Maxine Kazis ist erst 26 Jahre alt, hat aber schon einige Stationen in ihrem Leben hinter sich. Ihr großer Traum war es immer Ballerina zu werden. Ein Traum, den sie nach einer Fehlbehandlung einer Verletzung aufgeben musste, da sie nicht mehr in der Lage ist zu tanzen. Der Grund für die Verletzung? Sie hatte kaum noch Kraft, weil sie aufgehört hatte zu essen. Wir haben sie getroffen und sie hat uns ganz offen von ihrer Essstörung erzählt und warum ihre Tanzlehrer zwar davon wussten, aber nichts dagegen unternahmen.
Frage: Frau Kazis, bevor Sie in die Musik gegangen sind, tanzten Sie Ballett.
Maxine Kazis: Ja, ich habe mit vier Jahren angefangen, da geht die Ballettausbildung für gewöhnlich los. Das erste Jahr geht man in die Rhythmik, das ist die Vorstufe vom Ballett und mit fünf Jahren habe ich dann richtiges Ballett angefangen. Das habe ich dann gemacht bis ich 14 war. Da hatte ich dann keine Lust mehr auf Ballett und bin auf Hip-Hop umgestiegen. Mit 16 bin ich allerdings wieder zurück und habe dann Ballett getanzt, bis ich aufgrund einer Verletzung nicht mehr weitermachen konnte.
Frage: Was war das für eine Verletzung?
Kazis: Ich hatte beim Tanzen kaum noch Kraft, weil ich zu dem Zeitpunkt nichts mehr gegessen habe. Bei einem Sprung bin ich dann umgeknickt und dabei sind alle Bänder gerissen. Diese Verletzung wurde von meinem damaligen Arzt falsch bzw. gar nicht behandelt. Er meinte nur: 'Nimm zehn Tage lang Ibuprofen 800 und dann geht das wieder' - und als ich mich nach diesen zehn Tagen wieder auf die Spitzen gestellt habe, ist ein Teil von meiner Ferse abgebrochen. Das konnte man nicht mehr operieren. Danach konnte ich nie wieder tanzen.
Frage: War für Sie Musik auch schon davor ein Thema?
Kazis: Ja, ich habe schon immer gerne gesungen, meine Mutter war Opernsängerin. Ich habe viele Instrumente gelernt und eigene Songs geschrieben. Aber meine große Liebe war trotzdem immer das Tanzen.
Frage: Ihr Song Hinfalln Aufstehn Weitertanzen handelt von Ihrer Essstörung, die Sie während der Ballett-Zeit hatten. Wie hat sich das entwickelt?
Kazis: Ich glaube, dass diese Essstörung schon ziemlich früh in mir drin war. So mit 12 oder 13 bin ich in die Pubertät gekommen und viele in meinem Umfeld haben zu der Zeit eine Diät gemacht. Das war fast schon ein normaler Zustand und das habe ich dann auch so verinnerlicht. Zum Ausbruch kam das aber erst während meiner Tanzausbildung. Da stand ich auf einmal neben spindeldürren Ballerinas. Ich bin aber von Natur aus nicht so dünn gebaut und wenn man sich dann am Tag zwischen sechs und acht Stunden beim Tanzen im Spiegel sieht, fängt man an, sich mit anderen zu vergleichen. Mit 18 hatte ich dann einen Partner, der mir gesagt hat, ich solle mehr abnehmen und der auch darauf geachtet hat, dass ich am Abend keine Kohlenhydrate esse - da wurde es recht schnell krankhaft. Als erstes habe ich aufgehört zu essen, bis ich dann keine Kraft mehr hatte, anfing zu zittern und ganz viele Haare verlor. Dann habe ich eine Therapie gemacht und hatte schließlich einen Rückfall, was bei Essgestörten ziemlich oft vorkommt. Das war der Moment, in dem ich dann auch angefangen habe zu brechen. Als das wegen der ganzen Säure auf meine Stimme schlug, habe ich damit wieder aufgehört.
Frage: Ging das so einfach?
Kazis: Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr hätte tanzen können, wenn ich nicht aufgehört hätte und weil ich das Tanzen so sehr geliebt habe, war das eine große Motivation für mich. Aber einfach war es nie.
Frage: Wussten Ihre Tanzlehrer von der Essstörung?
Kazis: Ja, bestimmt. Es ist aber in der Tanzausbildung relativ normal, dass so etwas vorkommt. Wir waren sechs Mädels und davon hatten fünf eine Essstörung. Es gab dann zwar oft Abende, an denen uns gesagt wurde: 'Leute das geht nicht, ihr braucht Energie zum Tanzen', aber das brachte nicht viel. Wir hatten dann auch Ernährungsworkshops, die total blöd waren. Da haben die Ernährungsexperten uns nämlich erzählt, dass wenn wir wirklich gesund abnehmen wollen, wir doch einfach die Kohlenhydrate weglassen sollten. Was ja nun wirklich der falsche Ansatz ist.
Irgendwann hat mein Schulleiter meine Essstörung bemerkt und ich wurde von der Schule weggeschickt. Da war ich aber auch gar nicht mehr richtig bei mir. Ich wollt einfach nur immer weiter und weiter tanzen - egal wie. Auch noch mit der Verletzung.