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Lachyoga: Warum ich mich freiwillig wie ein Kleinkind verhalten habe

© loreanto / Adobe Stock

Ich sitze in einem Stuhlkreis. Mit einer Gruppe fremder Menschen und meiner Freundin Isabel. Zum Glück. Von außen betrachtet erinnert die Szenerie vermutlich an eine dieser Therapiegruppen, die man aus amerikanischen Filmen kennt. Und irgendwie gleicht das hier auch einer Form von Therapie. Doch wir sind nicht gekommen, um über unsere Probleme zu sprechen. Wir sind gekommen, um das zu tun, wofür man in der Schule oft des Klassenraums verwiesen wurde: lachen.


Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich heute Lachyoga ausprobieren, eine Methode, bei der es sich um eine Mischung aus pantomimischen Lachübungen, Atemübungen und Stretching handelt. „Es geht darum, ohne Witz und Comedy zu lachen. Aus dem absichtlichen Lachen soll dann schnell ein spontanes Lachen werden", erklärt uns Lachyoga-Trainer Alex Bannes aus Hamburg. Entwickelt wurde die Methode 1995 vom indischen Arzt Dr. Madan Kataria und seiner Frau. Der hatte sich damals schon wissenschaftlich damit befasst, wie gesund Lachen ist und wollte dies auch praktisch beweisen. Dazu traf er sich mit fünf Leuten in einem Park zum gemeinsamen Lachen. Die dabei entwickelten Lachübungen erfreuten sich so großer Beliebtheit, dass Lachyoga schnell im ganzen Land und dann in der ganzen Welt bekannt wurde.


Ich stelle mich vor, die anderen lachen

Und nun sitze ich also hier im Stuhlkreis und hoffe inständig, dass nach der kurzen Einleitung die klassische Vorstellungsrunde der Teilnehmer*innen ausbleiben wird. Natürlich tut sie das nicht. Und doch werde ich direkt überrascht. Jeder von uns soll sich mit Namen vorstellen, dann sollen alle lachen. Danach sollen wir unseren Wohnort nennen und alle wieder lachen. Oh Gott, denke ich. Das kann ja nur unangenehm werden. Die erste Frau stellt sich vor. Wir lachen. Herr Bannes Lachen endet in einem fröhlichen Grunzen. Ich schiele zu Isabel rüber und weiß, wir denken das Gleiche: Wir sind verloren. Aus dem künstlichen Lachen wird sogleich ein echtes, inklusive Tränen. Ich stelle fest: Diese Art der Vorstellungsrunde gefällt mir wesentlich besser als Vorstellungsrunden im Job, bei denen man seinen Lebenslauf abarbeiten muss. Nach der Runde fühle ich mich den anderen bereits näher als erwartet. Das Lachen hat den Bann gebrochen.


Aus Herrn Bannes ist schnell Alex geworden, denn beim Lachyoga duzt man sich. Wir schieben die Stühle zur Seite. Alex beginnt zu tanzen. Wir sollen es ihm nachtun. Gar nicht so einfach, wenn man statt auf einer überfüllten Tanzfläche plötzlich mit nur rund 12 Leuten in einem großen Raum tanzen soll. Kurz fühle ich mich beobachtet - und verklemmt. Mein Blick geht zu Isabel. Sie grinst mich an, ich grinse zurück und denke: Egal, genau dafür bin ich doch hier. Um Spaß zu haben. Also tanzen wir drauf los und schon bald ist vergessen, dass wir uns nicht wie sonst in der Masse verstecken können. Es tut sogar gut zu wissen, dass wir das gar nicht müssen.


Haben Erwachsene das Lachen verlernt?

