Über Weihnachten hatten wir euch gefragt, wie ihr die Nacht des Jahreswechsels verbringen werdet. Die meisten hatten „Raclette und Bleigießen" eingeplant: 40 Prozent wollten es eher gemütlich angehen lassen. Fast einem Drittel (30 Prozent) war selbst das noch zu viel: „Runtergelassene Rollläden und früh schlafen gehen" war die mit Abstand zweitbeliebteste Option für Silvester. Etwa gleich auf lagen die Partygänger unter euch. Mit 16 Prozent lag „Disco und hoch die Tassen" knapp vor dem Gang zum „Eisernen Steg und Feuerwerk" - 13 Prozent von euch wollten sich am Main vom Lichterzauber beeindrucken lassen.
Wie die meisten von Euch, hat es auch André mit Freunden gemacht. Er hat die Silvesternacht in seiner WG im Gallus mit einem reich gedeckten Tisch verbracht. Zwar war das Raclette ausgefallen, aber davon haben sich die Freunde nicht abschrecken lassen: „Wir schmeißen jetzt einfach alles in eine große Pfanne, statt in viele kleine." Gebratenes Hühnchen, Kartoffeln, Knoblauchsauce, frisch aufgebackenes Brot und allerlei andere Beilagen sind aufgetischt. Die ganze Wohnung duftet nach Essen, Besuch ist auch da, es wird eng im Gemeinschaftszimmer. Trotzdem finden alle Platz auf Sesseln, Sofas und Stühlen. Draußen werden schon jetzt Raketen gezündet. Es wird geplaudert, die Stimmung ist gut. Die Gruppe am Tisch hat noch Pläne für heute Abend: „Wir haben einiges an Feuerwerk, vielleicht gehen wir später noch auf eine Party im Bahnhofsviertel", erzählt André.
Dort, im Bahnhofsviertel, hat das Feiern bereits angefangen. Im Bahnhof ist es ebenfalls voll, es wird gerannt und gelacht. Nur zwei Stunden vor Mitternacht strömen Massen von Menschen durch die große Eingangshalle. Vom Abendkleid bis zur Jogginghose ist alles vertreten. Ein etwas anderes Outfit trägt eine Gruppe Bundespolizisten. Die fünf sind mit Maschinenpistolen, schusssicheren Westen und Stahlhelmen ausgestattet. Überall sind weitere Beamte mit Einsatzplänen und Funkgeräten zu sehen. Die Behörden sind offenbar auf das Schlimmste vorbereitet.
Sabrina macht es heute wie viele Merkurist-Leser. Sie bleibt zu Hause. Bei ihr sind Hunter und Wendy, zwei Hunde, keine großen Fans des Feuerwerks. Um die zwei abzulenken läuft Game of Thrones. Sonst würden die beiden bei jedem Knall bellen. Wendy hat ständig die Ohren gespitzt, auch Hunter wirkt nervös. Besonders das Gassigehen war anstrengend: „Wir sind nur ein paar Meter die Straße runter. Und bei jedem Schritt habe ich sie gelobt, damit sie sich nicht zu sehr fürchten." Für heute Abend haben die drei nichts mehr geplant, es soll möglichst entspannt bleiben.
Den absoluten Kontrast zu einem entspannten Abend bietet gegen 23 Uhr die Innenstadt. Während es an der Alten Oper und in der Fressgass' noch eher gemütlich zugeht, herrscht an der Hauptwache bereits jetzt Ausnahmezustand. Starke Polizeikräfte sind vor Ort, sogar ein Wasserwerfer steht bereit. Es knallt, es raucht und blitzt zwischen dem gelben Schein der Straßenlaternen. Immer wieder gibt es Personenkontrollen und Feuerwerk wird beschlagnahmt. Besonders wenn es nicht Richtung Sternenhimmel, sondern auf Passanten, geschossen wird, greifen die Sicherheitskräfte konsequent ein. Lautsprecheranlagen sind aufgebaut, mit einem mehrere Meter hohen Kameramast haben Polizisten die Lage stets im Blick.
