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Seltene Krankheiten: „Wir sind gar nicht mehr so selten, wie wir denken"

Engagierte Spezialisten für die Seltenen (von links):. Dr. Frank Stehr, Taylor Kane, Dr. Uma Ramaswami, Dr. Lilian Monteiro-Palma, Oliver Hülsken und Dr. Alexander Schuth.

Sie haben Symptome, die in ihrer Gesamtheit Ärzte häufig vor große Rätsel stellen. Unzählige Untersuchungen, Aufenthalte in Krankenhäusern und große Sorge, nie herausfinden zu können, woran sie leiden, eint die meisten Menschen, die an einer seltenen Erkrankung also einer rare disease leiden. Der letzte Tag im Februar eines jeden Jahres wird deshalb diesen Menschen gewidmet.

Das Unternehmen Centogene, welches im Bereich der genetischen Diagnostik seltener Krankheiten tätig ist, hatte sich dabei in diesem Jahr etwas Ausgefallenes einfallen lassen: ein International Rare Disease Film Festival. Dazu wurden parallelen drei Veranstaltungen in Deutschland, Pakistan und Mexiko abgehalten.

Bei den Betroffenen gebe es viel Unwissenheit und Angst, sagte Professor Arndt Rolfs, CEO von Centogene, in Berlin. „92 Prozent der Patienten mit seltenen Erkrankungen leben in Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung. Sie haben oft nicht einmal Zugang zur Diagnostik und wissen nicht, was für eine Krankheit sie haben."

Zehn bis zwölf Jahre Ungewissheit

In Deutschland sei dies zwar anders, dennoch dauere die richtige Diagnose häufig lange. „Noch immer vergehen oft zehn bis zwanzig Jahre, bis ein Patient weiß, an was für einer Erkrankung er leidet", so Rolfs.

Geraldine Uhlig weiß das aus eigener Erfahrung. Ihr Vater musste bis zu seinem 53. Lebensjahr warten, bis bei ihm die Diagnose Morbus Fabry gestellt werden konnte. „Ich bin die letzte Überlebende der Krankheit in meiner Familie", sagte die 19-Jährige.

Sie selbst weiß seit ihrem fünften Lebensjahr, dass auch sie die Krankheit hat. Ihr ist es wichtig, dass das Thema der seltenen Krankheiten in der Öffentlichkeit präsenter wird. „Wir sind gar nicht mehr so selten, wie wir denken", ermutigt sie andere Betroffene.

„Man fühlt sich als Einzelkämpfer"

Für Angehörige und vor allem Eltern ist es schwer, Gleichgesinnte zu finden. Oliver Hülsken und seine Frau mussten sich auf eine sehr lange Suche nach dem „Warum" begeben, um herauszufinden, was bei ihrer Tochter Lena anders als bei anderen Kindern ist.

Lena leidet an Syngap, einer Veränderung auf dem Syngap1-Gen, die eine Ursache für globale Entwicklungsverzögerungen sowie mittlere bis schwere Intelligenzminderung, Epilepsie und Autismus ist. „Man fühlt sich als Einzelkämpfer, aber es gibt Tausende Einzelkämpfer", sagte Hülsken.

Er schrieb einen Blog über das Leben mit seiner Tochter und ihrer Erkrankung. Was Lena genau hat, dass hat er mit der Hilfe von Verena Schmeder erkannt. Sie sah Videos von Lena im Internet und gab den Eltern den Tipp. Das Beispiel zeigt, wie Betroffene sich gegenseitig helfen können.

„Es gibt nichts Wichtigeres als einen aufgeklärten Patienten", so Rolfs. Es erlöse die Patienten oftmals von dem großen Unwissen über die eigene Gesundheit. „Wir müssen aufhören, zu glauben, dass Rare Diseases nur Wenige betreffen", sagte er weiter.

Dr. Frank Stehr von der NCL-Stiftung stimmt ihm zu: „Forschung ist keine Einbahnstraße. Die Krankheit NCL hat Überschneidungen mit anderen Erkrankungen wie AMD und RP."

Hilfsmittel soziale Medien

Ärzte müssen ihren Fokus verändern, um das Beste für den Patienten zu leisten, meinte Dr. Uma Ramaswami vom Londoner Institut für Immunologie und Transplantation. Hierfür ist es notwendig, die wichtigsten Symptome der Krankheit herauszufiltern.

Wissenschaftler müssen eine seltene Krankheit aber auch erst verstehen, die Leute informieren und das Wissen über die Erkrankung verbreiten, erklärte Dr. Lilian Monteira-Palma von der Staatlichen Universität Campinas in Brasilien.

„Soziale Medien können dabei helfen, mehr Menschen zu erreichen", sagte sie. Weil Technologie in der Regel besser verfügbar sei, als noch vor einigen Jahren, hätten nun auch kleinere Unternehmen die Chance, Therapieangebote für seltene Krankheiten zu entwickeln, schlussfolgerte Dr. Alexander Schuth, Mitbegründer und Coo von Denali Therapeutics.

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