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Generation Z: Das Plärren geht weiter

Die Kritik an der kommenden Generation ist ja nun ein alter Hut. Auch hier im Dampfbloque, was vermutlich daran liegt, dass ich so ein verrückter Angehöriger der Generation Y bin, die ich so gern für ihre fehlende Selbstreflexion schelte. Gescholten habe. Denn von einigen Beiträgen zu Beginn meines wüsten Treibens hier mal abgesehen war es lange ruhig um dieses Thema. Das hängt unter Umständen damit zusammen, dass vor knapp einem Jahr schon eine neue Generation medial aus der Taufe gehoben wurde, und damit jedes weitere Wort über die „Ypsiloner" überflüssig gewesen wäre. So wurde uns im Oktober 2015 noch das Bild von bodenständigen und vor allem um ihre zukünftige Aufgabe wissenden Menschen vorgestellt: die Generation Z. 


Spätestens heute scheint der Beweis erbracht, dass es sich um exakt denselben Menschenschlag handelt wie bei der Generation zuvor. 


Die ZEIT veröffentlichte heute einen Artikel über die aktuell in Hochschulen strömende Generation. „Uns eint die Panik" heißt es im Titel. Schon der erste Satz deutet an, wohin die Reise geht: Warum kümmert sich niemand um uns? Warum wurden wir nicht vorbereitet? Was sollen wir nur tun? Diese Welt verunsichert uns und keiner hilft uns!

Das ist alles längst bekannt. Derartige Zukunftsängste plagen wohl viele Menschen, aber mir stößt unangenehm auf, wie selbstbewusst der Autor den Fehler ausschließlich dort sucht, wo er als erstes gesucht wird: bei den Schulen. 


„Die Schule hat [uns] nicht auf den digitalen Wandel vorbereitet"

Ich beendete meine Schullaufbahn vor etwa elf Jahren mit dem Erlangen des Abiturs an einem Gymnasium. In den 13 Jahren, die ich in der Schule verbrachte, lernte ich wenig über die digitale Welt. Drei Wochen lang schnupperte ich in den Informatikkurs rein, um festzustellen, dass ich mir das Wissen, wie ich einen Button programmiere, der, wenn man ihn betätigt, die Farbe ändert, durchaus selbst aneignen kann. Das ist allerdings kein Fehler der Schule, denn a) mancher benötigt dabei Hilfe und b) es wurden mit Sicherheit noch komplexere Dinge programmiert. Ich strich die Segel, bekam von da an keine Grundlagen in Delphi dargereicht und wechselte zu Pädagogik. Und obwohl ich bis zum Alter von 12 Jahren über keinen Internetzugang verfügte, hat mich die digitale Welt, die da so schnell um sich griff, nicht überfordert. Ich weiß sogar um den unschätzbaren Wert von Zwischenüberschriften in Blogartikeln. Das brachte mir die Schule nicht bei und sie muss es niemandem beibringen. Denn wenn man sich umschaut, rennt doch ohnehin jedes Kind mittlerweile mit einem Smartphone durch die Gegend. Weshalb die Schule da irgendwelche Pflichten hätte, noch über Dinge aufzuklären, die den meisten ohnehin schon geläufig sein sollten, ist mir schleierhaft. Zumal es da noch diese kuriose Institution namens „Eltern" gibt. 


„Die Welt steht uns offen"

Ein Punkt, worin ich dem Autor des Artikel durchaus Recht geben muss, ist die Kritik an der Tatsache, dass man Kinder heute nach einem universell gültigen Grundsatz erzieht: Du kannst alles! Und wenn es mal etwas gibt, was du nicht kannst, gibt es jemanden, der dafür verantwortlich sein muss. Der zweite Satz ist mein Beitrag zu diesem Grundsatz. Als Sohn einer Schulleiterin und mit den Erfahrungswerten von mehreren Jahren Studium eines Allerweltsfachs hat sich dieser zweite Satz allerdings bestätigt. In den Klassenzimmern und Hörsälen sitzen heute Helden. Das wurde ihnen lang genug eingeredet und so verhalten sie sich auch. Sie können alles, dürfen alles, müssen nichts und fallen auf die Schnauze, wenn sie ihren Abschluss in den Händen halten, weil alles Weitere von da an eben in ihren eigenen Händen liegt. 


„Schon Monate vor dem Abschluss haben wir uns gegenseitig gefragt: Und? Was machst du nach dem Abi?"

