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Sexismus an der Universität - Ein strukturelles Problem?

Trotz eisiger Kälte und schneidendem Wind hatten sich am Dienstagnachmittag rund 300 Studierende vor dem Präsidium der Goethe-Universität versammelt. Es ging um Themen, über die nicht nur an der Universität seit einiger Zeit wieder kontrovers diskutiert wird: Sexismus, sexuelle Gewalt und „patriarchale Machtstrukturen".


Auslöser für die Kundgebung war ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in dem gegenüber einem Dozenten und dem Gleichstellungsbüro der Universität schwere Vorwürfe erhoben wurden und die auch auf der Kundgebung wiederholt werden. So habe das Gleichstellungsbüro nicht auf E-Mails reagiert, Termine seien zögerlich oder gar nicht vergeben worden und es soll mit „ernsten Konsequenzen" für die Betroffenen gedroht worden sein, falls diese den Vorgang öffentlich machen.


Universität soll nicht in ein schlechtes Licht gerückt werden

In einer Stellungnahme vom 3. Januar hatte das Präsidium die Vorwürfe abgestritten und den beiden Studentinnen vorgeworfen, der Gleichstellungsbeauftragen Worte in den Mund zu legen und unzutreffende Behauptungen aufzustellen. Derzeit steht Aussage gegen Aussage. Wie nimmt der Allgemeine Studierenden Ausschuss (Asta) die Situation wahr?

"Uns ist es wichtig, dass sich an den Strukturen etwas ändert." - Asta-Mitglied Clara Mißbach

„Das wollten wir eigentlich vermeiden. Uns ist es wichtig, dass sich an den Strukturen etwas ändert. Der Vorfall ist einer von vielen und wir nutzen ihn jetzt als Ausgangspunkt, um unsere Forderungen vor das Präsidium zu tragen. Wir haben das Gefühl, dass das Präsidium uns nur beruhigen will und den Fall runterspielen möchte", erläutert Asta-Mitglied Clara Mißbach. Trotzdem gehe es nicht darum, die Universität in ein schlechtes Licht zu rücken oder allein das Gleichstellungsbüro zu kritisieren. Vielmehr soll das Problem des Sexismus an der Universität bekämpft werden. Denn „in einer Gesellschaft, die patriarchal Aufgebaut ist" gibt es auch an der Universität „geschlechterbasierte Machtverhältnisse".


Auch männliche Studierende beteiligen sich an der Demonstration

Einen ähnlichen Tenor haben auch die Redebeiträge. Immer wieder wird betont, dass Sexismus ein gesellschaftliches Problem ist und das es darum ginge, die zugrunde liegenden Selbstverständlichkeiten zu ändern. Es solle „unmöglich werden, Sexismus auszuleben", wie eine Rednerin von fantifa.frankfurt, einer „queerfeministischen" Antifa-Gruppe, klar macht. Nach den Redebeiträgen formiert sich noch eine Spontandemonstration, die vom Campus Westend zur Alten Oper zieht.

„Gerade als Mann, der von patriarchalen Strukturen profitiert, kann man sich dafür einsetzen, Veränderungen zu erreichen." Matthias, Teilnehmer der Demonstration

Unter den Demonstrierenden sind auch viele Männer. Einer von ihnen ist Matthias. Seiner Meinung nach sollten sich gerade Männer mit dem Thema Sexismus auseinandersetzten: „Das ist ein gemeinsames Problem, was auch gemeinsam angegangen werden muss. Gerade als Mann, der von patriarchalen Strukturen profitiert, kann man sich dafür einsetzen, Veränderungen zu erreichen." Denkt er, dass sich die Verhältnisse wirklich ändern? „Ich glaube, dass von der Basis [der Studierendenschaft, Anm. d. Red.] aus Druck gemacht werden kann. Ob und wie sich was ändert, das wird die Zukunft zeigen."


Goethe-Universität hinterfragt Strukturen

Dass sich etwas ändern soll, davon scheint auch das Präsidium der Goethe-Universität überzeugt. In einer Pressemitteilung zum Vorwurf, dass die Hilfe des Gleichstellungsbüros nicht schnell und umfassend genug erfolgte, heißt es: „Das Präsidium nimmt diese Kritik sehr ernst. Es erkennt an, dass sich die bereits an der Goethe-Universität bestehenden Angebote für Opfer sexueller Übergriffe weiter verbessern und besser darstellen lassen." Ähnlich sieht es die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Anja Wolde in einem Interview auf der Website der Universität:

„Wir sehen die entstandene Öffentlichkeit auch als etwas Konstruktives." - Dr. Anja Wolde, Gleichstellungsbeauftragte der Goethe-Universität

„Wir sehen die entstandene Öffentlichkeit auch als etwas Konstruktives. Sie gibt der ganzen Universität einen weiteren Anstoß, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für uns bedeutet das, in den verschiedenen Gremien unsere bestehenden Beratungsstrukturen kritisch zu beleuchten und Verbesserungen weiter zu treiben." Auch der für Gleichstellung zuständige Vizepräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff sieht noch Bedarf: „Ich bin der Überzeugung, dass wir gerade in den vergangenen zwei Jahren einiges verbessert haben, aber dies ist natürlich nicht genug. Die Ausarbeitung eines Beratungskonzepts im Falle der Diskriminierung und die Verbesserung der Strukturen ist ein Arbeitsauftrag an die Antidiskriminierungsstelle."


Nicht äußern wollte sich die Universität zu den rechtlichen Schritten, welche das Präsidium jetzt gegen die Berichterstattung in der FAZ unternimmt. Ebenso wenig ging sie auf die Frage nach der derzeitigen Situation ein, dass immer noch die Aussagen der beiden Studentinnen gegen die der Universität und des Gleichstellungsbüros stehen.

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