Wer ans Abnehmen dachte, dachte lange an Weight Watchers. Vorbei. Der US-Konzern ringt ums Überleben - obwohl das Geschäft mit dem Gewicht boomt.
Es ist eine Geschichte wie aus Hollywood. Es gibt eine Heldin, sie heißt Jean Nidetch und ist US-Amerikanerin. Es gibt einen Gegner, das ist ihr Übergewicht. Und es gibt ein Happy End namens Weight Watchers.
Nidetch trifft sich ab 1961 mit Freunden, sie wollen zusammen abnehmen und sich gegenseitig disziplinieren. Es funktioniert. Nidetch verliert Pfund um Pfund, und schließlich macht sie aus ihrer Idee ein Geschäft. 1963 gründet sie Weight Watchers, das zur globalen Marke aufsteigt. Seit 2001, das Unternehmen gehört ihr da schon lange nicht mehr, werden die Aktien von Weight Watchers an der Börse gehandelt. Doch jetzt ist das Happy End in Gefahr.
Weight Watchers ist das Abnehm-Programm, dessen Teilnehmer für Motivationstreffen zahlen und dafür, dass Berater ihnen Ernährungstipps geben. Die Tipps basieren auf einer simplen Idee: jedem Lebensmittel sind Punkte zugeordnet, ein Stück Schokolade hat etwa einen, ein Brötchen vier. Pro Tag dürfen die Nutzer eine bestimmte Punktezahl nicht überschreiten. Mit diesem Konzept ist Weight Watchers der dickste Spieler im globalen Geschäft mit dem Gewicht geworden, rund 360.000 Verbraucher nutzen die Angebote des Konzerns pro Woche, allein in Deutschland.
"Wir haben 14,9 Kilo abgenommen!"Doch die hohe Zahl täuscht über große Probleme hinweg: Zuletzt kündigten viele Mitglieder. Der Aktienkurs von Weight Watchers stürzte von 45 auf 4 Dollar ab, der Umsatz brach um ein, die Gewinne wurden immer magerer. Im ersten Quartal 2015 hat der Konzern sogar einen Verlust gemacht. Weight Watchers ringt ums wirtschaftliche Überleben - obwohl auf der Welt so viele Übergewichtige wie noch nie leben und die Abnehm-Branche boomt. Doch für Weight Watchers gilt: Die fetten Jahre sind vorbei.
Um die Krise zu verstehen, muss man einen Blick in die Weight-Watchers-Welt werfen. In Köln beginnt sie hinter einer Glastür am Rudolfplatz in der Innenstadt, wo sich eine Filiale befindet. Hier treffen sich mehrmals in der Woche Weight-Watchers-Mitglieder. An einem Samstagmorgen sind rund zwei Dutzend Mitglieder gekommen, Beginn der Runde: 9.30 Uhr. Der Termin klingt unspektakulär, aber er ist ein Teil des Problems.
Die Mitglieder müssen zu festen Zeiten an einem bestimmten Ort sein. Aber für viele Menschen wird eine klassische Tagesstruktur, in die feste Termine passen, immer seltener. "Daher gibt es heute weniger Nachfrage nach Vor-Ort-Angeboten", sagt Thomas Ellrott, Ernährungspsychologe der Universität Göttingen. Schon in der Vergangenheit konnte der Konzern nur so erstarken, weil er jahrzehntelang praktisch der einzige Anbieter von Ernährungs- und Diättipps war. Wer ans Abnehmen dachte, dachte an Weight Watchers, dachte an Treffen wie in Köln. Da musste man einfach hin.
In Köln sitzen die Leute auf grünen und lilafarbenen Stühlen, vorne, in der Mitte zwischen ihnen, steht eine Ernährungsberaterin; klein, blond und dünn, blaues Kleid. "Wir haben in dieser Woche zusammen 14,9 Kilo abgenommen, das sind 620 Gramm für jeden", jubelt die Frau. Die Gruppe klatscht, einige johlen "wow". Später fragt die Beraterin: "Und wenn Sie jetzt richtig Heißhunger auf was Süßes haben, was machen Sie?" Eine Frau rät zu einem kalorienarmen Grießbrei, eine andere berichtet, sie zähle Gummibärchen einzeln ab, um nicht zu viele Punkte zu sammeln. Die Beraterin nickt.
Umständlich und teuerDas Problem ist: Solche Ernährungs- und Motivationstipps gibt es im Internet zuhauf. Die Nutzer können jederzeit und überall darauf zugreifen, vor allem mit Smartphones. "Weight Watchers hat viel zu spät auf dieses Gerät gesetzt, obwohl es die zentrale Kommunikationsplattform unserer Zeit ist", sagt der Göttinger Ernährungspsychologe Ellrott. Die Kunden liefen dem Konzern deshalb davon.
Inzwischen bietet das Unternehmen zwar eine App für Mobiltelefone an, aber geholfen hat es nicht viel. "Der Konzern hat es verpasst, in der digitalen Welt ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten, damit die Verbraucher gerade seine Produkte kaufen", urteilt Sebastian Uhrich, Professor für Sport-Betriebswirtschaftslehre an der Sporthochschule Köln.
Wer heute ans Abnehmen denkt, denkt immer häufiger an Ernährungs- und Fitness-Apps wie A.R.I.S.E., von denen es Dutzende gibt. Nutzer können damit kontrollieren, wie viele Kalorien sie zu sich genommen haben, andere Applikationen bieten Diät-Rezepte an. Die Onlinedienste sind kostenlos, bei den Angeboten des US-Konzerns dagegen, die viele Verbraucher als ähnlich empfinden, zahlen Mitglieder 17 Euro für die App, fast 40 Euro für die Treffen. "Das ist vielen zu teuer", glaubt der Kölner Experte Uhrich.