In 65 Jahren erlebte der BC Höhen und Tiefen, konnte die Rahmenbedingungen für Boxinteressierte aber stets verbessern - und steht im Jubiläumsjahr erneut vor großen Herausforderungen.
Ein Sport der Reichen war Boxen nie, und das sollte dem BC Ingolstadt zu seiner Gründungszeit zugute kommen: 1954 versammelten sich 53 Boxinteressierte im damaligen Schäffbräu-Keller und gründeten den Verein, der perfekt in den Zeitgeist passte. "Es gab ja nichts, nur Fußball und Boxen", erinnert sich Ehrenpräsident Alois Finkenzeller (kl. Foto), der im Gründungsjahr des BC geboren ist. "Deutschland war damals eine Boxmacht", ergänzt Finkenzeller, und hebt die Auswirkung der Erfolge von Max Schmeling in den 1930er Jahren hervor. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatten viele Menschen nicht genügend Mittel, um einen finanziell aufwendigeren Sport zu betreiben, und fanden ihre Erfüllung im Boxen. Mit fünf D-Mark Aufwandsentschädigung pro Einsatz bei Wettkämpfen gestaltete sich der Anreiz für eine professionellere Karriere zwar noch recht bescheiden, und doch bestritten Athleten des BC bereits im ersten Jahr 14 Vergleichskämpfe - keiner davon wurde verloren. Die Infrastruktur kann derweil als ausbaufähig beschrieben werden: Für den ersten offiziellen Kampf im Juli 1954 hatte der BC noch keinen eigenen Ring und musste diesen von Gegner BC Heros Regensburg ausleihen. Auch die Trainingsbedingungen waren anfangs eher beschränkt: Eine eigene Trainingshalle stand dem BC nicht zur Verfügung, stattdessen nutzte der Klub die Räumlichkeiten des ESV Ingolstadt, der seine Trainingshalle einmal pro Woche abstellte. Um ein professionelleres Training anbieten zu können, nutzten die Sportler des BC für einen zweiten Trainingstag zudem den Schulhof der Pestalozzischule. Das jedoch mehr schlecht als recht: Die Boxsäcke wurden an Bäumen befestigt, geduscht wurde mit Eimern. Und doch wurde das Angebot gerne genutzt, zumal das Boxen auch Reisen ins Ausland ermöglichte, die sich viele ansonsten nicht hätten leisten können. "Es war eine Möglichkeit, mal rauszukommen", erzählt Finkenzeller, der die Anfangszeit bis etwa Anfang der 1970er Jahre für die erfolgreichsten des BC hält. In diese Phase fallen etwa der Meistertitel von Horst Müller, der direkt im Gründungsjahr Bayerischer Vizemeister im Junior-Halbmittelgewicht wurde, oder der deutsche Meistertitel von Hans Regner, den er 1960 ebenfalls im Junior-Halbgewicht holte. 1968 war Johann Klasek Teil des Olympia-Kaders von Mexiko. "Boxen hat geboomt, die Leute wollten das sehen. Der Unterhaltungswert war riesig, und es hat keinen Eintritt gekostet. " Auch im Rahmen des traditionellen Festzeltboxens konnten ab 1964 Sportbegeisterte einige genügsame Stunden verbringen, während die Sportler eine Plattform bekamen.
