsstück zu kaufen. "Trends sind verkaufsfördernde Mittel", sagt die Professorin im Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik an der Hochschule Niederrhein. "Und viele von ihnen kommen stets wieder." Dass Tansparenz in diesem Jahr wieder "in" sei, überrasche sie überhaupt nicht. Trend- oder Materialthemen würden sich alle sieben Jahre wiederholen, denn das sei der Rhythmus von Konsumententrends. "Farben hingegen werden saisonal neu entwickelt", sagt die Expertin. Welche Farbe oder welcher Stoff eine Saison prägt, das entscheidet und plant die Branche weit im Voraus, erklärt die Modegestalterin. An dem Prozess beteiligt seien: Trendagenturen, Modeinstitute, Textil- und Bekleidungshersteller sowie Vertreter der Textilchemie. "Sie bilden interdisziplinäre Arbeitsgruppen, um gemeinsam den Verkaufserfolg zu analysieren und Prognosen für die geplante Saison aufzustellen", sagt Stark.

Farbkarten, Stoffkollektionen und Stylingprognosen

Nach mehreren Treffen stünden die neuen Trends für die Saison fest - und der nächste Schritt könne beginnen: Die Hersteller entwickeln Farbkarten und Stoffkollektionen, die dann auf internationalen Textil- und Garnmessen den Modeunternehmen vorgestellt werden. "Vor allem klassische Konfektionäre kaufen auf den Messen ein, Ketten lassen hingegen gern in China nachmustern", sagt Karin Stark.

Parallel zu den Material- und Farbtrends entwickeln Trendagenturen und Modeinstitute Styling-Prognosen. Dabei beobachten sie allgemeine Modeentwicklungen der Streetwear genauso wie Modenschauen der Topdesigner. Was passiert in der Haute Couture, das heißt der maßgeschneiderten, individuellen Mode? Welche Entwicklung gibt es in der Prêt-à-porter-Mode, das heißt der Kleidung, die in Standardgrößen für den Markt produziert wird? Alle Beobachtungen fließen in die Analyse, die wiederum an Modeunternehmen - vor allem an Ketten wie Esprit, H&M und Co. - verkauft werden.

"In der Branche werden viele Ideen nachgeahmt und geklaut", sagt Stark. Preisgünstige Kopien von Designermode seien deshalb manchmal sogar schneller im Handel als die Kollektionen der Designer selbst in den entsprechenden Boutiquen.

Stilpluralität und Dresscodes

Welcher Trend sich letztendlich durchsetzt, bleibt dennoch ein "ziemlich chaotischer Prozess", meint Stark. Was akzeptiert der Markt, das heißt die Masse? Das könne im Vorfeld niemand eindeutig vorhersagen. Prominente Personen, Mode-Blogger, Zeitschriften, Filme - all diese Faktoren nehmen Einfluss auf die Entwicklung.

Die Kunden entscheiden am Ende selbst, was sie tragen wollen. "Sie sind nicht gezwungen, Trends zu befolgen", sagt Karin Stark, "vielmehr leben wir in Zeiten von Stilpluralität. Das war in den 1960ern mal anders, da mussten alle Frauen einen Mini tragen, als er 'in' war." Dennoch sei der Mensch in seiner Entscheidung, zu welchem Kleidungsstück er wann greift, nicht total frei. "Es herrschen bestimmte Dresscodes. Ich kann meine Vorlesung zum Beispiel nicht in einer zerrissenen Jogginghose halten."

Gesättigter Markt

In Deutschland hat Mode einen hohen Stellenwert. Laut Statistischem Bundesamt werden für Schuhe und Bekleidung jährlich mehr als 70 Milliarden Euro ausgegeben. Das größte Einzelsegment stellt dabei Bekleidung für Damen dar, das mit geschätzt rund 25 Milliarden Euro zu Buche schlägt. "Der Modemarkt ist eigentlich ziemlich gesättigt", sagt Stark. "Saisonale Mode braucht niemand. Dennoch verführt uns die Branche zum Kauf."



(VÖ heute.de, 13.1.2018)

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