Der Berliner Senat verhängt ein Corona-Tanzverbot. Jetzt noch schnell ein letztes Mal feiern gehen!
Es wäre unehrlich, zu behaupten, ich könnte mich an alles erinnern. Ich kann mich selten genau an diese Nächte erinnern, Nächte wie Samstagnacht. Am Freitag hat der Berliner Senat bekanntgegeben, dass die Clubs in zwar nicht schließen müssen. Aber das Tanzen ist verboten, wenn die Inzidenz über 350 liegt. Das tut sie längst. Nur die entsprechende Verordnung ist noch nicht fertig, deshalb gilt das Verbot erst ab Mittwoch. Die Bürokratie schenkt den Clubs ein letztes Wochenende.
Also gehe ich ein letztes Mal tanzen. Aber ich warne vor: Vielleicht sind die Zeitangaben in diesem Text nicht ganz richtig, vielleicht sind manche Ereignisse auch vertauscht oder durcheinandergeworfen. So oder so ähnlich war es jedenfalls:
21 Uhr. Wir treffen uns im Vin Aqua Vin, in einer kleinen Weinbar in Neukölln. Sechs Freundinnen, draußen. Unter Decken. Wir sprechen seit gestern darüber, ob das überhaupt okay ist. Auszugehen, mitten in der Katastrophe. "Ich fühle mich gut geboostert", sagt eine Freundin. Sie hatte gerade . Milder Verlauf. Sei eigentlich ganz schön gewesen, mal zu Hause bleiben zu müssen. Podcasts hören, Bücher lesen, backen. "Du bist hier ja eigentlich die Mutige." Sie meint mich. Ich bin zwar erst 29, aber Risikopatientin, eine angeborene Bindegewebskrankheit, die Details sind langweilig. Mein Booster-Termin ist in drei Tagen. Ich bin also eigentlich ein bisschen lebensmüde. In Münster gab es vor ein paar Wochen 85 Infizierte nach einer 2G-Party im Club. Ende Oktober dann 19 Infizierte im Berghain hier in Berlin. Ende November: 21 von 35 Gästen auf einer Privatparty in einer Berliner Bar.
"Langsam wird's krass, draußen zu sitzen."
"Ich habe mir überlegt, mir eine Jacke mit Heizstäben zu kaufen. Dann habe ich gemerkt, dass Amaretto trinken eigentlich den gleichen Effekt hat."
"Ich hab mir bestimmt gestern eh Omikron geholt."
Kurz vor Mitternacht. Es hat angefangen zu schneien. Das erste Taxi nimmt uns nicht mit, weil wegen Corona niemand vorne sitzen darf. Das zweite Taxi nimmt uns mit, obwohl wegen Corona niemand vorne sitzen darf.
"Heute viel zu tun?"
"Klar, heute ist die Hölle los. Vorm KitKat ist schon eine riesige Schlange. Letztes Mal heute."
"Und dann?"
"Ach, die halten das eh nicht länger als zwei Wochen durch. Das machen die Leute nicht mit."
Dabei hat man doch die letzten, woah, fast zwei Jahre gemerkt, was die Leute alles mitmachen: Schulschließungen. Hörsaalschließungen. Geschäftsschließungen. Tanzverbot klingt dagegen fast banal. Obwohl es ja hauptsächlich die betrifft, die jung sind und geimpft. Die, die solidarisch abgewartet haben. Uns.
Kurz nach Mitternacht. Auf der Internetseite vom Sameheads steht, drinnen gilt 2G plus. Wir stehen in der Schlange. Zwei Freundinnen haben keinen aktuellen Test. Wir entscheiden zu gehen. Keine Lust, umsonst ewig zu warten. Spontan tanzen, eine Normalität aus unserem früheren Leben. Ich merke, dass der Alkohol nachlässt. Ich öffne Google Maps auf meinem Handy, gebe "Bar" in die Suchleiste ein.
Halb eins. Erster Wodka-Shot.
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