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„Das Leben in Afghanistan ist wie ein Lottospiel" - WELT

Für Ahmad Hussaini* ist Terror ein Bestandteil seines Lebens - und das schon immer. Aufgewachsen ist der heute 25-Jährige in der historischen Stadt Herat im Nordwesten von Afghanistan.

Von 1994 bis 2001 regierten die Taliban die Stadt. Verbote dominierten seine Kindheit. „Wir mussten einen Turban und traditionelle Kleidung tragen, durften keine langen Haare haben, kein Fernsehen gucken und keine Musik hören", erinnert sich Ahmad Hussaini. Trotzdem sei es damals sicher gewesen. Die Menschen konnten sich frei bewegen, ohne die ständige Angst vor Anschlägen. Es war sicherer „im Vergleich zu heute", das betont er immer wieder. Denn heute gebe es keinerlei Sicherheit mehr in dem Land.

Nach den Anschlägen auf das Word Trade Center am 11. September 2001 gingen die USA militärisch gegen die Taliban vor. Mit Erfolg. Mehrere Jahre lang war die Terrororganisation vertrieben. Aber nach einigen Jahren kehrte sie zurück und verübt seither immer wieder Anschläge im Land. Wie viele Ahmad Hussaini davon erlebt hat? Er weiß es nicht mehr. Es waren einfach zu viele. Mehr als 100 schätzt er.

Einige davon sind ihm aber besonders in Erinnerung geblieben. So wie jener Anschlag im Jahr 2007. Hussaini war gerade in einem Geschäft. „Plötzlich hörte ich eine laute Explosion. Alle Menschen im Laden waren unter Schock", sagt er. Ein paar Straßen weiter war eine Bombe explodiert. Wie alle anderen versuchte auch er sofort, mit seiner Familie zu telefonieren, um sich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht. Niemand aus seiner Familie wurde verletzt. Monate später besuchte Ahmad Hussaini einen Freund, den er schon eine Weile nicht gesehen hatte. „Ich habe es zuerst nicht bemerkt, aber mein Freund saß im Rollstuhl und verlor bei genau diesem Attentat seine Beine", sagt er.

Das Leben mit der Angst gehört zum Alltag in Afghanistan. „Das ist das Problem: Es ist normal geworden. Wenn man das Haus morgens verlässt, weiß man nicht, ob man seine Familie wieder sieht", erzählt Hussaini nachdenklich. Er selbst habe gemerkt, dass er in Afghanistan keine Zukunft habe. Seit zwei Jahren lebt der 25-Jährige in Deutschland und studiert Politik. „Das Leben in Afghanistan ist wie ein Lottospiel. Es gab keine Garantie, dass ich morgen noch lebe", sagt er.

Obwohl er jetzt in Deutschland ist, nimmt der Terror für ihn kein Ende. Nachts hat er Albträume. Tagsüber denkt er sekündlich an seine Familie. Erfährt er von einem Anschlag, ruft er sofort seine Familie an. Dann heißt es warten, weil sie manchmal nicht zu erreichen ist.

*Der Name wurde von der Redaktion verändert

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