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Organspende-Tattoo: Ein Zeichen fürs Leben

Tätowierer Tobias Hilfenhaus bekommt mehrere Anfragen am Tag. © Tobias Hilfenhaus

Die Zahl der Organspenden in Deutschland nimmt ab. Mit einer Tätowierung können Menschen ihre Zustimmung signalisieren. Für Angehörige kann das im Todesfall eine Hilfe sein.


Zwei Halbkreise, die in einen kompletten Kreis übergehen - dieses Zeichen stechen immer mehr Tattoo-Künstler:innen in Deutschland kostenlos. Das Symbol soll die Bereitschaft zur Organspende signalisieren - beinahe so etwas wie ein tätowierter Organspendeausweis.

„Mit den zwei Halbkreisen, die zu einem Ganzen zusammenfinden, wollen wir die Organspende symbolisieren", sagt Anna Barbara Sum. Sie ist Mitgründerin des Vereins Junge Helden, der sich seit 20 Jahren für das Thema Organspende einsetzt. „Auch in der Organspende kommen zwei Menschen zusammen." Die Buchstaben O und D für das englische Wort für Organspende - „organ donation" - ließen sich in dem Zeichen ebenso finden, sagt sie.

Einer der ersten Träger ist Wilson Gonzales Ochsenknecht, der sich das Tattoo bei der Jubiläumsfeier und dem Kampagnen-Start des Vereins in Berlin hat stechen lassen. Mehr als 50 Studios in Deutschland beteiligen sich inzwischen an der Kampagne von Junge Helden. Das Zeichen ist so entworfen, dass es in Größe und Stil angepasst oder in bereits vorhandene Tattoos integriert werden kann. Entworfen hat es Tattoo-Artist Gara.

In Deutschland geht die Zahl der Organspenden immer weiter zurück. 2022 gab es laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation einen Rückgang bei der Bereitschaft zu Spenden um 6,9 Prozent. Demnach haben im vergangenen Jahr 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet - 64 weniger als im Vorjahreszeitraum. Auf eine Million Einwohnerinnen und Einwohner kommen damit nur rund zehn Spendende. Zu Beginn des Jahres hat auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an der in Deutschland geltenden Zustimmungsregel gerüttelt und sich für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Die Widerspruchslösung bedeutet, dass davon ausgegangenen wird, dass alle Menschen bereit sind, ihre Organe zu spenden - es sei denn, sie widersprechen dem ausdrücklich.

Diesem Ansatz schließt sich grundsätzlich auch der Verein Junge Helden an. „Bei der aktuellen Gesetzeslage ist zwar jeder potenzieller Organempfänger. Man wird jedoch nicht einmal mit der Frage konfrontiert, ob man auch Organe spenden möchte oder nicht", sagt Sum. „Mit der Widerspruchsregelung könnte das geändert werden."

Die Tattoo-Kampagne von Junge Helden arbeitet mit der aktuellen Gesetzeslage. Der Kampagnennamen „OptInk" ist ein Wortspiel aus der englischen Bezeichnung der Zustimmungsregel „opti-in" und „Ink" für Farbe. Wer das Tattoo trägt, signalisiert die eigene Zustimmung. Die wird bislang mit dem Organspendeausweis gezeigt. Daran ändert sich auch nichts, denn das Tattoo kann den Ausweis nicht ersetzen. Dennoch könne mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Tattoo-Träger:innen sich intensiv mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt haben, sagt Florian Raimann, Transplantationsbeauftragter am Universitätsklinikum Frankfurt. „Im Falle der Konstellation, dass Angehörige die Entscheidung zur Organspende treffen müssen, kann ein Tattoo aber sicherlich ein relevanter Mosaikstein in der Entscheidungskette sein, der den Angehörigen einen wichtigen Anhaltspunkt in Bezug auf die Einstellung des Trägers gibt", sagt er. Denn liegt von der verstorbenen Person zu Lebzeiten keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung zur Organspende gefragt.

Kritisch sieht er das Tattoo bei Meinungsänderungen. „Ein Entfernen, sollte sich die Einstellung der Person geändert haben, ist durchaus schwieriger, durch Laserentfernung beispielsweise. Andernfalls müsste das Tattoo verfremdet werden", sagt er. Hier sieht der Experte den besseren Nutzen beim Organspendeausweis und der Patientenverfügung.

„Es ist ein Statement und eine Willenserklärung und kein amtliches Dokument", sagt Sum. „Es soll anregen, mit dem Umfeld und Angehörigen über das Thema Organspende und wie man selbst dazu steht zu sprechen." Dies ändere, dass Angehörige nicht Bescheid wissen und im Zweifel die Organspende ablehnen. „Über Tattoos wird geredet, weil sie sichtbar sind und nicht wie der Organspendeausweis im Geldbeutel versteckt", sagt sie. Den Organspendeausweis solle man dennoch bei sich tragen. Der Verein arbeitet auch daran, dass das Personal in Krankenhäusern das Zeichen kennt und im Notfall Angehörige darauf anspricht.

Tobias Hilfenhaus empfiehlt, das Tattoo sichtbar auf dem Handgelenk oder dem Arm zu tragen. Der Tätowierer hat einen alten Wohnwagen zu seinem Studio umgebaut. Darin hat er im vergangenen Jahr im Hessischen Freigericht und im Sommer auf vielen Festivals rund 300 Tattoos gestochen. Eine Kundin hatte vor einem Monat bei ihm angefragt, ob er das Organspende-Tattoo macht. Da Tobias selbst an Krebs erkrankt war und seine Frau Carina bereits zwei Herzstillstände hatte, war für ihn klar, dass er die Aktion unterstützt.

Jetzt bekommt er täglich zwei oder drei Anfragen für das Tattoo. „Es hat sich eine Mutter gemeldet, deren Tochter bereits zwei Organtransplantationen hatte", sagt Tobias. Normalerweise würde ein Tattoo mit dem Aufwand wie das Organspende-Zeichen bis zu 90 Euro kosten. Damit es am Ende nicht am Geld scheitert, sind die Tattoos kostenlos. Deshalb versucht er die Termine immer wieder aufzunehmen. Andere Tätowierer:innen bieten ganze Tage für das Organspende-Tattoo an. „Je mehr sich beteiligen, umso besser", sagt Tobias und wünscht sich mehr Künstler:innen, die die Aktion unterstützen.

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