An den Anforderungen für eine Boxausrüstung hat sich in all den Jahren wenig geändert, doch die Sportszene entwickelte sich und brachte neue Konkurrenz. Finkenzeller entsinnt sich dreier Phasen des Vereins, wo dieser einen gewissen "Aderlass zu verkraften hatte". Die erste Phase begann Ende der 70er Jahre, als "Boxen nicht mehr en vogue" war. Denn in der breiten Bevölkerung hatte sich mittlerweile ein gewisser Wohlstand entwickelt, und die Kinder des Mittelstandes spielten fortan Tennis. "Wenn der Bubi mit einem blauen Fleck nach Hause kam, hat die Mutti geschimpft", erinnert Finkenzeller an den Zeitgeist dieser Epoche. "Wir waren darauf stolz", meint er mit Blick auf beim Sport entstandene Blessuren. Zudem hätten viele Leute erst einmal erkennen müssen, "dass Boxen keine Prügelei ist". Auch der Fußball wurde attraktiver, weil sich langsam die vorher üblichen Ascheplätze in Rasen wandelten, sodass sich viele Jugendliche lieber für diesen Sport entschieden. "Deshalb gab es einen Durchhänger, aber das Boxen wurde wieder aufgebaut", meint Finkenzeller, und bezieht sich dabei auch auf den Bau des ersten eigenen Trainingszentrums des BC, der 1978 von den Mitgliedern "mit Schaufel und Picke" errichtet wurde. 1980 wurde ein weiterer Raum errichtet. Die Möglichkeiten des BC besserten sich, doch die zweite kritische Phase des Vereins folgte Anfang der 2000er Jahre. Zu dieser Zeit etablierte sich das Kickboxen und wurde zum Konkurrenten für das klassischen Boxen, da die Chancen auf einen Titel wesentlich höher seien, wie Finkenzeller meint. "Die haben richtig Leute abgezogen vom Boxen", sagt Finkenzeller und weist beispielhaft auf den Ingolstädter Dardan Morina hin, der zunächst mit dem Boxen begann, dann aber vor allem als Kickboxer viele Erfolge verbuchte. Vor 16 Jahren schließlich übernahm Finkenzeller den Vorsitz und "krempelte den Verein um", die Infrastruktur wurde noch einmal besser. Dies verhinderte jedoch nicht den dritten großen Aderlass, der sich seit 2018 bis heute abzeichnet. Unter dem Trainer Ramil Fatullaew, der bei GW Ingolstadt eine neue Boxabteilung gründete, verließen diverse Sportler den BC und hinterließen eine große Lücke. "Das ist ein Riesenverlust. Es ist schade, wenn man Leute verliert und wieder etwas aufbauen muss", sagt Finkenzeller.
In den vergangenen Jahren hat der Verein ordentlich aufgerüstet: Ein neuer Boden wurde verlegt, da sich der alte aus Beton schlecht fürs Seilspringen eignete, dazu kamen ein eigener Fitnessraum, eine neue Spiegelwand und mittlerweile zwei Ringe. "Die Hardware stimmt, aber die Software macht Probleme", sagt Finkenzeller angesichts der jüngsten Abgänge. Die Perspektiven des Vereins sieht er dennoch positiv: Man strebe etwa vermehrte Teilnahmen an auswärtigen Veranstaltungen an, dazu wurde eigens ein neuer Minibus angeschafft. Und: "Wir haben keine Schulden, sondern ein finanzielles Polster. " Auch der Vorsitzende Parthenis Tokmakidis blickt optimistisch in die Zukunft: "In den letzten Jahren wurde der BCI in der Region und auch außerhalb präsenter. Die Ingolstädter wissen nach wie vor, dass es uns gibt. " Jetzt kommt es nur noch auf die Software an.
TAG DER OFFENEN TÜR
Wäre der BC Ingolstadt ein Arbeitnehmer, könnte er bald in Rente gehen: In diesem Jahr feiert der Verein tatsächlich seinen 65. Geburtstag und lädt aus diesem Grund am kommenden Sonntag an der Pestalozzischule (Jean-Paul-Straße) zum Tag der offenen Tür ein. Das Programm besteht aus einem Mix aus Sport und Entspannung: Von 16 Uhr bis 16.45 Uhr sowie von 17.45 Uhr bis 18.30 Uhr zeigen die Athleten des Vereins jeweils ein Showtraining, um Fans und Interessierten einen Einblick in den Boxsport zu geben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die Vereinsräume und Ausstattung zu besichtigen. Auch Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel wird ab 15 Uhr vor Ort sein. Das Motto lautet: "Boxen ist Leidenschaft, Disziplin, Ausdauer und Respekt" - doch beim begleitenden Grillfest darf natürlich auch ein wenig gesündigt werden.