Zwischen Depression und Angst: Wie gehe ich mit meinen Gefühlen zum Klimawandel um?
"Ich will, dass ihr Panik kriegt. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag fühle", fordert Klimaaktivistin Greta Thunberg, 16, in ihrer Rede vor dem Weltklimaforum. Greta ist damit nicht alleine: In Zeiten von brennenden Regenwäldern, schmelzenden Eiskappen und sterbenden Bienen fühlen viele Menschen genau das - Angst. Inzwischen gibt es auch ein Wort dafür. Man liest es in sozialen Medien und Blogposts: "Klimaangst". Auch die Klimaaktivsten um Extinction Rebellion nutzen den Hashtag #ecoanxiety unter ihren Posts.
Für Lisa, 22, sind solche Gefühle nichts Neues: Schon seit ihrer Kindheit beschäftigt sie sich mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Als sie sich in der fünften Klasse ein Buch über die Rettung der Erde kauft, ist sie geschockt: Sie versteht nicht, wieso sie so wenig in der Schule über das Thema lernt. Später beschließt sie, Umweltwissenschaften zu studieren, doch mit dem neuen Wissen kommen auch Angst und Hilflosigkeit. "Es ist belastend, und ich überlege jeden Tag, was ich tun kann", erzählt Lisa.
Besonders in den Vorlesungen werde sie immer wieder mit den harten Fakten konfrontiert: Die Erderwärmung, freigesetztes CO2, schmelzende Polarkappen - alles ist die Schuld des Menschen.
Was sie noch mehr schockiert: dass viele Menschen davon nach wie vor nichts wissen oder es ignorieren. Das lässt sie oft ohnmächtig zurück, denn ohne Wissen über den Klimawandel könnten die Menschen auch nicht ins Handeln kommen, sagt Lisa.
Lisa ist nicht alleine mit ihrer Verzweiflung:
Besonders in den USA wird das Thema eco-anxiety immer wieder in den Medien behandelt. Die amerikanisch psychologische Gesellschaft will sie zu einer offiziellen Krankheit erklären.In Schweden gibt es bereits Kurse, in denen Menschen lernen, mit ihren Ängsten und Sorgen umzugehen und gleichzeitg ihren CO2-Verbrauch zu senken. Auch in den sozialen Netzwerken gibt es Accounts, die sich mit Klima-Angst beschäftigen und etliche Posts, die Menschen das Gefühl geben, mit ihrer Sorge nicht alleine zu sein.
Anke Glaßmeyer, 32, ist Psychotherapeutin. Immer mehr ihrer Patientinnen und Patienten äußern in therapeutischen Gesprächen ihre Angst vor der Zukunft.
"Die einen bekommen Depressionen und sind wie gelähmt. Die anderen schotten sich ab", erzählt Anke. Vor einigen Jahren seien die Sorgen um das Klima noch nicht so groß gewesen, doch immer mehr Menschen würden sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Je mehr Berichte oder Bilder man darüber in Nachrichten oder auf Social Media sehe, desto eher fühlten sich Menschen hilflos und ohnmächtig. "Hilflosigkeit ist ein Gefühl, das Depressive auch haben. Sie wissen nicht, was sie tun können", erklärt Anke. Das bedeutet:
Auch Lisa geht es immer wieder schlecht wegen der Nachrichten. Sie fühlt sich priviliegiert, weil andere Menschen in der Welt bereits jetzt mit den Folgen zu kämpfen haben und sie es in Deutschland leichter hat.
Häufig macht sie das wütend, aber ihre Wut hilft ihr, sich weiter zu engagieren. Schon vorher war sie Teil von Fridays for Future und Greenpeace. Für sie ist individuelles Handeln der erste Schritt zur Veränderung - auch wenn die Politik ihrer Meinung nach noch nicht ausreichend darauf reagiert. Deswegen denkt sie jetzt erst recht nicht ans Aufgeben: "Was mir psychisch hilft, ist, mein Bestes zu geben und aktiv zu sein."
Aktives Handeln sei laut Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer die beste Lösung.Besonders in Situationen, in denen es wenig Hoffnung gibt, sei es wichtig, die eigene Kontrolle zurückzugewinnen. "Die Patientinnen müssen selbst aktiv werden und ins Handeln kommen, um zu merken, dass sie etwas gegen ihre Hoffnungslosigkeit tun können." Dabei gehe es nicht darum, zu belehren, sondern auf sich selber zu achten und so einen positiven Impuls für andere zu schaffen.
Trotzdem sei es okay, sich an manchen Tagen schlecht zu fühlen. Wichtig sei es laut Anke, sich darin nicht zu verlieren und sich mit anderen auszutauschen. Das gebe ebenfalls Hoffnung. Dabei könnten auch Instagramkanäle wie "Klimaangst" und andere soziale Medien helfen.
Gespräche mit Gleichgesinnten oder ihrer Familie sind auch für Lisa sehr wichtig: "Nur frustriert zu sein, macht einen verrückt. Wenn ich mit anderen rede, sind wir oft sarkastisch. Wenn wir es mit Humor nehmen, können wir daran nicht verzweifeln und weiter kämpfen."