Nachdem alle locker und gut gelaunt sind, starten wir mit den Lachübungen. Wir schütteln uns die Hände, schauen uns dabei in die Augen und lachen. Zwischendurch klatschen wir in die Hände wie Kinder und rufen „Sehr gut. Sehr gut. Ja!" Was von außen so wirkt, als hätten erwachsene Menschen eine Zeitreise zurück in den Kindergarten gemacht, ist tatsächlich so gewollt: „Kleine Kinder lachen ohne Grund. Nicht, weil sie irgendetwas lustig finden, sondern einfach, weil sie sich freuen, am Leben zu sein und in dem Moment alles gut ist", sagt Alex. „Lachen ist ein lebensbejahender Impuls." Und durch Lachyoga könne man ihn auch bei Erwachsenen wieder wecken. Dafür sei manchmal ein kindlich-spielerischer Ansatz notwendig. Kinder lachen übrigens bis zu 400 Mal am Tag, Erwachsene im Schnitt nur 15 Mal. Was ist da schiefgelaufen? Und kann Lachyoga helfen?


Positive Effekte sollen schnell spürbar sein: „Lachen erzeugt eine Bewegung im Körper. Muskeln werden bewegt. Dadurch werden Organe und Faszien besser durchblutet und außerdem werden Glückshormone wie Endorphine, Serotonin und Oxytocin ausgeschüttet", sagt der Lachyoga-Trainer. Außerdem werde das Lachen mit der tiefen Yogaatmung, also dem verlängerten Ausatmen, kombiniert. Dadurch sollen Körper und Gehirn mit mehr Sauerstoff versorgt werden. Man soll sich kraftvoller und gesünder fühlen. Lachyoga eignet sich laut Alex nicht nur für alle, die mehr lachen möchten, sondern insbesondere für Menschen, die unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen leiden. Ihnen tue das Lachen gut. Und älteren Menschen empfiehlt er Lachyoga. „Senioren haben in ihrem langen Leben viel erlebt, was sie nicht gut verarbeitet haben und sie belastet. Wenn sie lernen, grundlos zu lachen, ist das oft eine sehr befreiende Erfahrung, die die Lebensqualität erhöht."


Lachen hat auch mit Loslassen zu tun

Während der Stunde machen wir noch viele weitere Übungen. Wir tun so, als gießen wir uns ein Lachgetränk ein, das wir lachend austrinken. Wir winken uns selbst in einem imaginären Spiegel zu und lachen dabei. Wir cremen uns mit Lachcreme ein und laufen lachend durch den Raum. Genau so habe ich mir klischeehaft auch eine Lachyoga-Stunde vorgestellt. Nur, dass ich nicht erwartet habe, ernsthaft darüber zu lachen. Es ist bescheuert. Aber das darf es auch sein.


Dass ich zwischenzeitlich nicht ganz loslassen kann, macht mir jedoch das weit geöffnete Fenster deutlich. Erstens: Man kann uns dadurch sehen. Ist das peinlich? Zweitens: Man kann uns definitiv hören. Ist das unangenehm? Ich beobachte durch das Fenster eine Gruppe Männer und Frauen und überprüfe, ob sie sich umdrehen, wenn wir lachen. Manchmal kommt es mir so vor. Ich zwinge mich, meinen Fokus wieder in den Raum zu lenken. Auf mich. Die anderen. Das Lachen.


Lachyoga: Mein Fazit

Am Ende schließen wir mit einem Entspannungsteil ab. Wir liegen ruhig da und sollen uns auf unseren Körper und unsere Atmung konzentrieren. Das Einzige, worauf ich mich konzentrieren kann, ist Isabels unterdrücktes Kichern. Ich muss mitkichern. Und merke, wie anstrengend Lachen sein kann. Ich spüre es regelrecht im Bauch. Und so liegen wir da und lachen Tränen. Entspannend war das nicht, aber befreiend.


Zum Schluss geben wir alle noch einmal Feedback. Wie fühlen wir uns jetzt? Entspannt. Glücklich. Belebt. Einige sagen, ihr Kopf fühle sich durchlüftet an, andere berichten, nun besser atmen zu können. Jede und jeder hat heute etwas mitgenommen. Für mich ist es die Erkenntnis, im Alltag wieder öfter zu lachen, auch grundlos. Alex Bannes empfiehlt dafür folgende Übung, die sich auch gut für die Öffentlichkeit eignen soll: Einfach das Smartphone herausnehmen, so tun, als ob man angerufen wird und jemand etwas Lustiges erzählt. Und dann einfach lachen. Ob ich mich das wirklich traue, bezweifle ich. Aber allein die Vorstellung reicht aus, um leise in mich hineinzulachen.

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