Schon Monate vorher? Ich bin wahrlich kein großer Planer und habe erst während des Studiums meinen zukünftigen Beruf entdeckt, aber eine Richtung gab es bei mir schon lange vor dem Abitur. Nicht erst Monate. Erst Monate, nicht schon. Es klingt beinahe so, als würden die Abiturienten von heute alles tun, um wirklich gut vorbereitet zu sein. Der Schein trügt. Viele Schulfreunde von mir wussten bereits vor dem Erreichen der Oberstufe, wo es sie hinziehen wird. Und heute? 


„Wie wird es mit dieser Welt weitergehen?"

Es grenzt an Ignoranz und ist überdies der blanke Hohn, dass sich 18-/19-jährige Menschen kackfrech hinstellen und ihre Unsicherheit und Planlosigkeit darauf zurückführen, dass die heutige Zeit so bewegt ist. Im Artikel schreibt der Autor von einer krisengebeutelten Welt, die vom einen ins nächste unruhige Fahrwasser treibt. Ich bin höchst irritiert darüber, dass viele in Sachen Geschichte über derart gut ausgeprägte Scheuklappen verfügen. Gründe suchen, die gerade passen und dabei Fakten ignorieren. Wann gab es eine Zeit, in der in den Zeitungen nicht von Krisen berichtet wurde? Wann war Europa jemals über einen längeren Zeitraum ruhig? Wann war es der Arbeitsmarkt? Der Balkankonflikt scheint vielen heute kein Begriff mehr zu sein, die Kubakrise ist unbekannt, der Kalte Krieg, der Kosovo, Arbeitslose unter Kohl, die Golfkriege, die IRA, die ETA, die RAF, der Rechtsextremismus in den 90ern, die Einwanderungswelle der 90er aufgrund europäischer Krisenherde... 


Da sitzen Jugendliche in der Schule und beklagen sich über den Geschichtsunterricht, weil er Geschichte unterrichtet und treten ahnungslos aber selbstbewusst in die Öffentlichkeit und erzählen, dass sie es so schwer hätten, wegen der aktuellen Weltgeschehnisse. Da fehlt mir jedes Verständnis. 


„Fakt ist, dass die Schule einen nur wenig auf das Leben in einer digitalen Gesellschaft vorbereitet"

Wie ist es zu erklären, dass der Autor im Artikel kritisiert, dass die Schule sich nicht weiterentwickelt hat und deshalb den Anforderungen an die digitale Gesellschaft nicht gerecht wird, aber andere, die vielleicht nicht in diese digitale Gesellschaft hineingeboren wurden, sich ohne Probleme integrieren? Die Schulbildung dürfte eine ähnliche sein, aber heute wird von Menschen, die von klein auf mit einem ungeheuren Wissen in der Hand aufwachsen, der Umstand kritisiert, dass man keinen Plan vom Leben hat. Dass man nicht in der Lage ist, Zusammenhänge herzustellen. Auch mir wurde nicht gesagt, dass ich von einer Dramenanalyse insofern profitiere, als es meine Denkweise schult, mich in die Lage versetzt, Komplexes zu entschlüsseln. Diese Transferleistung erbrachte ich selbst. Sie wurde mir nicht vorgekaut. 


Irgendwann erkannte ich ein Denkmuster, dass ich aus anderen Zusammenhängen kannte. Irgendwann begann ich, das Internet als Informationsquelle zu nutzen. Immer unter Vorbehalt, denn Informationen sind selten so aufbereitet, dass sie als 1:1-Definition der Welt taugen. Um Dinge zu begreifen, gehört ein wenig mehr dazu, als darüber zu schreiben, wer der Anderen, die mich in meinem Leben umgaben und umgeben, eventuell etwas falsch gemacht hat. Um Dinge zu begreifen, erfordert es die Fähigkeit, sich selbst im Kontext einer Gesellschaft zu betrachten. Nicht als Lenker, nicht als Retter oder Held, sondern als Mitglied, das sich den Gegebenheiten bezeiten unterordnet. Das setzt natürlich voraus, dass Dinge bedacht werden, ohne gleich den Topos „Aber ich habe doch gar nichts gemacht und kann sowieso nichts dafür!" zu bemühen. Und äußere Umstände sind natürlich oftmals ein Kriterium. Nur schaffen es Menschen unter tatsächlich widrigen Bedingungen, ihr Leben zu regeln. Dagegen ist die Wahl, ob man nun Jura, BWL oder Medizin studiert oder vielleicht doch lieber ein Jahr ins Ausland geht, ein irrelevanter Scheiß.

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