Ein paar Schritte weiter hat sich vor der Filiale einer Fast-Food-Kette eine lange Schlange gebildet. Der Burgerbrater liegt an der Hauptschlagader der nächtlichen Menschenströme zwischen Hauptwache und Main. Viele der Feierlustigen zieht es Richtung Römerberg. Schon an der Paulskirche ziehen Rauchschwaden umher, kurz darauf wird klar, warum. Zwischen Rathaus und Alter Nikolaikirche wird schon eine gute halbe Stunde vorm Jahreswechsel ausgiebig Pyrotechnik gezündet. Überall werden Handyvideos gedreht, die Begeisterung ist groß. Rund um den Minervabrunnen hat sich eine Freifläche gebildet. Hier hat sich der Rauch zum Nebel verdichtet. Explosionen hallen zwischen den Fachwerkfassaden wider, immer wieder ertönt Jubel, wenn ein besonders beeindruckender Funkenregen niedergeht. Manchmal fliegen die Funken allerdings in die Menschenmenge. Immer wieder muss die Polizei darauf hinweisen, dass nicht auf Personen gezielt werden soll. Trotzdem müssen Passanten weiterhin Geschossen ausweichen.
Kein Wunder also, dass es viele in die Sicherheit der Schutzzone rund um den Eisernen Steg und das umliegende Ufer zieht. Ein Lichtmast ist aufgebaut, der Platz vor dem Steg hell erleuchtet, die Lampen auf der Brücke selbst sind ausgeschaltet, damit das Feuerwerk besser zu sehen ist. Bis kurz vorm Jahreswechsel herrscht ständiges Kommen und Gehen. Raketen gibt es hier allerdings nicht. Im Sicherheitsbereich sind heute Nacht nur Wunderkerzen erlaubt. Hier feiern Shane, Marla, Nicki und Conny. Shane lebt in Frankfurt und arbeitet als Lehrerin an einer internationalen Schule. Marla und Conny besuchen ihre Freundinnen. Sie sind für die Silvesternacht extra aus Texas angereist. Gefällt es ihnen in Frankfurt? „Es ist toll, jetzt warten wir auf das Feuerwerk!" Wie sie machen es zwischenzeitlich bis zu 5000 Besucher in der Sicherheitszone und auf dem Eisernen Steg. Dieser ist zum Bersten gefüllt, gemütlicher ist es da an den Ufern oder auf einem der Ausflugsschiffe, die kurz vor Mitternacht unter dem Steg vor Anker gegangen sind.
Als die Uhr Punkt null zeigt, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Jubel ertönt, sogar viele Polizisten wirken etwas entspannter, einige umarmen sich. Sektkorken knallen und Plastikbecher werden befüllt. Wer bis jetzt durchgehalten hat - und das haben nicht alle, schon lange vorher waren einzelne „Alkoholleichen" in der Stadt zu sehen gewesen - kann bei milden Temperaturen und ohne Regen einen beeindruckenden Lichterzauber vor Frankfurts Skyline genießen.
Schon eine gute halbe Stunde nach Jahreswechsel leert es sich am Main. Für viele geht es jetzt noch auf Partys, einige machen sich auch schon wieder auf den Weg in ihre Hotels und Wohnungen. Auch unser Streifzug durch die Silvesternacht geht damit zu Ende. Alles in allem war es eine ruhige Nacht, wie Feuerwehr und Polizei mitteilen. Trotz 31 Festnahmen und Ingewahrsamnahmen, einigen Bränden und körperlichen Auseinandersetzungen, weiß das Polizeipräsidium von keinen schwerer verletzten Personen zu berichten. Bis zum Montagabend waren keine Strafanzeigen wegen sexueller Belästigungen eingegangen. Ganz gleich, wie Ihr Eure Silvesternacht verbracht habt, wir hoffen, dass Ihr gut ins neue Jahr gekommen seid und freuen uns auch 2018 auf viele spannende Geschichten von und für Euch.
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